Von Rainer Rupp
"Es sind MENSCHEN, die ein Existenzrecht und Recht auf ein Leben in Würde und Freiheit haben. Staaten, welche dieses Recht systematisch und grausam mit Füßen treten, haben jedes Existenzrecht verwirkt, auch wenn sie sich ein fassadendemokratisches Mäntelchen umhängen." (Oliver Ginsberg)
In etwas mehr als einem Monat ist die Zahl der bekannten Todesopfer durch Israels Angriff auf Gaza mit Stand vom 10. November auf über 11.000 gestiegen, darunter mehr als 4.500 Kinder. Zugleich hat ein hochrangiger US-Regierungsbeamter eingeräumt, dass diese Schätzung der Todesopfer in Gaza zu niedrig sein könnte. Derweil wird Gaza der Washington Post zufolge unter dem unerbittlichen israelischen Bombardement "zu einer Giftmüllgrube aus Waffenrückständen und Schutt". Das haben die deutschen Grünen geflissentlich ausgeblendet. Da geht's ja nur um Umweltschutz, wohingegen der Klimaschutz viel wichtiger ist, denn da werden Karrieren und viel Geld gemacht.
Etwa ein Drittel der Gebäude in Gaza wurde beschädigt oder zerstört. Fast die Hälfte der Krankenhäuser des eingepferchten Gazastreifens ist nicht mehr oder nur noch teilweise in Betrieb, darunter die wichtigsten wie al-Shifa, das Indonesische Hospital, al-Awda, al-Rantisi und al-Nasr. Das humanitäre Büro der Vereinten Nationen sagt, dass es nicht mehr in der Lage sei, Hunderttausende Menschen im Norden des Gazastreifens zu versorgen, denn der sei zu einer "Hölle auf Erden" geworden.
Anstatt zu versuchen, auf Israel einzuwirken und die Angriffe auf Gaza zu stoppen und über Verhandlungen die Freilassung der dort festgehaltenen israelischen Gefangenen zu erreichen, macht die Biden-Regierung mit überstürzten Lieferungen von Nachschub und neuen Waffen mehr als deutlich, dass ihre Unterstützung für den Apartheid-Staat bedingungslos ist.
Als Anfang dieser Woche die offizielle Zahl der Todesopfer in Gaza die Marke von 10.000 überschritten hatte, wurde der Sprecher des Weißen Hauses, Admiral John Kirby, gefragt, ob die USA den Israelis immer noch "keine roten Linien" signalisiert hätten, wie viele tote palästinensische Zivilisten man hinnehmen werde. Kirby machte in seiner Antwort klar, dass es für Israel keine rote Linie gebe.
Israelischer Schwanz, amerikanischer Hund
Am Donnerstag, dem 9. November, teilte Präsident Biden Reportern mit, dass es "keine Möglichkeit" für einen Waffenstillstand gebe. Stattdessen behauptete das Weiße Haus, eine israelische Zusage für vierstündige tägliche Waffenruhen ausgehandelt zu haben, die im Voraus angekündigt würden. Israels Regierung wies auch diese symbolische Geste sofort zurück und erteilte ihrem niederrangigen Regierungssprecher Eylon Levy die Aufgabe, dem US-Präsidenten zu widersprechen. Levy sagte: "Ich werde mich nicht auf die genaue Länge der Pausen festlegen lassen." Deutlicher kann der israelische Schwanz nicht mit dem amerikanischen Hund wedeln.
Derweil werden in Washington eifrig Nachrichten verbreitet, wie sehr man bemüht ist, die israelische Kriegsmaschine gegen Gaza auf vollen Touren weiterlaufen zu lassen. Laut der hochrangigen Pentagon-Beamtin Dana Stroul arbeiten die USA "rund um die Uhr" daran, ihre Waffen nach Israel zu schicken, wobei die Lieferungen per Luftfracht "fast täglich stattfinden".
Unter Berufung auf hohe Beamte und Berater des Weißen Hauses berichtet die Washington Post auf ziemlich verklausulierte Weise, dass die "Hebel" der USA in Bezug auf Israel, nämlich die "Militärhilfe an Bedingungen zu knüpfen … unannehmbar" seien. Die Zeitung führt weiter aus, dass die Auferlegung solcher Einschränkungen der Israelis zweifellos palästinensische Leben retten würde. Aber das sei für das Kabinett Biden nur von untergeordneter Bedeutung. Das Weiße Haus befürchtet, dass Bedingungen für die US-Unterstützung für Israel "in jeder Regierung politisch unpopulär" wären. Darüber hinaus sagten Berater, "dass Biden selbst eine persönliche Bindung zu Israel" habe.
Im Klartext: Mit "politisch unpopulär" meinen diese Biden-Mitarbeiter im Weißen Haus nicht die US-Bevölkerung, denn die öffentliche Meinung unterstützt einen Waffenstillstand über Parteigrenzen hinweg. Die ablehnende Haltung von Präsident Biden könnte ihn sogar die Wiederwahl im Swing State Michigan kosten, in dem eine große arabisch-amerikanische Bevölkerung lebt.
Nur bei einzelnen Wählergruppen mit viel Geld für Politiker beider US-Parteien wäre es "politisch unpopulär", die Unterstützung der USA für Israel an Bedingungen zu knüpfen. Die Wählergruppen, auf die es ankommt, sind die Kriegsgewinnler der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie, die mächtige proisraelische Lobby und das überparteiliche außenpolitische Establishment des Tiefen Staates, das Israel seit seiner Besetzung arabischer Gebiete im Juni 1967 für die militärische US-Machtprojektion in den Nahen und Mittleren Osten benutzt hat. Als lebenslanger Berufspolitiker innerhalb dieses menschenverachtenden Machtdreiecks hat Biden seine sogenannte "persönliche Bindung an Israel" von jeder menschlichen Regung gegenüber den Palästinensern abgekoppelt.
Biden und seiner Regierung ist daher das Schicksal der Zivilbevölkerung in Gaza vollkommen egal; in Washington wird nur noch versucht, Besorgnis vorzutäuschen, und das nicht einmal besonders gut. Während seiner jüngsten Reise nach Israel übermittelte Bidens Außenminister und Chefkriegstreiber Antony Blinken eine Botschaft, die laut dem Nachrichtenportal Axios von US-amerikanischen und israelischen Beamten wie folgt beschrieben wurde: "Wir wollen euch Israelis nicht aufhalten, aber helft uns, damit wir euch helfen können, mehr Zeit (zur Vernichtung Gazas) zu gewinnen." Hier versucht Blinken offensichtlich dem Rat des demokratischen US-Senators Chris Murphy zu folgen, der sich selbst als scheinheiliger Kritiker der israelischen Bombardements positioniert hat.
Murphy hat dem Weißen Haus geraten: "Sie müssen ihre Besorgnis über die zivilen Kosten in Gaza noch lauter öffentlich zum Ausdruck bringen, auch wenn Sie Israels Fähigkeit unterstützen, den Krieg fortzusetzen."
In der offenbaren Umsetzung von Murphys sagte Blinken jetzt bei jeder Gelegenheit gegenüber den Medien, dass er in Bezug auf Israel "konkrete Schritte" unternommen habe, um die Zahl der zivilen Opfer zu reduzieren. Aber selbst die New York Times, eine stramme Unterstützerin der Demokraten und der Biden-Regierung, hat moniert, dass der Minister nicht spezifiziert habe, was diese "konkreten Schritte" beinhalten. Und der Sprecher des Ministers, Matthew Miller, lehnte es ab, sie zu kommentieren. Über "anonyme Regierungsbeamte" wurde dann den Medien zugesteckt, dass sich die "Schritte" darauf konzentrieren, Israel davon zu überzeugen, "kleinere Bomben" einzusetzen (das ist keine Satire, sondern zynische Realität). Zu diesem "Schritt" gehört auch ein kürzlich angekündigter Transfer vom Pentagon von sogenannten "Präzisionsbomben" in Höhe von 320 Millionen Dollar.
In den ersten zwei Wochen des Krieges, so berichtet die Times, "waren etwa 90 Prozent der Munition, die Israel in Gaza abwarf, satellitengesteuerte, 500 bis 1.000 Kilogramm schwere Bomben", von denen auch einige während des jüngsten Angriffs auf das Flüchtlingslager Dschabaliya eingesetzt wurden. Nach Angaben von Beratern habe sich Biden "verblüfft über Netanjahus mangelnde Bereitschaft gezeigt, sich in dieser Frage zu beugen und die superschweren Bomben nicht mehr "auf dicht besiedelte städtische Gebiete" abzuwerfen.
Was das Weiße Haus auch mit weit geöffneten Augen nicht sehen will, das haben Mitarbeiter der vor Ort in Gaza arbeitenden Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" längst verstanden. In einem Video vom 6. November 2023 beschuldigte ein Arzt die israelischen Verbrecher gegen die Menschlichkeit in Gaza, "gezielt so viele Menschen wie möglich zu töten". Wichtig ist bei der israelischen Gaza-Operation das Muster zu erkennen, dass nämlich die getöteten und verstümmelten Menschen in Gaza keine "Kollateralschäden" militärischer Handlungen sind, wie die Zionisten und der Westen behaupten, sondern dass die Menschen in Gaza das eigentliche Ziel der israelischen Bombardements sind.
Denn was in Gaza geschieht, erinnert stark an das Muster des Ablaufs der "Nakba" von 1948, der ersten großen Vertreibung der Palästinenser, die bei rechtsradikalen Zionisten immer noch als Blaupause für die Behandlung der Palästinenser gilt. Damals haben zionistische Killer die Einwohner etlicher palästinensischer Dörfer – Männer, Frauen und Kinder – grausam ermordet. Das erzeugte Furcht und Schrecken in ganz Palästina und brachte den gewünschten Effekt: 700.000 Menschen flohen aus ihren Dörfern, ganze Landstriche wurden menschenleer und die nachrückenden Juden konnten konfliktlos in die Häuser einziehen und die Felder und Gärten in Besitz nehmen. Daher stammt die zionistische Mär, dass "die Juden, ein Volk ohne Land, in Palästina ein Land ohne Volk in Besitz genommen haben".
Wenn jetzt Biden scheinheilig behauptet, von Netanjahus Weigerung überrascht gewesen zu sein, der nicht aufhört, mit schweren US-Bomben ganze Generationen palästinensischer Familien in überfüllten Flüchtlingslagern auszulöschen, leisten die USA mit ihrer fortlaufenden militärischen Unterstützung aktive Beihilfe zu diesem zionistischen Massenmord, der als Initialzündung für eine weitere Massenvertreibung dienen soll. Das alles, während Biden "hofft", dass Israel aufhört, mit schweren US-Bomben palästinensische Zivilisten abzuschlachten und stattdessen humanere kleine US-Bomben benutzt.
Krokodilstränen
Während Biden nun behauptet, von Israels Gemetzel in Gaza überrascht und sogar "zutiefst beunruhigt" zu sein, hatte sein Team tatsächlich dem Massaker vorauseilend zugestimmt. In einem Gespräch mit der New York Times räumten US-Regierungsbeamte nämlich ein, dass "Israels schnelle Entscheidung, Bodenoperationen in der dicht besiedelten Enklave zu starten", vom Weißen Haus empfohlen und befürwortet worden war, was so "eine hohe Zahl ziviler Todesopfer so gut wie garantierte".
Im Gegensatz zu ihren Waffenlieferungen an die Ukraine hat die US-Regierung die Mengen an Waffen, die sie nach Israel schickt, nicht veröffentlicht. Sie versucht unterdessen, "die Meldepflichten an den Kongress zu umgehen, die für jedes andere Land gelten, das Militärhilfe erhält", berichtet die Washington Post.
Angesichts des Ausmaßes der israelischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza scheinen selbst Bidens eigene Untergebene zunehmend Probleme zu haben, das Gemetzel zu leugnen. Barbara Leaf, stellvertretende US-Außenministerin für Nahost-Angelegenheiten, sagte allerdings vergangene Woche vor dem Kongress-Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, dass die offiziellen aus Gaza gemeldeten Zahlen der Opfer wahrscheinlich zu niedrig bemessen sind. "Wir denken, dass sie zwar sehr hoch sind, aber ehrlich gesagt könnte es sein, dass sie sogar noch höher sind, als gemeldet wird." Präsident Biden aber bleibt bei seiner Linie, die gemeldeten Opferzahlen als unglaubwürdig hinzustellen, weil man den Palästinensern ja eh nicht trauen kann: "Ich habe keine Ahnung, ob die Palästinenser die Wahrheit sagen, wie viele Menschen getötet wurden", sagte Biden am 25. Oktober. "Ich habe kein Vertrauen in die Zahlen, die die Palästinenser nennen."
Offensichtlich fühlt sich Biden trotz seiner Mittäterschaft am Massenmord vieler Tausender Kinder, Mütter und Väter in Gaza sehr wohl in seiner Haut und arbeitet an seinem Selbstbildnis als großer amerikanischer Held. Laut der Washington Post berichten Berater des US-Präsidenten, dass er "glaubt, dass sein Name in die Geschichte eingehen wird, weil er die Demokratie gegen die Kräfte des Chaos, des Terrors und der Diktatur verteidigt hat".
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