Bürokratie und Glasfaserausbau: Deutschland auf dem digitalen Schotterweg

Gerade wurde im Bundestag ausgiebig über den Abbau von Bürokratie diskutiert. Doch die Geister, die man rief, haben sich längst zu einem Monster entwickelt, das die Wirtschaft lähmt und den Bürger in den Wahnsinn treibt. Zusätzlich stellt das Problem der digitalen Wüste in Deutschland weiterhin ein Problem dar.

Von Tom J. Wellbrock

Als ob es nicht schon genug selbst verschuldete Probleme gäbe, "bürokratisiert" sich Deutschland auch noch zu Tode. Der Weg in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit wird konsequent weiter beschritten, während der inkompetente Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) nicht mehr Kinderbuchautor genannt werden will.

Wie soll man Habeck nennen, wenn nicht Kinderbuchautor? "Wirtschaftsexperte" passt definitiv nicht. Die Bezeichnung "Wirtschaftsminister" ist zwar gewissermaßen geschützt, verfehlt aber ebenso die Beschreibung der Kompetenz Habecks. "Totengräber" kommt der Sache näher, aber auf der anderen Seite wurde der wirtschaftliche Schotterweg schon vor Jahrzehnten vorbereitet. Habeck verschlimmbessert nur, was ohnehin schon schlimm war.

Wächst und gedeiht: das Bürokratiemonster

Die Ampelregierung ist nach der letzten Bundestagswahl angetreten, Deutschland moderner zu machen. Je nach Betrachtungsweise kann man dem zustimmen, wenn man eine in ungeahnte Höhen steigende Bürokratie modern nennt. Denn genau damit haben wir es zu tun. Das bemängeln Politiker, Unternehmer und Wirtschaftsverbände. Aber auch Privatpersonen spüren die Bürokratie jeden Tag aufs Neue, gepaart mit einer desaströsen digitalen Infrastruktur.

Laut einem Bericht des „Nationalen Normenkontrollrates“ sind die Unternehmenskosten für Bürokratie erheblich gestiegen. Für das, was man gemeinhin als „Papierkram“ bezeichnet, mussten deutsche Unternehmen im Jahr 2022 17,4 Milliarden Euro berappen. 2021 waren es noch sieben Milliarden Euro weniger. Gegenüber 2020 vervierfachten sich die Kosten sogar.

In nahezu allen Branchen bremst die Bürokratie nicht nur Effizienz und die eigentlichen Aufgaben aus, Tendenz: steigend. Allein Alten- und Krankenpfleger geben mehrheitlich an, bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit mit dem Dokumentieren zubringen zu müssen. In Krankenhäusern und Apotheken sieht es nicht besser aus.

Der Laie staunt und fragt sich, wie es sein kann, dass die Bürokratie immer verheerendere Ausmaße einnimmt. Insbesondere, weil selbst die Behörden diesem Aufwand nicht mehr gerecht werden können, was einerseits dem Personalmangel, andererseits aber auch den fehlenden oder veralteten digitalen Instrumenten zugeschrieben werden muss. Wer die Debatte im Bundestag zum Bürokratieabbau verfolgt hat, konnte eine Mischung aus lauter Kritik von der Opposition und infantiler Selbstbeweihräucherung der Regierungsparteien beobachten.

Jene Selbstbeweihräucherung kann womöglich mit einer Art Narzissmus erklärt werden, der sich die Welt gestaltet, wie sie ihm gefällt. Die geplanten 2,3 Milliarden Euro für den Abbau von Bürokratie wirken nicht nur monetär übersichtlich, sie scheinen darüber hinaus ziemlich wahllos ausgegeben zu werden. Dennoch ist der Bundesjustizminister Marko Buschmann (FDP) sicher:

"In den Betrieben wird schneller künftig Papier auch mal weggeworfen werden können."

Papierlos? Das gelingt am besten mit einer funktionierenden digitalen Infrastruktur. Womit wir von einem Trauerspiel zum nächsten springen.

Die Zeit rennt

Das Versprechen war deutlich: Jeder Haushalt in Deutschland soll mit mindestens 50 Mbit an das Internet angeschlossen sein. Es stammt aus dem Jahr 2013 und sollte bis 2018 umgesetzt werden. Aber Papier und Papierlosigkeit sind geduldig. Und so liegt etwa die Abdeckung mit Glasfaser (der schnellsten Lösung fürs Netz) in Deutschland bei 19 Prozent der Haushalte, im EU-Durchschnitt beträgt sie 56 Prozent. Und nun gerät die ganze Glasfaserbranche auch noch ins Wanken. Denn Wettbewerb mag das Geschäft beleben, man sollte ihn aber nicht kontraproduktiv gebrauchen.

Da wären zwei Probleme: Erstens bereiten den Anbietern für Glasfaser die gestiegenen Zinsen und die Inflation Sorge. Viele Projekte können also nicht mehr finanziert werden. Zweitens fehlt es an Firmen, die die Bauarbeiten durchführen können. Bagger und Bautrupps haben sich zu scheuen Rehen entwickelt, die man einfach nicht mehr auffindet.

Übermäßiger Überbau

Und dann sind da noch die sogenannten Überbauaktivitäten. Davon spricht man, wenn mehrere Firmen am Glasfaserausbau arbeiten. Sprich: Ein Anbieter legt Glasfaser, ein anderer wiederholt die Arbeit und legt seine eigenen Leitungen darüber. Damit kommt es zu einer unkoordinierten Wettbewerbssituation, die den Ausbau ins Stocken bringt.

Der erste Anbieter kommt häufig in Kalkulationsschwierigkeiten, wenn der zweite sich an das erneute Aufreißen der Straße macht, um sein Werk zu verrichten. Das hat zwei Effekte. Zum einen geht die Mischkalkulation des ersten Unternehmens nicht mehr auf, zum anderen greift sich der andere Anbieter – meist die Telekom – die bereits zuvor verlegten Rosinen heraus. Bei netzpolitik.org lesen wir:

"Rund 15 Prozent der Meldenden gab an, dass das von einem doppelten Ausbauvorhaben betroffene Glasfasernetz mit Fördermitteln errichtet werde beziehungsweise worden sei. Das überbauende Unternehmen ist also erst dann tätig geworden, als beispielsweise klar wurde, dass ihm Marktanteile wegzubrechen drohen – und zugleich gefährdet es die Wirtschaftlichkeit des subventionierten Projekts."

Und so passiert es immer wieder, dass Unternehmen, die einen Ausbau planen, davon Abstand nehmen, wenn sie befürchten müssen, dass ein weiterer Anbieter in das Vorhaben "einsteigt". Eine Lösung könnte es zwar geben, doch wann sie Realität wird, weiß wohl nur der "Digitalisierungsgott":

"Für den digitalpolitischen Sprecher der FDP, den Bundestagsabgeordneten Maximilian Funke-Kaiser, kommt jedenfalls infrage, dass in Zukunft 'vermehrt über gebietsspezifische Maßnahmen zur Eindämmung von Überbauaktivitäten nachgedacht werden wird'. Allerdings könne Open Access zur Beschleunigung des Glasfaserausbaus in Deutschland beitragen und der Überbau-Problematik begegnen, so Funke-Kaiser zu netzpolitik.org: 'Ich warte mit Spannung auf den Statusbericht zur Diskussion über Prinzipien eines marktweiten Open Access, die das Gigabitforum aktuell erarbeitet'".

Die Spannung des Wartens dürfte den FDP-Politiker wohl noch eine Weile begleiten. Denn besagter Bericht war für das zweite Quartal 2023 angekündigt, erschienen ist er bisher aber noch nicht. Schon im letzten Jahr beklagte ein Netzbetreiber:

"Am Ende des Tages sind wir einfach schneller, wenn wir überbauen."

Und so könnte man die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung auch einfach "Weiter so" nennen.

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Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.