Von Gert Ewen Ungar
In seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eines ganz deutlich gemacht: Vermitteln will er nicht. Mäßigung ist nicht sein Ding. Die deutsche Solidarität ist voll und ganz auf der Seite Israels, sagt der Kanzler. Das sei Staatsräson – aus historischen Gründen. Staatsräson ist in Deutschland leider nicht, sich vorbehaltlos für Frieden und die diplomatische Beilegung von Konflikten einzusetzen. Aus denselben historischen Gründen wäre diese Haltung naheliegender als blinde Solidarität.
Der Blick des Kanzlers auf den Nahostkonflikt ist einseitig, und er soll einseitig bleiben, macht Scholz deutlich. Wer die Rede des Kanzlers verfolgt hat, wird zustimmen: Scholz ist stolz auf seine Schlichtheit im politischen Denken. Moralische Empörung und Betroffenheitsgeschwurbel ersetzen den Willen zur Suche nach Lösungen und nach Wegen zu ihrer Umsetzung. Differenzierung lehnt Scholz ab, Diplomatie sowieso.
Wer dem Kanzler mit einem "Ja, aber" kommt, wird runtergemacht. In der Schwarz-Weiß-Welt des Kanzlers ist der Verweis auf Komplexität und Zusammenhänge "Täter-Opfer-Umkehr". Damit ist er nicht allein. Grobschlächtige Politik, schlichtes und völlig unterkomplexes Denken sind die Kennzeichen der aktuellen Regierung. Das ist im Ukraine-Konflikt der Fall und wiederholt sich jetzt angesichts des erneut aufgebrochenen Nahostkonflikts. Das Ergebnis ist so einfach wie falsch: Konflikte, so glaubt man in der Ampel, sind mit Waffen und Gewalt zu lösen.
Der deutsche Wille zur unterkomplexen Weltsicht ist eine spezifische Form der Realitätsverweigerung. Sie bedient schlichte Geister, niedrige Gefühle und Instinkte, indem sie die Welt in Gut und Böse unterteilt. Grautöne und Schattierungen, Entwicklungen und Zusammenhänge werden einfach geleugnet. Scholz, man muss es deutlich sagen, ist ein Propaganda-Kanzler. Das Beharren auf die deutsche Einseitigkeit in ihrer ganzen Schlichtheit führt inzwischen deutlich sichtbar zur internationalen Isolation Deutschlands.
Die Zweistaatenlösung sei in weite Ferne gerückt, meint der Kanzler achselzuckend, ohne die Ursachen zu benennen. Dies dürfe aber kein Anlass für Gewalt sein. Die Forderung des Kanzlers ist eine Zumutung. Die Zweistaatenlösung ist nicht einfach so in weite Ferne gerückt. Sie wurde sabotiert – von Israel und mit westlicher Unterstützung, vor allem aus den USA.
Diese Geschichte will der Kanzler ebenso wenig erzählen, wie er sich weigert, auch nur zur Kenntnis zu nehmen, dass das Kiewer Regime eine rassistische Politik gegen die eigene, russischsprachige Bevölkerung im Donbass verfolgt. Scholz fordert sowohl von den Palästinensern als auch von den Menschen im Donbass nichts weniger als die stillschweigende Hinnahme von Unrecht. Die Hinnahme von Unrecht aber, darüber muss sich der Kanzler im Klaren sein, kann nur durch den massiven Einsatz von Gewalt durchgesetzt werden – man nennt den Zustand Tyrannei. Die mit Tyrannei einhergehende Totenstille aber ist kein Zeichen für Frieden, sondern der Vorbote für den Ausbruch von Gewalt im Moment der Schwäche des Tyrannen.
Die Durchsetzung von Unrecht wird immer zu Gewalt führen. Dass sich Deutschland offen für Unrecht und Tyrannei auf der Welt starkmacht, ist eine Schande. Scholz fordert faktisch, dass der Bruch mit dem Völkerrecht und die Missachtung der Beschlüsse von UN-Gremien einfach hinzunehmen sind.
Die deutsche Strategie im Umgang mit völkerrechtlich bindenden Vereinbarungen ist das Verschleppen ihrer Umsetzung. In der Ukraine wurde das deutlich: acht Jahre Minsk 2, Normandie-Format und damit verbunden viel Gerede ohne jeden konkreten Fortschritt in der Umsetzung. Es war Deutschland, das Minsk 2 sabotiert und damit den Ukraine-Konflikt hin zum Krieg eskaliert hat. Über die Zweistaatenlösung zur Befriedung des israelisch-palästinensischen Konflikts wird seit inzwischen 50 Jahren gesprochen. Seit 50 Jahren wird die Lösung des Konflikts aufgeschoben.
Dass nach 50 Jahren die Zweistaatenlösung "in weite Ferne gerückt ist", wie Scholz selbst zugibt, soll nun von den Palästinensern einfach so hingenommen werden, wie von den Bewohnern des Donbass einfach so hingenommen werden soll, dass ein Sturm der Ukraine und damit ein Genozid im Donbass im Februar 2022 unmittelbar bevorstand. Gewalt heißt Scholz dann gut, wenn sie der vermeintlich Stärkere ausübt. Die Forderung des Kanzlers nach stiller Hinnahme von Unrecht ist schlicht nicht akzeptabel. Sie ist zynisch und menschenverachtend. Und sie wird den aktuellen geopolitischen Verschiebungen nicht gerecht. Der Westen ist immer weniger in der Lage, die schweigende Duldung von Unrecht zu erzwingen.
Ihr müsst euch alles gefallen lassen, ist die Botschaft des Kanzlers nicht nur an die Palästinenser. Es war bisher auch die Botschaft an die russischsprachige Bevölkerung im Donbass. Bei seinem Antrittsbesuch in Moskau lachte Scholz Wladimir Putin aus, als dieser auf den Genozid der Ukraine an der Bevölkerung des Donbass hinwies. Scholz verhöhnt die Opfer der westlichen imperialen Politik sowohl in der Ukraine als auch in Nahost. Die Verhöhnung der Opfer und einseitige Parteinahme wird Konflikte aber nicht beenden, sondern zu neuer Gewalt führen.
Scholz ist gewaltbereit. Die deutsche Entwicklungshilfe für die Palästinenser will er überprüfen lassen. Schon jetzt prophezeit er den Menschen im Gazastreifen die weitere Verelendung, an der Deutschland dann freilich keine, die Hamas aber alle Schuld trage. Zynismus und Arroganz als Staatsräson.
In Deutschland will Scholz Organisationen verbieten, die der Hamas nahestehen. Zudem soll die Meinungsfreiheit weiter einschränkt werden. Wie schon in Bezug auf die Ukraine strebt der Kanzler auch bezüglich des Nahostkonflikts danach, die offene Diskussion über die historischen Abläufe mit Strafe zu belegen. Die Schilderung der historischen Zusammenhänge sind für ihn und die Mitglieder der deutschen Regierung "Hass und Hetze". All dieser deutsche Wille zur Unterdrückung und zur Gewalt macht deutlich, dass sich das politische Deutschland erneut auf die falsche Seite der Geschichte geschlagen hat. Das kann und das darf keine Zukunft haben. Deutsche Politik ist weder human, noch ist sie vökerrechtskonform oder gar international konsensfähig. Deutsche Politik ist in der Wahl ihrer Mittel ewiggestrig. Aber gerade die deutsche Geschichte zeigt, dass Tyrannei niemals eine Zukunft hat.
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