Von Uli Gellermann
Schon die Titelseite des Focus-Nachrichtenmagazins schreit den Leser an: "Der Ernstfall – Was, wenn Putin uns angreift?" Die Titelschreierei hat zwar noch ein Fragezeichen, macht aber mit dem Titelfoto klar, worum es geht: Ein fetter Stahlhelm ist über den Reichstag gestülpt und der "Ernstfall" kann nur mit Kriegsfall übersetzt werden. Schnell kommt die Chefredakteurin des Burda-Blattes, Franziska Reich, auf den Punkt:
"Die Militärs beziffern ihren Bedarf für Aufrüstung auf 300 Milliarden Euro bis 2030."
Wer das Reich schon im Namen trägt, muss sich nicht mit Quellen oder Beweisen aufhalten.
Ist der Feind bekannt, hat der Tag Struktur
"Wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur", sagte der einst kritische Volker Pispers, und nach diesem Rezept verfährt der Focus. Man schreibt vom "verbrecherischen Wesen" des "Putin-Regimes". Das Wort "Verderben steht für Russland" und weiter im Text der primitiven Russophobie findet sich der "gemeinsame Wunsch aller": Die Bundeswehr möge "die Deutschen vor Putin schützen". Wer jetzt nach Anzeigen der Panzerschmiede Rheinmetall oder des Rüstungskonzerns MBB sucht, guckt vergeblich. Der Focus ist versessen auf die Rakete Arrow 3, eine israelische Wunderwaffe für Deutschland".
Wunderwaffen für die Bundeswehr
Wunderwaffen? Das waren doch die Waffen aus den letzten Tagen des Hitler-Reiches. Diese sollten die Nazi-Verbrecher vor den Russen retten, die damals noch sowjetische Bürger waren. Wie man weiß, hat es nicht geklappt. Trotzdem ist Frau Strack- Stahlhelm-Zimmermann "sehr erleichtert", wie uns der Focus-Artikel mitteilt. Schließlich ist die aktuelle Wunderwaffe mit vier Milliarden Euro geradezu ein Schnäppchen. Und wenn Arrow 3 nicht hilft, dann hätte man ja für den totalen Krieg noch die Patriot-Raketen. Denn, so die Redaktion besorgt: "Droht eine Offensive aus dem Osten nicht schon morgen?"
BURDA - reich geworden durch "Entjudung"
Da kann uns auch Claudia Major nicht beruhigen. Sie ist seit 2010 Mitglied im Beirat "Zivile Krisenprävention und Friedensförderung" der Bundesregierung: "Einen Angriff Moskaus auf NATO-Territorium kann man nicht ausschließen." Wer sich fragt, wo die Wurzeln der aggressiven Kriegspropaganda des Focus wuchern, der muss sich nur in der Vergangenheit des Burda-Blattes umsehen: Im April 1933 betonte Franz Burda, der Ahnherr des Verlages, die nationalsozialistische Gesinnung seines Betriebs. Er erklärte, keine jüdischen Mitarbeiter oder Gesellschafter zu haben. Während der Arisierung (auch "Entjudung" genannt) nutzte Burda im September 1938 die Gelegenheit, die Druckerei der Gebrüder Bauer in Mannheim günstig zu kaufen. Auch deshalb konnte er Landkarten für das Oberkommando des Heeres und Luftbilder in mehrfarbigem Tiefdruck für die Luftwaffe herstellen.
Befreiung Europas von den Nazis
Den wesentlichsten und blutigsten Beitrag zur Befreiung Europas von den Nazis leistete die Sowjetunion. Jener Staat, den die Deutschen überfallen hatten. Es war die russisch geprägte Rote Armee, die zum Beispiel das KZ Auschwitz befreite. Ein Faktum, das heute gern verschwiegen, unterdrückt wird. Diese Befreiung können die Nazi-Erben in Deutschland den Russen bis heute nicht verzeihen.
Vom Unterdrücken der Geschichte ist die Revision der Geschichte nicht weit entfernt: Ein NATO-Sieg über Russland wäre für die deutschen Erben eine gründliche Revision. Wer mit diesen Gedanken spielt, sollte sich daran erinnern, wie der letzte Krieg gegen die Russen ausgegangen ist. Einen weiteren Versuch würden die Deutschen nicht überleben. Und vom Focus würde nicht mal mehr genug Papier übrig bleiben, um sich den Arsch damit abzuwischen.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstveröffentlichung des Beitrags war am 31. August 2023 auf der Online-Plattform www.rationalgalerie.de.
Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern begründen seine Medienkritik. Er ist Betreiber der Internetseite rationalgalerie.de.