Washington hat mit der Demontage Selenskijs begonnen

Was bedeutet der am Montag publizierte Time-Artikel, in dem der ukrainische Präsident Selenskij so dargestellt wird, als handele es sich um einen Bericht aus dem Führerbunker im April 1945? Offenbar wirft Washington gerade die nächste seiner Marionetten auf die Müllhalde der Geschichte. Eine Meinung der RIA-Kolumnistin Wiktorija Nikoforowa.

Von Wiktorija Nikiforowa

Wladimir Selenskij hat es in dieser Woche erneut auf die Titelseite des amerikanischen Magazins Time geschafft. Doch kaum so, wie er es sich wünschte: Wurde der Provinzkavallerist dort früher in Großaufnahme und in romantischen Winkeln gezeigt, so spricht das Design dieses Mal eine andere Sprache. Das Foto zeigt den Rücken des Komikers, als ob er hinter die Kulissen läuft, vorsichtig zurückblickt und jede Minute einen Tritt erwartet.

Sein Weggefährte Andrej Jermak forderte zunächst alle auf, den Time-Artikel zu lesen, doch nachdem er ihn selbst gelesen hatte, löschte er die Werbung für den Artikel wieder. Was haben denn die "besten Freunde" des ukrainischen Präsidenten geschrieben, dass Jermak sich dazu veranlasst sah? Zum Beispiel dies: 

"Das übliche Funkeln seines Optimismus, sein Witz, seine Fähigkeit, die Atmosphäre im militärischen Hauptquartier mit einem Witz oder einer obszönen Anekdote zu beleben – all das hat ihn (Selenskij) im zweiten Kriegsjahr verlassen. 'Heute kommt er einfach rein, hört sich Berichte an, gibt Befehle und geht wieder', sagt ein langjähriger Mitarbeiter. Ein anderer sagt, dass Selenskij vor allem durch den Verrat seiner westlichen Verbündeten unter Druck steht."

Der Artikel ist selbst ein Verrat par excellence. Sein Autor, Simon Shuster, ein in Moskau geborener antirussischer Propagandist, begleitet Selenskij seit 2019. Er hat mehrere große Interviews mit dem ukrainischen Hetman geführt und ein Buch über ihn mit dem Titel "Showman" veröffentlicht. Erst vor einem Jahr schrieb er für Time einen ungewöhnlich schmeichelhaften Text, in dem er Selenskijs "Mut" und sein "jungenhaftes Lächeln" in den höchsten Tönen lobte. Damals kürte das Magazin den Kiewer Hetman zum Mann des Jahres und der Kongress der Vereinigten Staaten spendete ihm stehende Ovationen.

Heute ist Shusters Tonfall kalt und distanziert. In seinem Artikel wirkt Selenskij wie ein wütender und gereizter Jammerlappen. Der Journalist beschreibt schonungslos alle Demütigungen seines Helden während dessen letzter Reise in die Vereinigten Staaten: Er wurde daran gehindert, vor dem Kongress zu sprechen, wurde mit unangenehmen Fragen gequält wie "Was wird mit der Ukraine passieren, wenn wir aufhören, ihr überhaupt zu helfen?", und ignorierte Anfragen für Interviews mit Oprah Winfrey und Fox News.

Shuster flog damals mit Selenskij zurück nach Kiew, verschaffte sich Zugang zum innersten Zirkel des ukrainischen Präsidenten und fand in seinem Bunker jede Menge schmutzige Informationen, die er nun ohne Zögern öffentlich machte.

So erfahren wir, dass die Mobilisierung in der Ukraine ins Stocken geraten ist, weil Selenskij Militäroffiziere wegen der Annahme von Bestechungsgeldern entlassen hat und niemand sonst dieses Exekutionskommando übernehmen will. Mehr als 100.000 Soldaten sind getötet worden und es gibt niemanden, der sie ersetzen könnte. Die Kommandeure an der Front weigern sich, Angriffsbefehle auszuführen – auf die Forderung, Gorlowka einzunehmen, wurde geantwortet: "Mit welchen Kräften?"

"Selbst wenn die USA und ihre Satelliten der Ukraine all die Waffen geben, die sie versprechen, haben wir nicht die Leute, um die Waffen einzusetzen",

soll einer der engsten Vertrauten des ukrainischen Präsidenten zu Shuster gesagt haben.

Der amerikanische Journalist wurde in Kiew offenbar sehr großzügig mit Geheimnissen bedacht. Ein hochrangiger Berater Selenskijs forderte Shuster auf, das Tonaufnahmegerät auszuschalten, und verriet ihm das wichtigste Geheimnis der Ukraine:

"Simon, du irrst dich (wenn du denkst, dass Selenskij die Korruption bekämpft). Jeder stiehlt – als ob es kein Morgen gäbe."

Dies ist eine überaus schlechte Botschaft für Selenskij. Ein Korruptionsvorwurf, zumal wenn er über das populärste Magazin der Vereinigten Staaten verbreitet wird, ist die übliche Vorgehensweise Washingtons, um seine politischen Zöglinge auszumustern.

Zuerst wird der Zögling wie ein Schoßhund gefüttert, gelobt und auf den Armen getragen. Dann, wenn er sozusagen seine Mission erfüllt hat, stellt sich plötzlich heraus, dass er korrupt, gesetzlos und überhaupt "ein schlechter Mensch" ist. Um seine eigene weiße Weste nicht zu beschmutzen, hat das Washingtoner Establishment ihre ukrainische Marionette bereits verstoßen. Das weitere Schicksal ist nicht zu beneiden: Selenskij kann sich an Saakaschwili oder Guaidó orientieren – auch sie waren einst Washingtons Lieblinge.

Der Time-Artikel ist eine Botschaft Washingtons an die Kiewer Eliten: Dieser Führer ist kaputt, sorgt für Ersatz. Es wird deutlich erklärt, warum Selenskij seinen Herren nicht mehr gefällt. Shuster beschreibt ihn fast wie Hitler im Bunker in den letzten Tagen Berlins:

"… sein Glaube an den Endsieg der Ukraine über Russland ist so stark geworden, dass er seinen Beratern Angst macht. Er ist unerschütterlich, es grenzt an Messianismus. 'Er macht sich etwas vor', sagt mir sein frustrierter Berater. Wir haben keine Chance mehr. Wir werden nicht gewinnen. Aber versuchen Sie mal, ihm das zu sagen."

Laut Time hat ein Teil der Führung in Kiew die Notwendigkeit von Friedensgesprächen mit Russland erkannt, aber Selenskij hat Angst, auch nur daran zu denken. Den Führer des Kiewer Regimes kann man in diesem Punkt verstehen: Ein Waffenstillstand würde ihn den örtlichen Nazis ausliefern. Aber was interessiert das die Amerikaner? 

Tatsache ist, dass der "Gegenoffensive" des Kiewer Regimes endgültig die Puste ausgegangen ist. Im US-Kongress hat sich eine kritische Masse von Politikern zusammengefunden, die die Ukraine nicht unterstützen wollen. Man hat erkannt, dass die ukrainische Wirtschaft hoffnungslos ruiniert ist und die Gehälter, Renten und Sozialleistungen der Ukrainer noch jahrzehntelang aus dem US-Haushalt bezahlt werden müssten, wenn man weiter auf die Loyalität dieses Vasallen setzt. 

Die Lösung schlägt ein prominenter Experte den Amerikanern bereits vor: "Wenn die Russen irgendwie die Macht in der Ukraine ergreifen, werden sie dafür bezahlen müssen."

Washington würde sich gerne an diese Gelegenheit klammern und den lästigen Ausgabenposten loswerden, weshalb es den Traum von Friedensgesprächen befeuert. Das offen auszusprechen, würde jedoch bedeuten, die eigene Niederlage einzugestehen, da man sich vor den Augen der ganzen Welt blamiert hat. Deshalb muss aus US-Sicht Kiew die Initiative zu Verhandlungen ergreifen – das ist der wahre Sinn des Time-Artikels.

Seine Herren sind an Selenskijs Meinung zu diesem Thema nicht interessiert. Kaputte Marionetten wirft man auf den Müll, nicht wahr?

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 1. November 2023 auf ria.ru erschienen

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