Ampelregierung: Dieser Papagei ist tot

Findet man irgendwo ein Eingeständnis, wie tief das Loch ist, in das sich die deutsche Politik gegraben hat? Mitnichten. Ein wenig Spekulation auf einen Koalitionswechsel, ansonsten ist alles gut. So kommt man nicht heraus aus diesem Loch.

Von Dagmar Henn

Erstaunlich. Es knirscht und bebt in allen Teilen der ökonomischen und politischen Maschinerie, und immer noch werden in deutschen Gazetten Lobeshymnen auf die Ampelpolitiker geschrieben, wie gerade erst in der Welt auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Nur, weil das kinderbuchschreibende Anzugmodel auf einem Kongress in Berlin auftauchte, den ausgerechnet Ralf Fücks organisiert hatte, der von der Stiftung Liberale Moderne mit der großen Liebe für ukrainische Nazis.

"Der Philosoph Habeck aber hält es dialektisch und mit Kant."

Keine Chance, der Verehrung zu entrinnen, die da aus der Tastatur des Redaktionsnachwuchses rinnt, garantiert ein eingefleischter Grünen-Wähler wie die meisten seiner Kollegen.

"Fortschritt nach Habeck ist voraussetzungsreich: 'Ohne Hoffnung kein Risiko. Ohne Risiko kein Fortschritt. Und ohne Fortschritt kein Freiheitsgewinn. So einfach' sei das. Habecks Problemanalyse beginnt hier, denn den Deutschen mangele es zurzeit an Hoffnung, dass es gelingen kann mit der großen Transformation. Entsprechend verhalte es sich mit der Riskobereitschaft etc. pp. und herrsche also Transformationsunwillen."

Aha, es ist also inzwischen zumindest angekommen, dass die deutsche Gesellschaft nicht ganz glücklich ist mit dem, was ihr grünerseits so aufgenötigt wird. Den nötigen Wirklichkeitsabgleich kann unser Schreiber aber nicht vollziehen. Und trotz dieses kleinen Zugeständnisses bleibt da ein ganz deutliches Gefühl der Unwirklichkeit.

"Oh ja, der, der norwegische Blaue. Was … was stimmt mit ihm nicht?

Ich sage Ihnen, was mit ihm nicht stimmt, mein Herr. Er ist tot, das stimmt mit ihm nicht!

Nein, er … er ruht sich nur aus."

Im Januar fällt die "Strompreisbremse", die ohnehin nur die Folgen gleich mehrerer politischer Fehlentscheidungen kaschierte (angefangen von der Schaffung von Strom- und Erdgasbörsen über die CO₂-Besteuerung über die Russlandsanktionen bis zur Abschaltung von Kraftwerken), obendrauf kommt noch eine weitere Runde CO₂-Steuer, und wie es aussieht, gibt es dieses Jahr kein Erbarmen von Väterchen Frost. Die deutsche Bevölkerung steht vor einem harten Kontakt mit der Wirklichkeit, und die Regierung, gleich welche, womöglich vor einem harten Kontakt mit der deutschen Bevölkerung. Aber alles ist gut, wenn Habeck den "Philosophen" herauskehrt.

"Schau, Junge, ich erkenne einen toten Papagei, wenn ich einen sehe, und genau jetzt sehe ich einen.

Nein, nein, er ist nicht tot, er, er ruht sich aus! Bemerkenswerter Vogel, der norwegische Blaue, oder? Wundervolles Gefieder!"

So ungefähr nimmt sich das aus, dieses liebevolle Häkelmedaillon für eine der größten ministeriellen Katastrophen der deutschen Geschichte. Diese Koalition ist nicht tot. Habeck ist ein wunderbarer Minister. Wundervolles Gefieder!

Die Grünen, so unser Autor, hätten jüngst auf ihrem Bundesparteitag für eine CO₂-Abscheidung gestimmt. Dabei ist die ganze CO₂-Geschichte nur die Verwirklichung eines jahrhundertealten Traums der Steuerbehörden. In Berlin gibt es alte Gebäude, deren Fenster von einer Zimmerdecke geteilt werden. Die waren entstanden, als die Besteuerung nach der Fensterzahl erfolgt war. Eine Luftsteuer wird seit Jahrhunderten angestrebt, aber erst jetzt wurde sie verwirklicht.

Es mag ja sein, dass Habeck selbst das glaubt, was er so erzählt. Aber ein bisschen Skepsis in Bezug auf die "Transformation" sollte man doch zusammenbekommen, nachdem eigentlich inzwischen klar ist, dass die Rechnung bei der Energieversorgung nicht aufgeht und dass die ganz konkrete Folge des begeisterten Entzugs der Energiesicherheit ein unübersehbares Abwandern von Industrie ist. Nein, dieser Papagei ist nicht tot, weil er nicht tot sein darf.

Nicht, dass es sonst ein berückendes Angebot gäbe. Im Focus fantasiert Ulrich Reitz, es müsste noch einmal so etwas wie die Agenda 2010 unter Gerhard Schröder geben, dann werde alles gut. Und dafür bräuchte es eigentlich jetzt eine Regierung mit der CDU. Was auch nur ein Beleg dafür ist, dass das Verständnis größerer Zusammenhänge nicht allzu verbreitet ist. Denn tatsächlich würden weitere erzwungene Senkungen des Lohnniveaus gar nichts nützen, weil trotzdem noch die billige Energie fehlt, um die Exportmarktposition zu halten, und andererseits ein Umsteuern völlig unmöglich wird, wenn man den Binnenmarkt, der ohnehin im Koma liegt, noch weiter stranguliert. Wirtschaftspolitisch wird da kein Schuh draus, aber man kennt in Deutschland eben nur noch die Richtung, den Armen zu nehmen, um den Reichen zu geben.

"Also, das nenne ich einen toten Papagei.

Oh nein, nein ... Er ist betäubt!

BETÄUBT?!?

Ja! Sie haben ihn betäubt, als er gerade dabei war, aufzuwachen. Norwegische Blaue sind leicht zu betäuben."

Der Wohlstand habe enorm zugenommen, aber viele Verlierer produziert, hat Habeck laut Welt gesagt. Die internationalen Statistiken sind da, was die westlichen Länder angeht, ziemlich eindeutig: Wohlstandszuwächse gingen fast exklusiv an das oberste Zehntel, weit überwiegend sogar nur an das oberste Promille, und zwar in Deutschland ebenso wie in Großbritannien und den Vereinigten Staaten.

Was übrigens Ergebnis der Politik ist und nicht Folge eines Naturgesetzes. Und die ganzen tollen Klimamaßnahmen, die natürlich auch unser Jungredakteur für unabdingbar hält, wirken in exakt die gleiche Richtung – sie verteuern das tägliche Leben für alle Normalverbraucher beträchtlich, werfen aber für diejenigen, die ohnehin schon über zu viel Geld verfügen, nette Renditen ab. Die aus Steuern finanziert werden, die den Normalverbrauchern abgeknöpft werden, denn in Wirklichkeit rechnen sich all diese Dinge nicht.

Das grüne Lieblingsthema Verbote spielt Habeck herunter, und der Welt-Autor sekundiert ihm durch kritiklose Wiedergabe. Man könne doch an den Energiesparlampen sehen, dass Verbote nützlich sein könnten.

Tatsächlich war die Glühbirne erst dann verboten worden, als im Grunde die Energiesparlampen, deren Einsatz durch das Verbot erzwungen worden war, längst veraltet waren. Die Lampenhersteller in Europa hatten schlicht kein Interesse daran, auf die weitaus weniger schädliche LED-Technik umzusteigen, solange sich die Investitionen in die quecksilberhaltigen Energiesparlampen nicht amortisiert hatten. Also wurde zu einem Zeitpunkt, als die breite Markteinführung von LEDs bereits möglich war, durch Zwang noch eine Runde Quecksilber in den europäischen Haushalten verteilt.

Aber selbst wenn die Darstellung von Habeck ein klein wenig kritischer wäre, sie hätte noch lange nicht die Schärfe, die eigentlich der Lage angemessen wäre. Wenn all das, was sich jetzt abzeichnet, auch passiert, wird das ein schlimmer Winter. Die so hochgejubelten 0,6 Prozent Reallohnerhöhungen im Oktober werden schon durch das Ende der Strompreisbremse wieder verschwinden, wodurch dann das dritte Jahr in Folge die realen Löhne zurückgehen; die Bauwirtschaft kollabiert komplett, und das bei einem gewaltigen Wohnungsmangel, und die Ampel hat nichts Besseres im Sinn, als die drei ihr wichtigsten Punkte – Rüstung, Ukraine und "Klimaschutz" – allem anderen vorzuziehen.

Jedes einzelne Blatt müsste bis zum Überlaufen mit dieser Geschichte eines Scheiterns mit Ankündigung gefüllt sein, die Überheblichkeit eines Robert Habeck zum Ziel des Spotts machen, den rückgratlosen Bundeskanzler Olaf Scholz zur Rechenschaft ziehen wollen und überhaupt diese ganze Mischung aus sozialer Verantwortungslosigkeit, Vaterlandsverrat und Moralpredigt so gründlich entsorgen wollen, wie es nur denkbar ist.

"Ähm ... Also, schau, Junge, ich habe jetzt wirklich genug davon. Dieser Papagei ist unverkennbar tot, und als ich ihn gekauft habe, vor nicht einmal einer halben Stunde, haben Sie mir zugesichert, dass sein Mangel an Bewegung daran lag, dass er müde und von langem Gekreische erschöpft ist."

Ja, dieser Papagei ist tot, mausetot. Und wenn man sein Gefieder anders anstreicht und Scholz und Friedrich Merz zusammenspannt statt Scholz und Habeck, wird er dadurch auch nicht lebendig. Weil keiner von ihnen willens und imstande ist, die Politik so weit zu ändern, dass das Land wieder Boden unter die Füße bekommt. Wozu mittlerweile vor allem eines unverzichtbar ist – eine Beendigung der "transatlantischen Freundschaft".

Das ist die grellste Feder im Gefieder des toten Papageis. Und weder Lobeshymnen noch Kulissengeschiebe können an diesem Zustand etwas ändern. Wäre schön, wenn die deutschen Medien so viel Wahrheit noch hinbekämen, den toten Vogel einen toten Vogel zu nennen.

(Dialogzitate aus dem Sketch "Dead Parrot" von Monty Python, eigene Übersetzung)

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