Von Pierre Lévy
Der Herbst 2023 war von mehreren nationalen Wahlen geprägt. Vor allem in drei Fällen fürchtete Brüssel deren Ergebnis. In der Slowakei und in den Niederlanden traten diese Befürchtungen sogar über das erwartete Maß hinaus ein. In Polen hingegen atmeten die EU-Führer erleichtert auf... vielleicht etwas unvorsichtig.
Wenn man versucht, verschiedene Wahlen in der EU zu vergleichen, ist größte Vorsicht geboten: Die Mitgliedsstaaten sind nicht die Bundesländer eines einheitlichen Landes und haben sehr unterschiedliche politische Kulturen. Dies ist übrigens der Grund, warum es kein "europäisches Volk" geben kann.
Dennoch lassen sich in den jüngsten Ergebnissen einige Gemeinsamkeiten erkennen. Dazu gehört der Erfolg von Parteien, die eine kritische Haltung gegenüber der europäischen Integration vertreten. Ob die Urheber dieser Wahlversprechen oder -reden aufrichtig sind, ist eine andere Frage. Was hier zählt, ist die Stimmung, die die Wähler ausdrücken wollten, und nicht die Ehrlichkeit der Politiker.
Am 30. September bescherten die slowakischen Bürger der SMER-SD einen klaren Sieg mit 23 Prozent der Stimmen, was einem Sprung von fast 5 Prozentpunkten im Vergleich zu den Wahlen von 2020 entspricht. Die Partei, die vom ehemaligen Premierminister Robert Fico angeführt wird, wurde von der Sozialdemokratischen Partei Europas (der sie jedoch weiterhin angehört) suspendiert, weil sie gerade eine Mehrheit unter Einbeziehung der rechtsnationalen Partei SNS gebildet hat (ein ähnlicher Fall war bereits von 2006 bis 2010 eingetreten). Damit wurde die bisherige "pro-europäische" Koalition aus dem Amt gejagt.
Dass Fico wieder Premierminister wird, verdankt er einem sozial ausgerichteten Wahlkampf, aber auch seinem Vorschlag, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen (ein Versprechen, das er inzwischen abgeschwächt hat). In Brüssel wird er als "pro-russisch" angesehen, ähnlich wie sein Budapester Amtskollege Viktor Orbán, eine Symbolfigur der ungarischen nationalen Rechten. Mit Orbán teilt er auch die Ablehnung von Einwanderung und das Festhalten an "traditionellen Werten" im gesellschaftlichen Bereich.
Am 22. November sorgten die Niederländer für eine große Überraschung, als sie den "Populisten" Geert Wilders mit 23,6 Prozent der Stimmen zum ersten Mal an die Spitze setzten. Seine PVV, ursprünglich eine Splitterpartei der Liberalen, hat sich schon immer durch eine anti-islamische Rhetorik hervorgetan. Aber auch sie führte diesmal einen sozial ausgerichteten Wahlkampf, und plädierte dafür, gegenüber der EU "die Kontrolle zurückzugewinnen" (der Ausdruck war von den britischen Brexit-Befürwortern erfunden worden); sein Programm sieht sogar ein Referendum über den Austritt aus der EU vor ("Nexit").
In einem Land, das bei zwei Volksbefragungen zur europäischen Integration (2005 und 2016) das Nein als Sieger hervorgebracht hat, wollen sich auch mehrere andere niederländischen Parteien von der EU distanzieren.
Seinerseits musste sich der sozialdemokratische Parteichef Frans Timmermans mit 15,5 Prozent begnügen und lag damit weit hinter der PVV. Er war von seinem Posten als Erster Vizepräsident der Kommission zurückgetreten, um sich wieder in der nationalen Politik zu engagieren und gemeinsame Listen mit den Grünen zu bilden, mit dem Ziel, die Niederlande in Richtung einer "pro-europäischen Linken" zu bewegen. Die Wochen und vielleicht Monate der Parlamentsverhandlungen, die gerade begonnen haben, werden zeigen, ob es Timmermans gelingt, eine "große Koalition" zu bilden, die Wilders von der Macht verdrängen kann.
Sollte dies der Fall sein, ist es nicht sicher, ob die niederländischen Bürger dies begrüßen würden: Unter den Themen, die ihre Wahl bestimmt haben, steht die "Krise der Demokratie" an erster Stelle, das heißt, das Gefühl, nicht gehört zu werden...
Zwei weitere Themen teilen die Sieger in den Niederlanden und der Slowakei, die ansonsten sehr unähnliche Länder sind: die Verurteilung der Einwanderung; und die Einstellung der Militärhilfe für Kiew. Man könnte auch eine weitere Gemeinsamkeit hinzufügen: die Ablehnung der Klima-Schwarzmalerei. Gegenüber Timmermans, dem ehemaligen Orchestermann des EU-"Green Deal", gewinnen der Erfolg von Wilders und das Ergebnis der neuen ländlichen Partei noch mehr an Bedeutung.
Die Wahlen in Polen am 15. Oktober wurden von Brüssel und der europäischen Mainstream-Presse begrüßt. Donald Tusk, der ehemalige Präsident des Europäischen Rates (2014 – 2019), ist nun in der Lage, den scheidenden Premierminister der rechtskonservativen und nationalen PiS-Partei aus dem Amt zu drängen. Letztere ist jedoch mit 35,4 Prozent der Stimmen (-8,2 Punkte) stärkste Kraft geblieben.
Tusk, der selbst einmal Premierminister (2007 – 2014) war und 2021 die Führung seiner Partei PO (rechtsliberal-konservative Partei) wieder übernommen hatte, bildete jedoch eine Wahlkoalition mit der Bauernpartei (Zentrum) einerseits und einem von den Sozialdemokraten dominierten Bündnis andererseits. Die PO vereinte 30,7 Prozent der Stimmen auf sich, weniger als die PiS, verfügt aber mit ihren beiden Verbündeten über eine absolute Mehrheit der Abgeordneten. Auch wenn der Vergleich nicht perfekt ist, ist es in etwa so, als hätte eine Koalition von der CDU über die FDP bis hin zur SPD die Mehrheit gegen die AfD gewonnen – ein Sieg, der daher relativiert werden muss.
Unter der PiS-Regierung war Polen neben Ungarn das "Enfant terrible" der Europäischen Union. Donald Tusk mit seinem europäischen Lebenslauf wird daher in Brüssel als der Mann erwartet, der Warschau wieder auf den "richtigen europäischen Weg" bringen wird.
In der Tat ist das nicht so einfach. In der Migrationspolitik steht Tusk dem scheidenden Regierungschef oder Budapest eindeutig näher als Brüssel. Er argumentiert, dass das Land seit 2022 bereits mehr als 1,5 Millionen Ukrainer aufgenommen hat, und wird sich wahrscheinlich gegen jede von der Kommission auferlegte "Solidarität" wehren.
Was Klimafragen betrifft, so wird Polen auch nach einem Regierungswechsel ein "schlechter Schüler" unter den EU-27 bleiben. Das Land ist nämlich massiv von Kohle abhängig, sowohl für die Haushalte als auch für die Industrie, mit einem Bergbausektor, von dem zahlreiche Arbeitsplätze und regionale Wirtschaften abhängen.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die polnischen Grünen sich nicht stark genug fühlten, um unter ihren eigenen Farben anzutreten: Sie reihten sich unter die Fittiche von Donald Tusk ein.
Das Fehlen oder die Niederlage der Grünen ist eine Konstante bei allen Wahlen, die in letzter Zeit stattgefunden haben. Wie in Polen waren die niederländischen Grünen nicht gesondert vertreten. In der Slowakei gibt es sie schlichtweg nicht.
Die luxemburgischen Wähler, die in diesem Herbst (am 8. Oktober) auch ihre Abgeordneten erneuerten, versetzten den Grünen einen Dämpfer, indem sie ihnen nur 8,5 Prozent gaben, was einer Halbierung des Ergebnisses im Vergleich zur letzten Wahl entspricht.
Dieser Trend ist zweifellos mit dem Absturz ihrer Genossen bei zwei deutschen Landtagswahlen zu vergleichen, die am selben Tag stattfanden: In Bayern verloren sie 3,2 Prozentpunkte, in Hessen 5 Prozentpunkte (Wer sich für Umfragen interessiert, wird feststellen, dass eine kürzlich durchgeführte Studie auf kontinentaler Ebene diese Entwicklung bestätigt).
Dies ist ein riesiges Problem für Brüssel, das seine Umweltmaßnahmen zu seiner fast fanatischen Priorität gemacht hat. Aber es ist nicht das einzige. Denn in ihrer Unterschiedlichkeit je nach Land haben die Gruppierungen, die sich (mit mehr oder weniger Aufrichtigkeit...) als Kritiker der europäischen Integration bezeichnen, Stimmen gewonnen, indem sie die sensibelsten und explosivsten Dossiers zwischen den 27 in den Vordergrund stellten: Neben dem Klima und der Migration sind dies die Beziehungen zu Russland, die Erweiterung der EU (insbesondere um die Ukraine, was Wilders bekämpft) sowie die von Brüssel vorgeschlagene Erhöhung des Gemeinschaftshaushalts.
Die drei letztgenannten Themen stehen auf der Tagesordnung des für den 14. und 15. Dezember geplanten EU-Gipfels. Weder Wilders noch Tusk werden daran teilnehmen – es wird noch zu früh sein. Doch der Schatten der Wähler von überall her könnte die Teilnehmer verfolgen...
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