Von Wiktorija Nikiforowa
Hoffte Selenskij etwa, dass seine "Redekunst" US-Kongressabgeordnete und -Senatoren, die sich in der Geldfrage versteift hatten, umstimmen würde? Wohl kaum. Man hatte dem Kiewer Regime bereits mehrmals deutlich gemacht, dass es gescheitert sei, dass es daran selbst schuld sei und dass man ihm kein weiteres Geld geben werde – zumindest, solange Selenskij selbst an der Macht bleibt.
Über drei Monate zog sich nun die Bewilligung von Bidens Hilfspaket an die Ukraine hin, es wurde eine Ausrede nach der anderen gefunden. Der parteiübergreifende Konsens, der zu Beginn der russischen Militäroperation so bejubelt wurde, zerbrach endgültig: denn die US-Präsidentschaftswahlen stehen bevor, von welchem Konsens kann da noch die Rede sein? Da kann sich Selenskij ereifern so viel er will, doch daran kann er nichts ändern. Übrigens hatte er das auch selbst schon begriffen, als er sich vor einer Woche bereits weigerte, über eine Videoschaltung vor den US-Senatoren aufzutreten.
Und wozu brauchte Biden also diesen Besuch? Um seinen politischen Zögling der Welt zu zeigen und für ihn weiter um Geld zu betteln? Offensichtlich würde das nicht klappen, denn alle sind seines Zöglings überdrüssig.
Es scheint, dass das Treffen der beiden Staatschefs viel tiefere, persönlichere, man könnte sogar sagen intimere Motive hatte. Denn in Washington, D.C. denken tatsächlich viele darüber nach, Selenskij durch eine besser steuerbare Figur zu ersetzen. Auch in London denkt man übrigens darüber nach und wirbt regelmäßig für Saluschny.
Über Selenskij hängt wie ein Damoklesschwert das Thema der Wahlen in der Ukraine – er ahnt, dass diese "Volkswillensbekundung" für seine Herren zu einem Vorwand wäre, ihn loszuwerden. Es ist unschwer zu erraten, wie gefährlich für ihn ein Verlust der Macht wäre.
Doch in der gleichen Lage befindet sich auch Joe Biden. Auch ihm stehen Wahlen bevor, wobei auch er selbst äußerst unpopulär ist. Mehr noch, ihm droht ein Amtsenthebungsverfahren und eine anschließende Strafverfolgung wegen solch gravierender Vorwürfe wie Hochverrat. Die Gefahr droht nicht nur ihm selbst, sondern auch seinem Bruder Jim und hauptsächlich seinem Sohn Hunter Biden.
Bezeichnenderweise verfügt ausgerechnet Wladimir Selenskij über all die Informationen, die Biden stürzen könnten: Millionenschwere Bestechungsgelder in der Ukraine, Hunters Gehalt in der Firma "Burisma", die von Biden veranlasste Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Nikolajewitsch Schokin – all das sind Verbrechen, die die Republikaner dem amtierenden US-Präsidenten vorwerfen.
Im Sommer machte Hunter Bidens ehemaliger Komplize Devon Archer seine Aussagen in dieser Angelegenheit vor dem US-Kongress. Er schwor unter Eid, dass Joe Biden, damals noch Vizepräsident der USA, von den Machenschaften seines Sohns wusste, an seinen Verhandlungen über Schmiergelder über Fernverbindung teilnahm und eigene Anteile davon erhielt.
In dieser Angelegenheit fanden die Republikaner sogar eine Zeugin, die ehemalige Chefbuchhalterin von "Burisma". Doch unglücklicherweise starb diese Frau im Sommer, kurz bevor Archer seine Aussagen tätigte. Im Übrigen starb auch Nikolai Lissin, der Mann dieser Dame war nämlich Miteigentümer von "Burisma", vor Jahren bei einem mysteriösen Verkehrsunfall.
Wie wir sehen, ist "jemand" sehr daran interessiert, dass der Biden-Clan an der Macht bleibt. Und über alle relevanten Informationen hierzu verfügt der jetzige Machthaber der Ukraine.
Lange Zeit hatten liberale US-Journalisten dieses unbequeme Thema nach Kräften unter den Teppich gekehrt. Doch nach dem offiziellen Auftritt von Archer konnte man nicht länger schweigen. Ob denn der US-Präsident nicht eine Marionette von Kiew sei, fragte sich öffentlich die Zeitschrift Newsweek, obwohl die in enger Verbindung mit US-Geheimdiensten steht.
Sollte dem tatsächlich so sein, so erscheint Selenskijs Reise als eine überaus logische Aktivität. Der Kiewer Führer könnte den US-Präsidenten mit dem vorhandenen Belastungsmaterial erpressen und fordern, dass er selbst auf seinem Posten in Kiew bleibt und Geld bekommt. Ist das riskant? Ja, natürlich. Doch gute Entscheidungsoptionen hat Selenskij sowieso nicht mehr.
Biden seinerseits könnte versuchen, sich von dem Erpresser loszukaufen – ob mit Geld, Waffen oder mit Versprechungen. Auch für ihn wäre es ungünstig, wenn seine politischen Gegner jetzt Selenskij durch ihren Mann ersetzen würden. Denn der neue Machthaber in Kiew könnte als Zahlung für seinen Posten durchaus jenes den US-Präsidenten belastende Material veröffentlichen.
Kein Wunder, dass Biden sich bei seiner Agitation für die Hilfe zugunsten Kiews so hysterisch aufführt: Mal droht er mit einem Atomkrieg, mal versucht er, Kongressabgeordnete mit einem "Überfall Putins" zu erschrecken. Urteilen wir nicht zu streng über den alten Mann, denn zu viel steht für ihn selbst auf dem Spiel – sowohl die eigene Freiheit als auch die Freiheit des geliebten Söhnchens.
Es scheint, dass Selenskijs Auftritte vor den Abgeordneten des US-Kongresses bloß ein offenkundig zweckloses und nutzloses Beiwerk zu seinem Besuch sind. Das wirkliche Ziel seines Besuchs ist ein ganz persönliches Treffen mit Biden. Schließlich kann man solch delikate Fragen, bei denen Gefängnisstrafen drohen, nicht per Telefon besprechen.
Gegenseitige Erpressung, ausufernde Korruption, Hochverrat, Verrat der nationalen Interessen – man kann sich nur wundern, in welchen Themenfeldern sich Joe Biden und Wladimir Selenskij persönlich näherkamen. Ein US-Präsident, der in die Abhängigkeit von der eigenen Marionette geriet, wäre eine gute Story für eine politische Komödie, würden die beiden nicht ihrer eigenen Gier zuliebe die Ukraine samt deren Bewohnern zugrunde richten.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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