Von Dagmar Henn
Man hätte es im Grunde ahnen können, als der Grüne Frank Bsirske zum Vorsitzenden der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft Verdi wurde. Aber damals war noch nicht ganz so klar, worauf diese gesamte grüne Politik hinausläuft.
Inzwischen liegt das auf dem Tisch. Noch höhere Mieten, noch weniger Wohnungen, ganz viele Extrasteuern mit der Begründung CO₂, und überhaupt das erklärte Ziel, den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung zu senken. Tief zu senken, denn wenn man das alles zusammenrechnet, wird einem schwummrig.
Klar, es hätte nie funktioniert, hätte man sich hingestellt und erklärt, dass einfach alle Busfahrer, Krankenschwestern, Schweißer und Sekretärinnen weniger verdienen müssen, damit die Rendite für die Milliardäre gewahrt bleibt. Dafür braucht man schon einen etwas besseren Vorwand. So etwas wie ein plötzlich gefährdetes Klima, das alle umbringt, wenn man nicht ...
Aber mal ehrlich, mit Luisa Neubauer? Ja, das gab es früher auch gelegentlich, bei vielen K-Gruppen der 1970er, die reichen Erben, die für einige Zeit ein radikales Hobby entdeckten und Kommunisten werden wollten. Aber damals ging das nur, wenn sie dann auch auf ihr Erbe verzichteten. Einer Neubauer hätte doch kein klassenbewusster Arbeiter die Hand gegeben, solange sie noch für ihre paar hundert Millionen ansitzt. So jemand gehört einfach zur anderen Seite.
Das ist nichts Persönliches. Es ist nur eben so, dass es denen, die von Gewinnen leben, desto besser geht, je weniger die, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, auf dem Tisch haben. Das ist nun einmal entweder – oder. Entweder die Löhne steigen oder die Gewinne. Entweder der Schweißer freut sich oder der Couponschneider.
Das war gewissermaßen die Grundlektion, die eine Gewerkschaft vermittelte. Schließlich gibt es Gewerkschaften überhaupt nur, weil sich die geringere wirtschaftliche Macht der abhängig Beschäftigten nur durch einen Zusammenschluss in größerer Zahl ausgleichen lässt. Es geht schlicht um Selbstschutz. Dass daraus im Lauf der Jahrzehnte Konstruktionen entstanden, in denen gerne Kompromisse gesucht werden und so getan wird, als hätte man sich ganz lieb und die gleichen Interessen, ist ein anderes Thema.
Aber Neubauer ist so was von auf der anderen Seite. Die ganze Klimanummer ist auf der anderen Seite. Sie erfüllt überhaupt keinen anderen Zweck, als die Einkommen der Arbeitenden zu verringern; nur, dass in diesem Fall das Geld nicht direkt in die Tasche des Unternehmers fließt, für den die Beschäftigten arbeiten, sondern den Umweg über die Steuerkasse oder den Supermarkt oder die Stromrechnung nimmt. Am Ende ist das Ziel aber das Gleiche: der Geldbeutel, beziehungsweise das Bankkonto, oder eher das Depot von Neubauer und ihresgleichen.
Man sollte sich nämlich nicht täuschen, mit diesen Nummern wird Gewinn gemacht. Immer mit der Masche, mit der auch die Autobahnen inzwischen Gewinn erwirtschaften dürfen. "Investoren", die staatliche Garantien bekommen, sprich, deren "Gewinne" schlichte Zahlungen aus Steuergeldern sind. Dazu kommen dann noch die Spekulationen mit Nahrungsmitteln, Gas, Strom und sonst allem, was irgendwie gehandelt werden kann, außerdem so appetitliche Geschäfte von so freundlichen Firmen wie Rheinmetall.
Was liegt eigentlich so im Depot von Neubauer oder ihren Eltern? Um wie viel hat ihr gegenwärtiges oder künftiges Vermögen zugenommen, während immer mehr Deutsche Probleme haben, das Heizen ihrer Wohnung noch zu bezahlen? Kein Verdi-Mitglied hat einen Vorteil davon, wenn sich andere Mitglieder der von ihr präsentierten "Bewegung" gegen Entgelt auf Straßen kleben. Aber Neubauer hat bestimmt Geld in Windkraftfirmen liegen. Oder eben ihre Eltern.
Sie wollen "gemeinsam für die Belange der Arbeitnehmer im öffentlichen Nahverkehr und für weitere Investitionen kämpfen", erklärte die Gewerkschaft. Und tatsächlich, "die Gewerkschaften erhoffen sich für die anstehenden Tarifverhandlungen Rückendeckung aus der Klimabewegung".
Das ist etwas ganz Neues. Das Bankrotterklärung zu nennen, wäre noch höflich. Die Gewerkschaften? Von der Klimabewegung? Früher war das mal andersherum. Da war eine politische Forderung dann stark, wenn sie die Rückendeckung der Gewerkschaften hatte. Brauchen jetzt tatsächlich Zehntausende Busfahrer Rückendeckung von Klimagören?
"Die Unterstützung durch die Klimabewegung hilft vor allem dem Image seiner Gewerkschaft", soll der Bundesfachgruppenleiter für Busse und Bahnen Andreas Schackert gesagt haben. Irgendetwas hat er da nicht mitbekommen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Busfahrer und Lokführer gut auf die Klimajünger zu sprechen sind.
Und Image? Na ja, wenn man an den Universitäten und Gymnasien punkten will, vielleicht. Aber inzwischen, seit ein gewisser Robert Habeck "für das Klima" die Industrie an die Wand fährt, die Brüsseler Vorgaben sogar noch die Reste der Landwirtschaft ruinieren (die niederländischen Bauern haben ja nicht grundlos protestiert) und überhaupt eigentlich alles immer weniger wird, außer den Renditen, versteht sich, ist das Image der "Klimabewegung" bei der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr wirklich gut. So weit es das je war.
Auch solche Späße wie zwangsvegetarisiertes Kantinenessen kommen nicht gut an. Von den ständigen Verkehrshindernissen ganz zu schweigen. Und eine Gewerkschaft, in der beispielsweise unter anderem die Reinigungskräfte organisiert sind, die sich dann mit den Farbklecksen beschäftigen dürfen, die diese Leute hinterlassen, sollte sich eigentlich nicht mit den Klecksern gemein machen. Schon gar nicht, wenn sie auch noch derart im eigenen Interesse agieren wie Neubauer.
Die "Klimabewegung" werde "auch soziale Belange in den Blick nehmen", erklärte dazu dann die Sprecherin von Fridays for Future Felicitas Heinisch. Genau, wie man es sich vorstellt – eine Neubauer spricht in solchen Situationen nicht selbst, sie hat Wichtigeres zu tun, in Dubai, sie lässt sprechen. Aber die Behauptung ist verlogen. Die "Klimabewegung" hatte immer soziale Belange im Blick. Im Sinne des Kahlschlags, versteht sich. Dass man jetzt ein klein bisschen so tun will, als gingen einem die gewöhnlichen Beschäftigten nicht völlig am Allerwertesten vorbei, das ist die Imagepflege in der ganzen Nummer.
Und dass die Gewerkschaftsvertreter bei der Aussage der Neubauer-Knechtin, "notfalls werden wir das ganze Land lahmlegen", nicht vor Lachen unter dem Tisch lagen, zeigt, wie sehr sie den Blick für die wirklichen Kräfteverhältnisse verloren haben. Die Neubauers können das nämlich nur, weil man sie lässt. Weil eben auf den ganzen Zirkus, den sie abziehen, nicht so reagiert wird, wie reagiert würde, wenn das beispielsweise eine Begleitaktion bei einem Streik wäre. Wirklich lahmlegen kann Verdi zehnmal mehr als die wildgewordenen Kleinbürger unter Führung der Millionenerbin.
Leider ist diese ganze Entwicklung zutiefst traurig. Nicht nur, weil die Gewerkschaftsvertreter jeden Maßstab von Würde verloren haben und längst nicht mehr wissen, auf welche Seite sie gehören und auf welche Neubauer. Nein, es ist noch schlimmer. Die ganze Klimanummer ist der schärfste Angriff auf die soziale Lage der Beschäftigen seit vielen Jahrzehnten, und die Führung von Verdi hat nichts Besseres zu tun, als dabei mitzuspielen. Wenn sich Verdi mit Neubauer verbündet, dann ist das wie ein Bündnis zwischen Kalb und Metzger. Und Verdi ist nicht der Metzger.
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