Von Lucas Leiroz
Der aktuelle Konflikt in der Ukraine ist zweifellos eine direkte Folge des Scheiterns der sogenannten Minsker Protokolle – einer Reihe von Vereinbarungen, die zwischen den separatistischen Republiken des Donbass und der ukrainischen Regierung unter Vermittlung der Russischen Föderation und der Europäischen Union unterzeichnet wurden.
Anstatt den Konflikt zu beenden oder zumindest einzufrieren, war der größte Erfolg des diplomatischen Dialogs in Minsk lediglich ein leichter Rückgang der Intensität der Feindseligkeiten. Das Ziel, "den Krieg zu stoppen", wurde nie erreicht, und die Zusammenstöße in den Regionen mit russischer Mehrheit dauerten acht Jahre lang an, bis Moskau dann im Februar 2022 militärisch intervenierte.
Aus diesen Überlegungen ergeben sich eine Reihe von Fragen. Die Gründe für das diplomatische Scheitern scheinen im öffentlichen Diskurs noch immer nicht völlig klar zu sein. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass es laut der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, nie zu einem wirklichen "Misserfolg" bei der Erreichung der Ziele des Protokolls gekommen ist. Für sie waren die Abkommen immer nur dazu da, der Ukraine "Zeit zu verschaffen" und Kiew in die Lage zu versetzen, sich auf den Kampf gegen Moskau in naher Zukunft vorzubereiten.
Wenn man diese Aussage für wahr halten möchte, dann trägt die von Merkel geäußerte Erklärung tatsächlich dazu bei, die Gründe für die Eskalation der Krise in der Ukraine zu verstehen. Wenn alles nur ein westlicher Plan gewesen ist, um die Truppen Kiews auszubilden und zu bewaffnen, dann hätten wir mit den Vereinbarungen von Minsk eine Art "Molotow-Ribbentrop-Pakt 2.0" – also einen Pakt mit dem Ziel, nicht einen endgültigen Frieden zu erreichen, sondern die Spannungen vorübergehend abzubauen und die Bewaffnung und Kriegsvorbereitungen auf beiden Seiten zu ermöglichen. Dies scheint jedoch nicht die Meinung anderer Beamter zu sein, die 2014 an dem diplomatischen Prozess in Minsk teilgenommen haben.
Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, als Korrespondent in der Konfliktzone im Donbass im Einsatz zu sein. Während eines Besuchs in der Volksrepublik Lugansk habe ich mit mehreren führenden lokalen Politikern gesprochen und dabei wertvolle Daten und Informationen sammeln können, die für den Großteil der westlichen Bürger unzugänglich sind. Eines dieser Treffen fand mit dem Außenminister von Lugansk statt, Wladislaw Deinego, mit dem ich ein langes und interessantes Gespräch führte, über Fragen im Zusammenhang mit der globalen Geopolitik und der jüngsten Geschichte der Donbass-Region.
Einer der interessantesten Punkte in der beruflichen Laufbahn von Deinego ist seine Teilnahme als Verhandlungsführer am diplomatischen Prozess in Minsk. Als Vertreter der Außenpolitik der abtrünnigen Republik war Deinego an Gesprächen mit der ukrainischen Seite beteiligt – vermittelt durch Russland und die EU – und als Insider widerspricht er entschieden der Einschätzung von Angela Merkel über den Charakter der Minsker Abkommen.
Er sagte, dass die Deutschen und andere europäischen Staaten ebenso wie Russland ernsthaft daran interessiert waren, einen dauerhaften Frieden in der Ukraine zu erreichen. Dieses Interesse bestand, weil der drohende Konflikt die gesamte regionale Sicherheitsarchitektur infrage stellte und zu Instabilität für alle Länder des Kontinents führte. Da die Angriffe der Truppen Kiews gegen die Gebiete der Separatisten immer aggressiver wurden und immer tiefer in die Region reichten und zudem die Gefahr bestand, dass die Feindseligkeiten die Grenze zur Russischen Föderation erreichen, beunruhigte die Möglichkeit eines totalen Krieges zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten.
Mit der aufrichtigen Absicht, Frieden zu erlangen, kamen die Seiten zu den Gesprächen in Minsk und handelten Bedingungen aus, die für beide Kriegsparteien akzeptabel waren. Deinego sagte auch, dass dem Prozess mehrere gescheiterte Versuche vorausgegangen seien, den Krieg zu begrenzen und die Kämpfe mittels soliden humanitären Grundsätzen, auf Konfrontationen entlang der Kontaktlinie zu reduzieren. Deinego erklärte beispielsweise, dass die Republiken, nachdem sie die Möglichkeiten zur Vermeidung weiterer Kampfhandlungen ausgeschöpft hatten, Kiew ein Abkommen zur Verbannung von Waffen mit hoher Letalität – Artillerie und Luftwaffe – vorgeschlagen hätten. Ziel war es, die Zivilbevölkerung des Donbass zu schützen, selbst inmitten der Unausweichlichkeit eines Krieges. Die ukrainische Regierung wies den Vorschlag jedoch vehement zurück und verweigerte jeden diesbezüglichen Dialog.
Daraufhin kam vonseiten der Separatisten ein erneuter Vorschlag: Schwere Waffen nur innerhalb einer bestimmten territorialen Grenze zuzulassen und dabei den Abstand zu zivilen Gebieten zu respektieren. In diesem Modell sollte die Letalität der von den Kombattanten eingesetzten Waffen umso geringer sein, je näher sie an zivilen Gebieten zu liegen kamen – was den Kampf an der Kontaktlinie auf die Zermürbung durch Infanteriegefechte beschränkt hätte. Andererseits hätten die Waffen umso schwerer sein dürfen, je weiter sie von der Zivilbevölkerung entfernt waren, wobei der Einsatz von Artillerie in Entfernungen erlaubt war, die die Zivilbevölkerung nicht erreichten. Kiew lehnte jedoch auch diesen Vorschlag ab und entschied sich für einen totalen und unbegrenzten Krieg.
Es war Kiews Beharren auf Krieg, das die Angst der Europäer vor einer Situation unkontrollierter Kriegsführung auf dem gesamten Kontinent verstärkte – möglicherweise unter Beteiligung Russlands. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Russland und Deutschland bis zum Beginn der militärischen Sonderoperation im Februar 2022 als sehr wichtige strategische Partner auf der europäischen Bühne auftraten, wobei Moskau als Hauptlieferant von Gas und Öl für Deutschland – und praktisch für ganz Europa – agierte. Dies erklärt weitgehend die Gründe, weshalb Berlin sich als zentraler Vermittler auf ukrainischer Seite im Minsk-Prozess engagierte. Für die Deutschen war es von entscheidender Bedeutung, eine Kriegssituation zu vermeiden, die ihren Beziehungen zu den Russen schaden würde. Deswegen gab es vertiefte deutsche Anstrengungen, eine Einigung mittels der Minsker Abkommen zu erzielen.
Wladislaw Deinego ist sich sicher: "Merkel lügt". Für den Außenminister von Lugansk war das Minsker Protokoll keine große Verschwörung des Westens, um der Ukraine Zeit zu verschaffen, sondern das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen von Europäern und Russen, eine militärische Eskalation zu verhindern. Und das bringt uns zu einer Reihe von Überlegungen über den wahren Grund für das Scheitern der Minsker Abkommen.
Tatsächlich gab es nie wirklichen Respekt vor den Protokollen von Minsk. Kiew bombardierte weiterhin den Donbass und ermordete Zivilisten im Rahmen seines Projekts zur "Entrussifizierung" der Ukraine. Sicherlich nahm die Intensität der Kämpfe erheblich ab, eine wirkliche Einhaltung der Vereinbarungen wurde jedoch nie erreicht. Für Merkel ist dies ein Beweis dafür, dass Frieden nie ein Ziel war. Aber für Deinego, einen Diplomaten, der ebenfalls innerhalb der Kulissen der Verhandlungen agierte, ist dies lediglich ein Beweis für das Versagen Europas, seine eigenen Interessen zu wahren.
Frieden war damals in europäischem Interesse. Es gab noch keine massiven Sanktionen, die die russisch-europäischen Beziehungen untergruben, während alle Seiten von einem stabilen diplomatischen Dialog viel profitieren konnten. Wenn Kiew dazu ermutigt worden ist, die Minsker Vereinbarungen zu missachten und zu versuchen, den Donbass mit Gewalt "zurückzuerobern", dann könnte der Agent, der dieses Chaos schürte, außerhalb des europäischen Kontinents zu finden sein.
Somit denken wir über die Rolle Washingtons nach. Als Führungsnation der NATO und unter Beibehaltung einer missbräuchlichen und halbkolonialen Beziehung zur Europäischen Union, sind die USA direkt für das Scheitern der Minsker Vereinbarungen und die Verschärfung der Ukraine-Krise verantwortlich. Ein Krieg mit Russland war schon immer Teil der US-amerikanischen und nicht der europäischen Pläne. Und eine vom Hass der Neonazis gegen das russische Volk fanatisierte Ukraine diente diesen Plänen perfekt. Da die USA nicht in der Lage waren, sich auf einen direkten Konflikt einzulassen, nutzten sie die Ukraine als Stellvertreter, um einen Krieg gegen Russland zu führen – ohne auch nur zu fragen, was die Meinung der Europäer dazu sein könnte.
So sehr die Minsker Vereinbarungen tatsächlich wie eine Art "vorübergehender Pakt" erscheinen, um den Krieg führenden Seiten "Zeit zu geben", ist die Meinung von Insidern von entscheidender Bedeutung, um die wahre Natur der Protokolle zu klären. Nach Meinung von Deinego war der Wunsch nach Frieden aufseiten der Russen und Europäer real. Merkel hat vielleicht etwas anderes behauptet, um das wahre Ausmaß der deutschen und europäischen diplomatischen Schwäche nicht offenzulegen.
Die eigentlichen Schuldigen des Krieges sind die Neonazis in Kiew und ihre Sponsoren in Washington. Genau wie Russland ist Europa nur ein Opfer der Kriegspläne der NATO – aber im Gegensatz zu Russland hat die Europäische Union die amerikanischen Ränkespiele einfach passiv hingenommen und sogar beschlossen, diese zu unterstützen.
Ersterscheinung in englischer Sprache bei Strategic Culture Foundation.
Lucas Leiroz ist Journalist, Forscher am Zentrum für Geostrategische Studien und geopolitischer Berater.
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