Von Elem Chintsky
Eine neue Ära der von George Soros gegründeten Open Society Foundations ist vor ein paar Tagen angebrochen. Der Sohn des einflussreichen Multimilliardärs George Soros, Alexander Soros, ist in Kiew eingetroffen und beriet sich mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denis Schmyhal. Dabei seien Fragen zur "Energetik und Minenräumung" in der Ukraine die offiziellen Themen gewesen.
Wenn man aber schaut, wie gründlich und progressiv die Open Society Foundations bei der "Modernisierung der Energetik" in Deutschland seit der Sprengung von Nord Stream 2 mitgeholfen hat (und sich von dort nun zurückzog), kann man vermuten, dass womöglich ein paar ganz andere wichtige Gesprächspunkte vertieft wurden:
Zum einen wäre da die für den Westen lebenswichtige LGBT-Doktrin, von der er sein zivilisatorisches Fortbestehen und seine territoriale Ausdehnung abhängig macht. Sich diese in Höchstgeschwindigkeit einzuverleiben, wird für Kiew unvermeidlich – auch wenn nicht mehr dieselben Gelder und PR-Kampagnen fließen. Der Tweet vom britischen MI6-Chef Richard Moore vom Februar 2022 ist da eine gute Zusammenfassung. Zum anderen bedarf es an weiterer systemischer Hilfe bei der Umgestaltung des staatlich bewachten Curriculums vom Kindergarten bis zur Uni-Professur nach deutschem Vorbild, um die kognitive Fähigkeit zu verlieren, die neuen angloamerikanischen Herren in jedweder Domäne infrage stellen zu können. Die ohnehin schon seit Ende 2013 offen in der Ukraine laufende Unterstützung des aktiven Geschichtsrevisionismus und der Religions-, Kultur- und Sprachverbote würden in den nächsten Gang geschaltet werden können. Viele in Russland erinnern sich bis heute an die druckfrischen Soros-Geschichtsbücher, die das Land in den 1990ern überfluteten und auf Russisch von der Grandiosität und Einmaligkeit Amerikas schwärmten.
Des Weiteren würde sicher in "der Ukraine der verheißungsvollen Zukunft" – dank Soros’ kostbaren Input – die staatlich geförderte Euthanasie nach kanadischem oder belgischem Beispiel an Wichtigkeit gewinnen. Die Legalisierung leichterer, dann härterer Drogen, um auch hier dem kanadischen Beispiel folgen zu wollen, ist auch bereits im Begriff der Umsetzung. Die durch synthetische Opioide wie Fentanyl angetriebene Drogen-Epidemie, welche Kanada und die USA seit einigen Jahren bereits plagt, hätte auch das Potenzial, die Ukraine rasch heimzusuchen. Denn das EU-Partnerland Estland hat bereits Pionierarbeit geleistet und zugelassen, dass seine Drogennutzer das klassische Heroin weitestgehend mit Fentanyl abgelöst haben. Dieser steigenden Nachfrage kommen die Händler natürlich laufend nach. Besonders in der Hauptstadt Tallinn ist der Fentanyl-Gebrauch enorm. Estland hat die mit erheblichem Abstand größten Todeszahlen von Fentanyl-Überdosen in der gesamten EU. Fentanyl wird in den USA neben der Freizeitnutzung auch bereits für Hinrichtungen im Rahmen der staatlich angewandten Todesstrafe eingesetzt – das heißt, es gäbe für das Kiewer Regime die spannende und interdisziplinäre Gelegenheit, Bereiche des Freizeitdrogenkonsums mit der – in Kanada immer progressiver eingesetzten – Euthanasie zu kombinieren. Und das, ohne die Todesstrafe offiziell einführen zu müssen. Synthetische Drogen, die mindestens 50- bis 100-mal potenter sind als Heroin und einen kleinen Bruchteil des Kaufpreises ausmachen, machen es möglich. Sofern der neu ausgelegte "demokratisierte" Volkswille der Ukrainer es also zulassen sollte, könnte der junge Alexander Soros helfen, den gesetzgeberischen Willen hierfür unter den gewissenhaften Abgeordneten der Werchowna Rada zu generieren. Eine Impfpflicht und Umerziehungslager für trotzige ideologische Gefährder aller Art während der nächsten Pandemien verstehen sich in der jetzigen politischen Atmosphäre Kiews geradezu von allein. Aber selbst hier könnte die ukrainische Zivilgesellschaft auf "Hilfe" der Open Society Foundations angewiesen sein.
Kurze Revue, warum Soros die BRD verließ
All die im vergangenen Sommer vergossenen Tränen der Amadeu Antonio Stiftung und Konsorten sollten sicherlich an dieser Stelle richtig zugeordnet werden. Sie trauern nämlich um den Wegfall all des überschüssigen Geldes, das ihnen bisher als saftiger Bonus in der Buchhaltung zum Monatsende jahrelang übrig blieb. Sie trauern nicht um die vergeudete Chance, Deutschland oder Westeuropa "zu Ende umerzogen zu haben" – das ist schon längst in Sack und Tüten. Da mittlerweile die gesamte deutsche Bundesregierung – mit ihrem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als geißelndes Medien-Panoptikum – und der gemeinen Zivilgesellschaft zu einer einzigen großen "Amadeu Antonio Stiftung" metastasiert ist, ist das Privatkapital eines Soros in gewissen etablierten Regionen obsolet. Besonders, wenn dieselben Gelder viel effektiver in neuen Regionen angelegt werden könnten. Es ist auch nachvollziehbar, warum Soros seine Privatgelder eher in ideologische Entwicklungsländer legen muss, denn selbst ein Oligarch wie er muss sich auf ein gewisses Entweder-oder einlassen und neue Schwerpunkte setzen. Länder wie die BRD, Spanien und Frankreich sind weltanschaulich schlicht bereits in der Phase der selbstregulierenden Echokammer, in der abweichende Stimmen Andersdenkender auch aus öffentlichen Geldern "liberaldemokratisch" ausgemerzt und entschärft werden können – oder eigenständig im Sumpf der Mehrheitsmeinung untergehen. Ganz ohne private NGOs. Die Amadeu Antonio Stiftung ist nicht einmal eine private NGO, sondern eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestemmte Propaganda-Organisation. Dies bestätigt noch einmal, dass jeglicher durch die Stiftung lamentierter Geldentzug aus dem privaten Sektor, der durch den jüngsten Rückzug Soros’ aus der BRD erfolgte, durch die Bundesregierung über pfiffige Steuerpolitik reibungslos und verzögerungsfrei kompensiert wird.
Außerdem hatte der Sohn von George über Politico Gerüchte, dass seine Organisation Europa verlassen würde, dementiert. Der alte Kontinent sei weiterhin von "großer strategischer Wichtigkeit". "Die Europäische Union ist nach wie vor ein globaler Leuchtturm für die Werte, die unsere Arbeit bestimmen", versicherte der junge Soros. Es handelte sich lediglich um eine strategisch-geografische Prioritätenverschiebung. Richtung Osten.
Soros und Osteuropa
Ja, der alte Soros hatte einen "ersten Einzug" nach Osteuropa, als sich die Sowjetunion zivilisatorisch im freien Fall verstand, Mitte und Ende der 1980er-Jahre sowie die goldenen 1990er entlang. Heute dafür büßende US-Wirtschaftswissenschaftler, wie der aufrichtige Jeffrey Sachs, haben im Dienst von Soros Anfang der 1990er-Jahre in Ländern wie der ehemaligen Volksrepublik Polen und der jungen Russischen Föderation (samt der dort neu entstandenen post-kommunistischen, prowestlichen Verräter-Elite) den Zauber der Schock-Privatisierung öffentlicher Reichtümer des Ostblocks zugunsten westlicher privater Finanzkonglomerate vorangetrieben und betreut. Vor einem Jahr schrieb ich bereits über diese Prozesse – unter anderem anhand des moldawischen Beispiels – und lieferte die Quellen für diese historischen Fakten.
Jedenfalls galt dieser "erste Einzug" hauptsächlich der wirtschaftlichen Transformation, die den Ostblock für die ausschlachtende Sogwirkung des westlichen IMF-Netzwerks kompatibel und empfänglich machen sollte. Auf Basis dieses großen Schrittes würden daraufhin die ideologischen, weltanschaulichen Wechsel angewandt werden – pi mal Daumen hoffte man hierfür auf die Gesamtdauer einer Generation. Mit manchen Ländern klappte das gut, mit anderen eher schleppend. Ein wertekonservatives Land wie Ungarn hat sich – trotz der nicht banalen EU- und NATO-Beitritte – diesem ideologischen Konvertierungszwang bisher verweigern können. Soros und seine "freiheitsfördernden" Einrichtungen wurden ironischerweise aus seinem Ursprungsland verbannt. Auch für Länder wie die polnische Republik gab es von 2015 bis jetzt eine signifikante Pause für die Propagierung des vollen Wertekatalogs des neoliberalen Spekulations-Hohepriesters Soros, da sich die nationalkonservative PiS bei aller Liebe für die US-angeführte westliche Zivilisation dem Katholizismus wegen nicht so weit aus dem Fenster lehnen durfte.
In seiner Klarstellung erklärte Alexander Soros ferner, dass Polen in naher Zukunft eine viel wichtigere Rolle in der Region spielen werde: "Der Aufstieg Polens zu einer führenden Wirtschaftsmacht wird das Land schließlich zu einem Nettozahler in der EU machen." Weiter heißt es bei ihm, dass "die Zukunft einer verantwortlichen, demokratischen Regierung in Europa jetzt nicht nur in Paris und Berlin, sondern auch in Warschau, Kiew und Prag entschieden wird." Da kommt auch der polnische Wahlsieg des Oppositionellen Donald Tusk und seiner links-progressiven sowie liberalkonservativen Partei-Allianz mehr als gelegen. Die Pforten sind in dem Sinne im Begriff, sich weit zu öffnen. Es kann bereits selbstredend angenommen werden, dass in Warschau – in den meisten Fragen – erneut eine grobe Hörigkeit gegenüber Brüssel aufgesetzt wird, sobald die neue Regierung sich geformt hat. Wohingegen die neue linkspopulistische Regierung in der Slowakei, die dem klassischen liberal-progressiven Ansatz im Westen etwas mehr trotzt und sogar ihre Militärhilfe für die Ukraine zurückzieht, sich als seltsameres Pflaster für die übliche zyklische Arbeit der Soros-Einrichtungen entpuppen könnte. Obwohl laut dem Pew Research Center die Slowakei (47 %) sowie die Tschechische Republik (67 %) die beiden Länder sind mit der höchsten Zustimmungsrate für gleichgeschlechtliche Ehen (Stand: 2017 und 2020) in Osteuropa. Es gäbe also durchaus bereits gut gesäten Boden, den die Mitarbeiter von Alexander Soros dort weiter bearbeiten können, um irgendwann das "veraltete, faschistoide" Paradigma der zwei Geschlechter unter den Westslawen vollkommen auszuhebeln.
Die Open Society Foundation von Soros gehört zu den wichtigsten inoffiziellen Rammböcken des westlichen Soft Power-Ansatzes, der eine gegebene Nicht-EU-Region im Vorfeld aufweichen und demoralisieren soll, damit nach den pro forma EU-Assoziierungen die großen Kaliber der EU-Aufnahmeprozesse aufgefahren werden können. Moldawien und besonders die Ukraine scheinen dementsprechend sehr weit fortgeschritten. Bei der Ukraine hat es noch den Aspekt der ungeheuren Dringlichkeit inne, weil der mittlerweile verlorene Krieg die Wahrnehmungen auf beiden Seiten der ideologischen Schlucht hervorbringt, weshalb auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mitunter überzeugt ist, dass die Ukraine in einem prima Zustand sei für einen geradezu sofortigen EU-Beitritt. Solche Positionen hätte man in Anbetracht der (heute noch viel mehr als damals) tragisch fehlenden Beitrittsvoraussetzungen des ukrainischen Staates noch vor zwei Jahren für unglaubwürdig, realitätsfern und absurd erachtet. Zumindest wissen jetzt einige Leute mehr, dass es sich bei der Politik Brüssels um die Erschließung von Territorium nach Osten handelt – nicht um eine "solidarische Aufnahme der Ukraine in den Wertewesten". Mit ideologischer und finanzieller Nachhilfe von Soros vor Ort.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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