Von Jewgeni Posdnjakow
Die Führung der Ukraine erachtet den Aufbau einer eigenen Munitionsproduktion für nötig. Dies würde laut dem ukrainischen Premierminister Denis Schmygal dem Land ermöglichen, die weltweit zu beobachtende Verknappung zu überwinden. Zu fragen bleibt, ob die Regierung von Selenskij diese ehrgeizigen Pläne umsetzen kann und ob Russland die Aufstockung der Munitionsvorräte im gegnerischen Lager verhindern kann.
Von der Ukraine wurde die Notwendigkeit einer Eigenproduktion von Munition erklärt. Der Ministerpräsident des Landes Denis Schmygal sagte dies in einem Interview mit der Financial Times. Nach seiner Ansicht herrscht derzeit in der ganzen Welt ein großer Mangel an Waffen. Er bemerkte unter anderem, dass die meisten Bestände in den verschiedenen Staaten bereits aufgebraucht sind.
Daher müsse die Ukraine eigene Kapazitäten für die Herstellung von Munition besitzen, sagte Schmygal. In der Veröffentlichung heißt es zwar, dass Selenskijs Büro bereits die notwendigen Änderungen am Staatshaushalt vorgenommen habe, um seine Bemühungen auf den militärisch-industriellen Komplex zu fokussieren. Darüber hinaus wird aber die Landesregierung aufgrund eines weltweiten Mangels an "Schießpulver" gar nicht in der Lage sein, die Produktion von Geschossen in kürzester Zeit umzustellen.
Der Premierminister merkt an, dass die Regierung des Landes "die Lehren aus dem rapiden Anstieg der Drohnenproduktion" gezogen habe. Jedoch ist der Aufbau eines Industriezweiges zur Munitionsproduktion eine ziemlich komplexe und ehrgeizige Aufgabe, zumal die Welt derzeit insgesamt mit einem Mangel an Rohstoffen zu kämpfen hat, die für jedwede funktionierende Industrie erforderlich sind.
Der Artikel weist auch darauf hin, dass derzeit mehrere westliche Staaten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarungen mit der Ukraine zur Entwicklung einer Rüstungsindustrie auf dem Territorium eines kriegführenden Landes haben. Es wird hervorgehoben, dass die verbündeten Regierungen vor einer Zusammenarbeit in diesem Bereich zurückschrecken, weil sie um das Leben ihrer eigenen Staatsangehörigen fürchten, die bei einem Angriff auf die im Bau befindlichen Anlagen umkommen könnten.
Unterdessen erklärt das Präsidialamt von Selenskij die Gründung von Joint Ventures mit europäischen und US-amerikanischen Rüstungsunternehmen zu seiner Priorität. Zugleich ist der ukrainische Vizepremier Michail Fedorow der Meinung, dass der Staat bereits die "besten Bedingungen der Welt für Rüstungsunternehmen" geschaffen habe.
Allerdings sind solch ambitionierte Pläne selbst bei einigen lokalen Politikern umstritten. So hält Alexander Kamyschin, Minister für strategische Industriezweige des Landes, "die Bestrebung nach vollständiger Unabhängigkeit" im Bereich der Munitionsproduktion für "sinnlos". Vor diesem Hintergrund versichert Schmygal, dass UkroBoronProm und Rheinmetall ein gemeinsames Unternehmen gegründet haben, berichtet Strana. Die Zeitung Wsgljad hatte zuvor bereits ausführlich über diese Pläne berichtet.
Dieser Munitionsmangel in der Ukraine wird in Russland mit einem hohen Maß an Korruption begründet. Eine nicht namentlich genannte Quelle sagte dies gegenüber RIA Nowosti. Zudem fehle es an einer Kontrolle über die vom Westen gelieferten Waffen. Rüstungsgüter gelangen auf den Schwarzmarkt, wo sie durch kriminelle Gruppierungen verbreitet werden. In der Folge gelangt die Ausrüstung in andere Regionen der Welt.
Auch der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow kommentierte die Äußerungen des ukrainischen Ministerpräsidenten. Seiner Ansicht nach werden die Vereinigten Staaten und deren Verbündete viel Zeit aufwenden müssen, um die Ressourcen für die Produktion von Munition wieder aufzustocken. Gerade daraus erwachsen derzeit hauptsächlich "gewisse Spannungen".
Die Expertengemeinschaft geht davon aus, dass sich die Ukraine nicht zu einem unabhängigen Zentrum der Munitionsproduktion entwickeln kann. Dem Land fehle es fast vollständig an den dafür notwendigen industriellen Kapazitäten, und kein westlicher Investor werde es wagen, vollwertige Fabriken während der laufenden Kriegshandlungen zu errichten.
"Die Ukraine träumt schon lange von einer eigenen Produktion der NATO-Munition. Aber manche Wünsche werden nicht wahr. Die notwendigen Maschinen und Anlagen fehlen dem Land fast vollständig. Auch der Mangel an Schießpulver bleibt weiterhin relevant", sagte der Militärexperte Boris Roshin.
"Ehrgeizige Pläne erfordern die Einbeziehung kompetenter Spezialisten, auch aus westlichen Ländern. Die Produktionsleitung sowie die abschließende Qualitätskontrolle der Erzeugnisse sind eine Angelegenheit von Fachleuten. Allerdings ist deren Gewinnung für die Arbeit in der Ukraine nicht einfach", schätzt der Gesprächspartner die Lage ein.
"Nicht zu vergessen ist der Bau von Fabriken, der unter Kriegsbedingungen erfolgen würde. Und hier stellt sich die Frage der Investitionen. Die Geldgeber sind wohl kaum bereit, Geld für Projekte bereitzustellen, deren Schicksal von den Handlungen der russischen Luftstreitkräfte abhängt", merkt der Experte an.
"Derzeit kann die Ukraine nur einige Typen sowjetischer Munition produzieren. Es ist jedoch unangemessen, hierbei von einem vollwertigen Prozess zu sprechen. Die Ukraine kann also nicht ansatzweise ein Weltzentrum für die Waffenproduktion werden", betont Roshin.
"Alle führenden Marktteilnehmer, auch die westlichen, verfügen über eine lange Tradition in der Herstellung von Munition. Sie haben die erforderlichen Logistikketten gut organisiert. Beispielsweise sind die Produktionsanlagen für Treibladungsmittel eng in das Netzwerk der Rüstungsindustrie eingebunden. Die Beschaffung wichtiger Komponenten erfolgt schnell und ohne Verzögerungen", unterstreicht der Gesprächspartner.
"Dabei sind selbst die großen Unternehmen dieser Branche nicht in der Lage, den Mengenbedarf zu bewältigen, den die aktuelle geopolitische Lage erfordert. Und mit diesen Zahlen wird die Ukraine überhaupt nicht mithalten können. Darüber hinaus wird ein derartiges Bestreben der Ukraine, zum Munitionsmagnaten zu werden, auch von Russland verhindert werden. Wir führen bereits Angriffe gegen Rüstungs- und Rüstungsreparaturbetriebe. Wichtig ist, dass diese Praxis auf regelmäßiger und systematischer Basis erfolgt", meint Roshin.
Der Ukraine fehle es an einer gut ausgebauten Stahl- und Chemieindustrie, um NATO-Munition zu produzieren, präzisierte Konstantin Siwkow als Vizepräsident der Russischen Akademie für Raketen- und Artilleriewissenschaften. "Zudem sind Fabriken erforderlich, um die Herstellung von Sprengstoffen einschließlich der benötigten elektronischen Komponenten zu gewährleisten. Und dann kommt der Mangel an Treibladungsmitteln hinzu, der weltweit zu beobachten ist", sagte er.
"Außerdem mangelt es der Ukraine entscheidend an den notwendigen Kapazitäten zur Herstellung von Munition. Ohne die Hilfe westlicher Staaten, die wichtige Ausrüstung liefern können, ist es fast unmöglich, eine Produktion aufzubauen. Es ist unklar, ob die NATO einen solchen Schritt unternehmen wird. Darüber hinaus nimmt die Umsetzung dieses Plans viel Zeit in Anspruch", heißt es in der Quelle. "Es ist unrealistisch, in kurzer Zeit eine so große Menge an Geschossen herzustellen, wie sie für die Kampfeinsätze benötigt werden."
Unterdessen bezeichnete der politische Analyst Wladimir Skatschko den Vorschlag Schmygals, eine Munitionsproduktion in der Ukraine aufzubauen, als "ein Verbrechen gegen das eigene Volk". "Auf diese Weise setzt er die Bürger des Landes, die möglicherweise in den neuen Rüstungsfabriken arbeiten werden, dem Angriff durch die russischen Luft- und Raumfahrstreitkräfte aus", meint der Experte.
"Der Bau von Fabriken und die Einrichtung einer Munitionsproduktion in der Ukraine ist nur dann möglich, wenn unsere Luftstreitkräfte ihre Kampfhandlungen völlig einstellen würden. Das wird jedoch erst nach dem Ende der militärischen Spezialoperation geschehen. Neue militärische Objekte werden zu einem legitimen Ziel für Angriffe", stellt der Gesprächspartner fest.
"Der Ukraine mangelt es außerdem an Produktionskapazitäten. Zerstörte Anlagen wiederaufzubauen oder neue zu errichten, ist eine teure Angelegenheit. Günstiger wäre der Transport von Geschossen aus Fabriken, die in Polen oder anderen benachbarten NATO-Ländern angesiedelt sind. Werden sie dem aber zustimmen? Ich denke kaum, denn ein potenzielles Zielobjekt möchte niemand sein", erklärt er.
"Höchstwahrscheinlich wurde dieses Thema aufgeworfen, weil die ukrainischen Behörden die Hoffnung hegen, damit noch mehr Geld in ihre Korruptionskanäle fließen zu lassen. Sie veranstalten geradezu einen Wettbewerb, wer am schnellsten Milliardär werden kann. Alle Entscheidungen in diesem Land zielen darauf ab, solchen Diebstahl zu begünstigen. Die Produktion von Munition eröffnet weitere enorme Möglichkeiten für zwielichtige, aber lukrative Machenschaften. Der Feind hat also zwei Probleme: die Korruptheit der lokalen Beamten und das Vorgehen der russischen Luftstreitkräfte", fasst Skatschko seine Meinung zusammen.
Zuerst erschienen bei Wsgljad und aus dem Russischen übersetzt.
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