Von Gert Ewen Ungar
Im russischen Fernsehen wird derzeit eine Serie mit dem Titel "Fieber" gezeigt. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt. In einem afrikanischen Land bricht eine hochansteckende und meist tödlich verlaufende Krankheit aus. Eine neue Variante des Ebola-Virus ist dafür verantwortlich. Ein westliches Team vor Ort streicht aufgrund der Gefahr die Segel und reist ab. Die Mitarbeiter des afrikanischen Seuchenzentrums fühlen sich im Stich gelassen. Sie wenden sich in ihrer Notlage an Russland, das im Gegensatz zum Westen zur Hilfe auch unter Gefahren bereit ist. Russland schickt eine gut ausgerüstete Gruppe von Freiwilligen, bestehend aus Medizinern und Virologen. Da die afrikanische Kollegin in Sankt Petersburg studiert hat, ist die Kommunikation auf Russisch kein Problem. Russland rettet vielleicht nicht die ganze Welt, aber zumindest Teile Afrikas und baut zudem seine Beziehungen dorthin aus. Ein schlichter, aber sympathischer Plot.
Nun mag man das für sehr weit hergeholt halten. Dass sich die Sympathien des afrikanischen Kontinents jedoch nicht mehr auf der Seite des Westens befinden, musste der deutsche Bundeskanzler bei seiner Reise durch Afrika feststellen. Auf seiner dritten Reise nach Afrika seit Amtsantritt besuchte Scholz Nigeria und Ghana.
Und dass der Bundeskanzler zunehmend auch den Job der Außenministerin macht, hat gute Gründe. Baerbock fehlt jedes Gespür für Diplomatie, sie ist rhetorisch ungeschickt, um es höflich zu formulieren, sie ist zu sehr Ideologin, um kompromissfähig zu sein, die Fähigkeit zur Einfühlung fehlt ihr völlig. Sie ersetzt dieses Defizit durch Phrasen der Betroffenheit und Rührung, die regelmäßig in Kitsch abgleiten. Man nimmt es ihr daher nicht ab.
Baerbock tritt zudem unangenehm belehrend auf. Ihr außenpolitisches Ziel ist, andere Länder zu unterwerfen und zur Übernahme der deutschen Sicht und der deutschen Sprachregelungen zu zwingen. Die Zeiten, in denen man sich einen derart kolonialistischen Gestus ungestraft erlauben konnte, sind allerdings vorbei.
Baerbock ist für den Posten, den sie bekleidet, absolut ungeeignet. Der Kanzler weiß das und zieht die Außenpolitik an sich. Im Ergebnis ändert das allerdings nichts, wie sich jetzt zeigt. Scholz mag über bessere rhetorische Fertigkeiten und über mehr politische Erfahrung verfügen, dennoch bringt auch er wie vorher schon Baerbock von seiner Afrikareise nichts Substanzielles mit. Auch ihm wurde die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Deutschland ist für Afrika nicht mehr attraktiv. Gemeinsam mit der EU wurde Afrika immer hingehalten, immer vertröstet und abgespeist. Die jüngsten Beispiele dafür: Während der Corona-Pandemie kam Hilfe nicht aus dem Westen, sondern aus China und Russland. Die EU hält am Sanktionsregime gegen Russland fest, obwohl das die ärmsten Länder der Welt hart trifft. Der UN-Menschenrechtsrat hat dies klar verurteilt. Russland spendet nun Weizen und Dünger, während die EU hart bleibt.
Russland öffnet sich aktuell gegenüber Afrika wie keine andere Region der Welt – von China abgesehen. Die Zahl afrikanischer Studenten, die an einer russischen Universität studieren, hat sich in der letzten Dekade verdreifacht, 35.000 afrikanische Studenten waren es im vergangenen Studienjahr. Für die laufende Periode wurde das Kontingent von Studienplätzen für diese Gruppe um weitere 4720 Plätze erhöht. In Russland wird ein Teil der afrikanischen Fachkräfte ausgebildet, die man in Deutschland gerne hätte. Allerdings musste Kanzler Scholz bei einem Besuch der Universität Ashesi in Ghana zur Kenntnis nehmen, dass es die afrikanischen Fachkräfte, die Deutschland so dringend benötigt, um seinen Standard halten zu können, nicht nach Deutschland zieht. "Wir brauchen keine Retter aus dem Westen", erklärt eine Studentin des Maschinenbaus dem Kanzler.
Was Jahrzehnte der Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland nicht geschafft haben, schafft die Kooperation Afrikas mit China und Russland. Afrika entwickelt sich, es gibt Perspektiven. Man will zur Entwicklung des eigenen Landes beitragen, bekommt Scholz von jenen Fachkräften gesagt, mit denen er in Deutschland gerne kostengünstig die durch eigenes Versagen entstandenen Lücken schließen möchte.
Auch in Nigeria war Migration ein Thema – gleich in doppelter Hinsicht, denn auch dort wollte Scholz Fachkräfte für Deutschland anwerben. Gleichzeitig ging es darum, eine Vereinbarung über die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern zu finden. In Deutschland leben rund 12.000 ausreisepflichtige Asylsuchende, die Nigeria allerdings nicht zurücknehmen möchte.
Deutschland möchte Rosinen picken, das machte der verunglückte Balanceakt des Kanzlers deutlich. Dass Nigeria unter diesen Umständen kaum zur Zusammenarbeit zu bewegen sein wird, ist klar. Wie jedes andere Land der Welt bildet auch Nigeria seine Fachkräfte nicht für Deutschland, sondern für den eigenen Bedarf aus. Wenn Deutschland Fachkräfte sucht, dann soll es die gefälligst selbst ausbilden, ist die inhärente Botschaft, die man permanent von dort zurücksendet, wo Berlin anwerben möchte. Sie wird in Berlin jedoch nicht gehört. Man tingelt daher weiter durch die Welt.
Auch wenn es eine narzisstische Kränkung für Deutschlands gut gepäppeltes Ego bedeutet: Für Fachkräfte aus Afrika ist Deutschland nicht mehr attraktiv, zumal Deutschland nicht nach Kooperation auf Augenhöhe, sondern nach Lückenfüllern sucht, die der deutschen Wirtschaft aus der Patsche helfen. Kooperation, das weiß man in Afrika nicht erst seit der Coronakrise, kommt nicht aus der EU und auch nicht aus Deutschland. Wenn es ernst wird, setzt man dort auf Abschottung und pflegt den Egoismus. Echte Kooperation kommt aus anderen Regionen der Welt. In der Fernsehserie "Fieber" wurde das zum Thema gemacht. Scholz bekam in Afrika die Grundannahme für den Plot in der Realität zu spüren.
Mehr zum Thema – Energiequelle Nigeria: Bundeskanzler Scholz auf Afrika-Reise