Von Bradley Blankenship
Der anhaltende Konflikt zwischen Israel und der Hamas nimmt rasant an Heftigkeit zu und gerät möglicherweise völlig außer Kontrolle. Das hat zum großen Teil damit zu tun, dass dieser Jahrzehnte alte Konflikt dermaßen viele Emotionen hervorruft und beide Seiten in ihren jeweiligen Positionen festgefahren sind. In der westlichen Welt können wir beobachten, dass die israelische Seite weitaus mehr mediale Reichweite und Einfluss hat, sodass der bloße Akt, auch nur Mitgefühl für die Notlage der Palästinenser zu zeigen, dazu führen kann, dass man aus der Zivilgesellschaft ausgeschlossen wird.
So wurde beispielsweise der in der Tschechischen Republik bekannte Schriftsteller Prokop Singer, von praktisch allen Medien, für die er regelmäßig Beiträge verfasst hat, darüber informiert, dass seine Mitarbeit nicht mehr erwünscht ist. Offensichtlich spielt es keine Rolle, dass Singer seit Jahren Arabisch lernt, oft die palästinensischen Gebiete bereist hat und einer der wenigen glaubwürdigen tschechischen Kommentatoren zu diesem Thema ist. Anscheinend waren seine Meinungsäußerungen in den sozialen Medien ausschlaggebend für seine Verbannung. Etwa sein Hinweis, dass westliche Politiker regelmäßig zum Tod und zur Enteignung von Palästinensern schweigen oder über die Heuchelei über die Art und Weise, wie tschechische Liberale die Ukraine im Gegensatz zu Palästina behandeln. Das war anscheinend zu viel für die tschechische Elite.
Wir sehen auch, dass Studenten einiger führende akademischer Einrichtungen der Welt, wie zum Beispiel Harvard oder Columbia, von ihren Universitäten aufgrund ihrer persönlichen Haltung zum Konflikt im Nahen Osten verbannt werden. Menschen, die an Kundgebungen zur Unterstützung für Palästina teilnehmen oder Aufrufe zur Unterstützung Palästinas unterschreiben, werden unter Druck gesetzt und bei ihren Arbeitgebern angeschwärzt oder, noch schlimmer, bei der Polizei oder Regierungsbehörden angezeigt.
"Accuracy in Media" (Sorgfalt in den Medien), eine konservative Organisation, die sich dafür einsetzt, "Regierungsbeamte zur Rechenschaft zu ziehen", finanziert derzeit eine Kampagne, bei der ein Lastwagen mit großen Flachbildschirmen auf allen drei Seiten, links, rechts und hinten, durch die USA fährt und die privaten Daten von Studenten anzeigt, die sich für die Sache der Palästinenser einsetzen. Auch Social-Media-Unternehmen auf der ganzen Welt zensieren offen und ohne weitere Begründung alle Beiträge und Blogs, die für Palästina das Wort ergreifen.
Diese Art von Verhalten ist äußerst gefährlich und hat aus mehreren Gründen eine schreckenerregende Auswirkung auf die westliche Gesellschaft, nicht zuletzt wegen ihrer offensichtlichen Ungerechtigkeit. Darüber hinaus war der Westen stets stolz darauf, ein Ort des freien und offenen Gedankenaustauschs zu sein, doch das scheint nicht mehr der Fall zu sein. Auch wenn wir alle vehement verschiedener Meinungen sind, ist unabhängig von der Thematik wichtig, wenigstens zu wissen – oder wissen zu können –, was die andere Seite denkt. Ohne dieses entscheidende Verständnis ist der Weg in den Krieg unvermeidlich.
Das ist keine Übertreibung. Nachdem Israel den schwersten Angriff seit Jahrzehnten erleiden musste, dürstet es nach Rache. Selbst wenn die Logik darauf schließen lässt, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Verantwortung dafür trägt, dass der Angriff nicht verhindert werden konnte. Und die meisten Israelis glauben das sogar. Sollte es zu einer großangelegten Invasion in Gaza kommen, auf die sich die israelischen Verteidigungskräfte vorbereiten, wird sich dieser Konflikt umgehend regional ausbreiten.
Iran und seine Verbündeten, wie die Hisbollah, die Huthi im Jemen und andere von Teheran unterstützte Milizen in der gesamten Region, etwa in Syrien und im Irak, scheinen nicht darauf erpicht zu sein, gegen Israel in den Krieg zu ziehen. Aber weil ihre gesamte Identität als politische Organisation und Allianz auf dem Widerstand gegen die gewalttätigen Auswüchse der israelischen Apartheid basiert, und weil UN-Experten davor warnen, dass sich der Konflikt in eine ethnische Säuberung der Palästinensergebiete verwandeln könnte, bleibt ihnen kaum eine andere Wahl. Wenn sie angesichts dessen, was sie abzuwenden geschworen haben, nichts unternehmen, kann es sein, dass sie selbst ihrer Existenz beraubt werden – und das wissen sie genau.
Aus diesem Grund darf sich das Schwarz-Weiß-Denken in der Welt nicht durchsetzen. Dies gilt insbesondere für den Westen, dem Israel seine Existenz verdankt und der dem jüdischen Staat diplomatischen und verteidigungspolitischen Schutz bietet.
Beide Seiten geraten in eine Falle, bei der das Existenzrecht der einen Seite auf der Vernichtung der anderen Seite beruht. Im Westen manifestiert sich dies als das Recht Israels, sich zu verteidigen – mit allen notwendigen Mitteln, auch durch willkürliche Bombenangriffe –, während die Palästinenser entmenschlicht werden. Aber die Palästinenser haben ebenfalls das Recht, sich zu verteidigen und sich der israelischen Besatzung und der Apartheid zu widersetzen.
Dies rechtfertigt in keiner Weise die Verbrechen der Hamas oder des palästinensischen Islamischen Dschihad – beide Gruppen vertreten eine beklagenswerte Ideologie und greifen auf kriminelle Taktiken zurück, die nur dazu dienen, die verzerrte Sicht auf die Palästinenser zu verstärken. Wenn ich jedoch die Art und Weise untersuche, wie sich die öffentliche Diskussion im Westen zu diesem Thema entwickelt, komme ich nicht umhin, mich an die Art und Weise zu erinnern, wie die US-amerikanischen Medien über die fast 250 Sklavenaufstände im 19. Jahrhundert berichteten.
Als die Gesellschaft der Historiker über die Anfangsjahre der Republik USA berichtete, waren die US-amerikanischen Medien – die selbstredend von Weißen dominiert wurden – fanatisch rassistisch und fokussierten sich bei der Berichterstattung über die Sklavenaufstände, gezielt auf die angeblichen Verbrechen schwarzer Sklaven. Die Texte, die sie dabei verfassten, hätten wohl sogar Adolf Hitler vor Scham erröten lassen.
Beispielsweise schrieb der Herausgeber der Charleston Times im Anschluss an die sogenannte Vesey-Verschwörung von 1822, bei der der größte Sklavenaufstand in der Geschichte der USA geplant wurde: "Man darf nie vergessen, dass unsere Neger in Wahrheit die Jakobiner unseres Landes sind. Dass sie die Anarchisten und der innere Feind sind, der gemeinsame Feind der zivilisierten Gesellschaft und die Barbaren, die, wenn sie könnten, zur Vernichtung unserer Rasse übergehen würden."
Im Jahr 1859, nach dem berühmten Überfall auf Harpers Ferry, schrieb der Herausgeber des New York Herald, James Gordon Bennett: "Die ganze Geschichte der Negeraufstände beweist, dass es keine Rasse von Menschen gibt, die so brutal und blutrünstig ist wie die Neger. Der Neger ist, sobald er zum Blutvergießen aufgestachelt wurde und in den Besitz von Waffen kommt, so unkontrollierbar und irrational wie ein wildes Tier."
Das klingt unheimlich vertraut und so ähnlich, wie der amerikanische rechtsextreme Kommentator Ben Shapiro, ein orthodoxer Jude und glühender Zionist, öffentlich über die Palästinenser spricht. Zum Beispiel: "Israelis bauen auf. Araber können nur zerstören und in der Gosse leben. Das ist kein schwieriges Thema – die Besiedlung [der palästinensischen Gebiete durch Israelis] ist eine gute Sache."
Shapiro beschuldigte den prominenten konservativen BBC-Moderator, der ihn interviewte, ein "Linker" zu sein, und stürmte aus der Live-Sendung. Shapiro ist jedoch nicht der Einzige, der sich so äußert. Es gibt unzählige Beispiele von Zionisten – darunter hochrangige israelische Staatsbeamte –, die sich öffentlich auf genau dieselbe Weise äußern.
Nach dem außergewöhnlichen Leid, dem die Juden im Laufe der Geschichte ausgesetzt waren, kann ich dieses generationsübergreifende Trauma voll und ganz nachvollziehen. Es ist klar, dass die leidvolle Geschichte der Juden der Grund für das Verhalten Israels bei seinen rücksichtslosen Angriffen auf die Palästinenser ist. Aber das ist keine Rechtfertigung und negiert auch nicht die Tatsache, dass auch die Palästinenser ein Recht auf Leben und Unabhängigkeit haben. Die Tatsache, dass wir im Westen dies nicht anerkennen oder die Menschen in Gaza nicht einmal als Menschen betrachten wollen, ist eine absolut erschreckende und gefährliche Perspektive.
Aus dem Englischen.
Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Man findet ihn auf X unter @BradBlank_.
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