Von Mirko Lehmann
Heutzutage aber ist Schluss mit lustig, dafür auch von Scham wenig zu spüren. Denn nun ist der Söder Markus selbst beim Elchtest durchgefallen. Getreu der Devise "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selbst welche". Von F. W. Bernstein hat Söder möglicherweise noch nie etwas gehört. Muss er auch nicht, schließlich hat Söder als Landesvater von Bayern immer nur Ernstes und Staatstragendes im Sinn.
Wie am Dienstag zu erfahren war, hat der bayerische Ministerpräsident seinem Stellvertreter Hausaufgaben aufgegeben. Seit Tagen kennt Bayern, nein, die ganze Republik nur noch ein einziges Thema, ein Schul-Thema: gewisse Flugblätter im Schulranzen des 16-jährigen Hubert, eben dem Aiwanger Hubert. Deshalb jetzt die Hausaufgaben.
Und am 8. Oktober stehen in Bayern schließlich Landtagswahlen an. Da muss das Wahlvolk doch wissen, was das für einer ist, dieser Aiwanger Hubert. In letzter Zeit hat man ja so einiges von dem gehört. Auch, dass der Söder als Landesvater noch einmal, nur noch ein einziges Mal, Gnade vor Recht hat ergehen lassen. "Vorerst", wie es heißt, darf der Aiwanger Minister bleiben. Söder ist schließlich nachsichtig – Aiwanger gleich zu entlassen, das wäre "ein Übermaß". So gerecht geht es in Bayern zu.
Nur sollte sich der Aiwanger Hubert die mahnenden Worte des Landesvaters hinter die Ohren schreiben: "Das ist aber kein Freispruch und kein Freibrief." Der Eintrag im Klassenbuch steht also. "Es darf jetzt nichts mehr dazukommen", so der landesväterliche Söder, sonst ist die Versetzung ins nächste Kabinett gefährdet.
Damit es nicht zum Schlimmsten kommt, muss der Aiwanger jetzt beweisen, dass er ehrlich und unschuldig ist – und kein Nazi. 25 Fragen hat er als Hausaufgaben aufbekommen, die er dem strengen, aber gerechten Landesvater schriftlich beantworten muss.
Zurück zu den Wahlen: Der Söder ist ganz gewiss gegen Kommunisten, Rechtsextreme und Populisten. Das hat er gerade gestern wieder in Landshut gesagt. Sonst wäre er ja auch nicht der Landesvater von Bayern geworden. Und als solcher hat er immer nur Seriöses im Sinn, siehe oben.
Trotzdem hat er sich gestern ausnahmsweise einmal etwas erlaubt. Sozusagen ein Späßchen. Zufällig über seinen Stellvertreter, denn der Söder war ja in dessen Wahlkreis zu Besuch, in einem Bierzelt. Da darf man als Ministerpräsident auch einmal auf die Pauke hauen, rein rhetorisch gesprochen. Die Zuspitzung muss doch erlaubt sein. Satire darf doch schließlich alles, oder? Nur damit alle verstehen, worum es geht, es waren doch 800 Leute da.
Und da hat der Söder Markus, damit alle begreifen, wer gemeint ist, ein bisschen mehr als sonst das R gerollt und ist auch ein bisschen lauter als sonst geworden. Hat eindeutig herum gestikuliert, bloß damit es alle verstehen. Auch der seriöse Deutschlandfunk hat darüber berichtet, damit es alle wissen: Der Söder hat den Adolf Hitler "imitiert". Angespielt hätte er aber, heißt es, auf den Aiwanger Hubert, obwohl dessen Name kein einziges Mal gefallen sei. Das war auch nicht nötig, schließlich befand man sich in ja dessen Wahlkreis. So brauchte der Landesvater, der einen braunen Trachtenjanker trug, auch nur ein wenig zu "imitieren", und das hatte genügt, damit ihn alle verstanden.
Nun lässt Söder einen CSU-Sprecher dementieren, dass die "aus der Bierzeltrede in Landshut gezogenen Vergleiche" selbstverständlich "vollkommen abwegig" seien. Mit "aktuellen Entwicklungen" habe die "aus dem Zusammenhang gerissen Redepassage" rein gar "nichts zu tun", sei gar "seit Längerem unverändert" – also gewissermaßen ein Versatzstück aus der Konservendose.
Aber was für ein zartfühlender Mensch der bayerische Landesvater bei aller nötigen Strenge doch ist! Da kann der Aiwanger Hubert nur von Glück reden, dass er solch einen prächtigen Chef hat, der Gnade walten lässt, und ihn nur ein bisschen in Hitler-Manier verhöhnt. Andere kommen da nicht so leicht davon.
So kann es durchaus passieren, dass bayerische oder österreichische Politiker, und auch saupreußische Publizisten eine Anzeige vom Söder Markus kassieren, bloß weil sie einmal das Wort "Södolf" in den Mund genommen oder geschrieben haben. Wie konnten sie bloß darauf kommen?
Hatte nicht ein Sprecher Söders erklärt:
"Selbst in der politischen Auseinandersetzung gibt es Grenzen: Die Bayerische Staatskanzlei lehnt jede Form von Nazi-Parolen und rechtsextremistischer Verleumdung entschieden ab."
Fazit: Ein wegen "Södolf" beleidigter Söder lässt seine Hitler-Imitation vom Vortag dementieren, hat aber 25 Fragen an seinen Stellvertreter Aiwanger wegen eines 36 Jahre zurückliegenden Schul-Vorfalls. Das System dreht hohl – wie die Räder eines kippenden Autos beim Elchtest. Ob das System aber noch wieder, und zwar unfallfrei, solide Bodenhaftung bekommt, scheint mit jedem Tag, an dem der polit-mediale Irrsinn fortdauert, fraglicher.
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