Von Timur Fomenko
Kürzlich veröffentlichte das US-Außenministerium einen Bericht mit dem Titel "Wie die Volksrepublik China versucht, das globale Informationsumfeld neu zu gestalten". Darin wirft Washington China vor, verschiedene betrügerische und hinterhältige Methoden anzuwenden, um das internationale Informationsumfeld zu beeinflussen. Konkret heißt es in dem Bericht:
"Pekings Informationsmanipulation umfasst den Einsatz von Propaganda, Desinformation und Zensur. Es gibt jährlich Milliarden von US-Dollar aus, für Bemühungen zur Informationsmanipulation im Ausland."
Der Bericht räumt jedem Land das Recht ein, "dem Rest der Welt sein eigenes Narrativ zu verkünden". Gleichzeitig stellt er aber fest:
"Das Narrativ einer Nation sollte auf Fakten basieren und sich entlang der eigenen Verdienste bewegen."
Anscheinend erkannten die Autoren des Berichts nicht die Ironie, die sich aus diesen aus Washington verkündeten Grundsätzen ergibt. Die USA sind der weltweit größte staatliche Verbreiter von Desinformation, narrativer Manipulation und Täuschung. Die USA sind das Land, dessen Lügen als Vorwand für verheerende Kriege vorgeschoben wurden – siehe den Vorfall im Golf von Tonkin, aus dem der Vietnamkrieg hervorging; oder die Behauptungen über Massenvernichtungswaffen, die Saddam Hussein angeblich besessen haben soll, was zur Invasion in den Irak führte.
Abgesehen von der Absicht, ist Chinas Fähigkeit, das globale Informationsumfeld zu beeinflussen, im Vergleich zu den Fähigkeiten der USA ziemlich limitiert. Peking mangelt es an zahlreichen Vorteilen, die Washington genießt. Darunter fällt die Beherrschung der dominierenden Sprache auf diesem Globus – des Englischen. Eine Sprache, die sich durch alle Kulturen, durch die Literatur, die Musik, die Nachrichtenmedien, die Kinofilme und durch die populären TV-Serien zieht. Die USA sind ein Hegemon im Informationsraum. Auch deshalb kann China der Manipulation der öffentlichen Meinung über China in westlichen Ländern, die hauptsächlich von den USA manipuliert wird, nichts Wesentliches entgegensetzen.
Die USA prägen die globalen Diskurse und Narrative nach eigenem Ermessen, indem sie die Maschinerie des jeweils amtierenden Regierungsapparates mit den Anreizen für die Unternehmensagenda großer Konzernmedien koordinieren, und so einen organischen Nachrichtenzyklus schaffen können, der wiederum die Agenda des amtierenden Regierungsapparates widerspiegelt. Auf höchster Ebene verfolgen und unterstützen alle großen Nachrichtenorganisationen in den USA – und auch in Westeuropa – die Außenpolitik Washingtons. Sei es durch die Washington Post, das Wall Street Journal, die New York Times, CNN, MSNBC, aber auch durch Publikationen aus dem Hause Springer, der Süddeutschen, der FAZ und den sogenannten öffentlich-rechtlichen deutschen Medien, die gewissermaßen alle transatlantisch ausgerichtet wurden.
Wie in der Abhandlung des US-amerikanischen Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky "Manufacturing Consent" (Die Konsensfabrik) erläutert wurde, werden die USA, wenn sie sich einem bestimmten Problem zuwenden, zum Beispiel den Menschenrechten in einem bestimmten Land, Ressourcen darauf verwenden, um genau dieses Problem in den Vordergrund zu rücken. Das bedeutet, dass von der US-Regierung geförderte Denkfabriken sich mit diesem Thema befassen und die damit verbundenen Diskussionsthemen definieren. Während gleichzeitig "Experten" mit bestimmten Standpunkten eine Plattform und entsprechende Medienauftritte bekommen.
Dadurch wird ermöglicht, dass ein sich selbst verstärkendes Anreizsystem geschaffen wird, bei dem "Experten" und Medienprofis vernetzt werden, um ihre eigenen Karrieren und ihre jeweiligen kommerziellen Interessen zu verfolgen. Durch das Festhalten am etablierten Narrativ werden große Medienunternehmen diesem folgen, bis dann kleinere Medienunternehmen, in einer Art Herdenmentalität, auf den Zug aufspringen.
Warum sollte man seine kostbare Zeit mit der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen widmen – beispielsweise in Saudi-Arabien –, wenn es doch viel einfacher und lukrativer ist, den Blick auf China zu richten? Wenn man sich der Anti-Peking-Agenda anschließt, ist man umgehend in ein Netzwerk von Dissidenten, Denkfabriken und durchgesickerten Dokumenten eingebunden, das von Washington aus gesteuert und unterstützt wird, was einem die Arbeit enorm erleichtert. Daher neigen diese Leute dazu, dem "aktuellen Ding" zu folgen, sei es COVID, die Ukraine, der Klimawandel oder – jetzt neu – der Konflikt zwischen Israel und Palästina.
Auf diese Weise ist Washington in der Lage, die Agenda der Berichterstattung zu steuern, die dann absichtlich dramatisiert und sensationell gemacht wird. Wodurch eine weitere sich selbst verstärkende Schlaufe entsteht, die polarisiert und die objektive Debatte – egal zu welchem Thema – zum Erliegen bringt. Washington hat zudem die Macht, bei jedem aktuellen Thema medial auch den Stecker zu ziehen, wenn man das im Weißen Haus für nötig hält.
Für China hingegen ist dies weitaus weniger machbar. Peking hat nicht den Startvorteil, die am weitesten verbreitete Sprache der Welt auf seiner Seite zu haben. Online sind 58,8 Prozent aller Inhalte auf Englisch und nur 1,7 Prozent auf Chinesisch. Dies bedeutet, dass die absolute Mehrheit der Meinungen über China von englischsprachigen Quellen produziert und von englischsprachigen Lesern und Usern konsumiert werden. Für China ist Englisch eine Zweitsprache, wodurch die kulturelle Basis von Pekings Soft Power stark eingeschränkt wird.
Darüber hinaus haben die USA, wie oben beschrieben, ein Anreizsystem für die Aneignung und Kontrolle der internationalen Konzernmedien durch Stellvertreter geschaffen und perfektioniert. Wohingegen China nicht über ein solches System verfügt, zumindest nicht in vergleichbarem Umfang. Stattdessen verfügt China über ein hierarchisch organisiertes System von Staatsmedien, das Anweisungen befolgt, was wiederum die Glaubwürdigkeit und die Reichweite der Botschaft dieser Medien infrage stellt. Chinesischen Journalisten fehlt folglich die "journalistische" Tradition der US-amerikanischen Konzernmedien und sie wissen daher nicht, wie sie Medien als wettbewerbsfähiges Unternehmen gemäß den Normen des Kapitalismus nutzen können.
Das bedeutet, dass China nicht die weltweit führende Maschine sein kann, die Falschinformationen verbreitet, so wie es das US-Außenministerium darstellt. Mittlerweile stechen die USA durch erfolgreiche Propaganda weit mehr heraus, als jedes andere Land auf der Welt. Und oft wird das nicht mal im Verborgenen getan, etwa wenn Vorschläge publik gemacht werden, hunderte Millionen Dollar in Programme zu stecken, um die negative Berichterstattung über die chinesische Belt and Road Initiative zu fördern.
Warum hat sich Ihrer Meinung nach die öffentliche Meinung über China in den westlichen Ländern dermaßen negativ entwickelt? Der unbedarfte "Analyst" in einer Denkfabrik wird behaupten, es sei die Schuld von Xi Jinping und seiner Politik. Aber die Tatsache, dass ein unbedarfter "Analyst" aus einer Denkfabrik solches behauptet, könnte ein Hinweis darauf sein, wer die wirklich bösartige Kraft hinter der globalen öffentlichen Meinung ist.
Aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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