Von Willy Wimmer
Demokratie ohne freie Presse geht nicht – der Satz muss nicht besonders begründet werden. Seit der Ausrufung der "Berliner Republik" kann man im eigenen Land bewundern, welchen koordinierten Absturz beide hingelegt haben. Dabei hatten noch Millionen Deutsche einige Jahre zuvor Hoffnung damit verbunden, dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten zu können.
Viele, die noch die alte Bundesrepublik bewusst erlebt haben, kennen inzwischen nur noch die Erfahrung, dass die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" wie Sand zwischen den Fingern zerronnen ist. Dem Souverän ist die Souveränität abhandengekommen auf dem Weg zur Herrschaft der Nichtregierungsorganisationen.
Doha und seine Klimatagung mit seinen 70.000 Repräsentanten der neuen Weltordnung machen deutlich, wer das Sagen hat und die Geschicke für uns alle bestimmt. Da muss man sich fragen, wie lange Wahlen noch durchgeführt werden und wie die zurechtgezimmerten Regeln dafür aussehen.
Aufrechte Demokraten könnten in diesen Zeiten nur Trübsal blasen, wenn, ja wenn es CNN, BBC und RT nicht geben würde.
Manch einer kann sich noch an die Leuchtskala alter Radiogeräte erinnern. Auch an die Erklärungen, die dazu nach Deutschlands dunkler Zeit abgegeben wurden. Wo war während des Krieges "London" zu hören? Oder "Beromünster" aus der Schweiz, deren Nachrichten über die tatsächliche Lage Vertrauen in das Land als solches geschaffen haben?
In der tragischen Entwicklung, die Europa gerade nimmt, muss man das an die Adresse von RT sagen, und zwar in einem wichtigen Punkt. RT berichtet über Fakten und Absichten, die in der Luft zerrissen würden, wenn es ginge. Es geht aber nicht. Auch nach diesem Krieg werden wir zusammenleben müssen, jedenfalls dann, wenn Nachbarschaft noch zählt. Dann hat RT jedenfalls Standards gekannt, die in der Wolle gefärbte Anhänger von Presse in dunkler Zeit zu schätzen wissen.
Den Vogel schießen CNN und BBC ab. Die Ereignisse in Nahost nach dem 7. Oktober 2023 machen das deutlich. Das Trio berichtet über das ganze Meinungsspektrum in einer Art und Weise, wie man Pressefreiheit gekannt und für verteidigungswürdig gehalten hat.
Da kommen die unterschiedlichen Stimmen und Bewertungen zu Wort, durchaus vergleichbar mit dem mutigen Sender Al Jazeera, der aus den israelischen Gebieten ebenso wie aus Gaza, der Region und den israelischen Besatzungsgebieten berichtet. Da fällt sogar eine US-Administration auf, die neben der von ihr geschaffenen "regelbasierten Ordnung" noch eine Ahnung von den geltenden Regeln des Völkerrechts zu haben scheint. Jedenfalls so lange, bis ein deutscher Beauftragter "für dit un dat" sie in die gewünschte Ecke stellt.
Willy Wimmer ist Parlamentarischer Staatssekretär a. D. und ehemaliger Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE (1994–2000).
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