Von Susan Bonath
Seit vielen Jahren steigt in Deutschland die Kinderarmut. Nun endlich werde man dem abhelfen, und zwar mit einer Kindergrundsicherung. Dies verewigte die "Ampel" auf Druck von SPD und Grünen gegen den Willen der FDP vor knapp zwei Jahren in ihrem Koalitionsvertrag.
Nach wochenlangen internen Schein-Streitereien präsentierte die Ampel nun das Ergebnis: 2,4 Milliarden Euro soll der Bund dafür ab 2025 ausgeben, zusätzlich zum Kindergeld. Das klingt vielleicht viel, ist angesichts des Ausmaßes der Armut aber eher eine Verhöhnung. Mehr noch: Den meisten bedürftigen Familien wird der Staat die Mini-Zusatzbeträge mutmaßlich an anderer Stelle wieder abziehen.
Worum geht es?
Zunächst: Die Kindergrundsicherung soll perspektivisch das Kindergeld ersetzen oder zumindest dafür sorgen, dass alle staatlichen Leistungen für Kinder von einer Behörde bewilligt werden. Nach wie vor sollen alle Familien, auch die superreichen, monatlich das Kindergeld als Sockelbetrag erhalten.
Derzeit gibt es 250 Euro im Monat pro Kind. Für das Kindergeld gab der Bund im Jahr 2022 knapp 50 Milliarden Euro aus. Insgesamt lebten Ende letzten Jahres etwa 14,25 Millionen Kinder in Deutschland.
Die 2,4 Milliarden Euro sind demnach dafür gedacht, solchen Familien, die unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze leben, einen Zuschuss zum Kindergeld obendrauf zu packen. Die Höhe soll sich an der Bedürftigkeit orientieren, also am tatsächlichen Einkommen.
Peanuts für Millionen arme Kinder
Das Problem dabei: Es gibt ziemlich viele Kinder, die in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze leben. Laut Statistischem Bundesamt waren im vorigen Jahr 3,1 Millionen (21,6 Prozent) Minderjährige davon betroffen. Es dürfte darüber hinaus zusätzlich eine Dunkelziffer geben.
Sollte das 2,4-Milliarden-Euro-Paket nun wie geplant durchkommen und nimmt man an, es würde ab 2025 auf 3,1 Millionen arme Kinder aufgeteilt, so bekäme jeder betroffene Minderjährige im Schnitt 768 Euro pro Jahr, also 64 Euro pro Monat zusätzlich – vorausgesetzt, von der Gesamtsumme würde nichts in den Verwaltungsapparat fließen.
Springers Welt online schreibt sogar von "bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohten Familien", ohne jedoch zu sagen, wie viele Kinder in diesen Familien leben. Sollten 2025 so viele Haushalte tatsächlich Anspruch auf einen Zusatzbetrag über die Kindergrundsicherung haben, stünden jeder Familie im Mittel gerade einmal 429 Euro pro Jahr, also knapp 36 Euro pro Monat mehr zu.
Wird die "Wohltat" vom Bürgergeld abgezogen?
Man muss keinen Professorentitel besitzen, um zu erahnen, dass sich mit den Mini-Hilfen an der Kinderarmut in Deutschland nicht viel ändern kann. Aber es könnte noch dicker kommen: Sehr viele Bedürftige werden nach heutiger Gesetzeslage überhaupt nichts von den Zusatzbeträgen haben. Denn Kindergeld, Unterhalt und sonstige Leistungen für Minderjährige werden auf das Bürgergeld angerechnet.
Laut der Bundesagentur für Arbeit lebten im Juli knapp 5,8 Millionen Menschen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, lediglich 3,94 Millionen davon waren erwerbsfähig. Bei den nicht Erwerbsfähigen handelt es sich in aller Regel um Kinder. Das bedeutet: Gut 1,8 Millionen Minderjährige befinden sich derzeit in Haushalten, die mindestens mit Bürgergeld aufstocken müssen. Die Zahl ist seit vielen Jahren konstant. Der Bertelsmann-Stiftung zufolge wuchsen 2021 etwa 45 Prozent dieser Kinder bei Alleinerziehenden auf.
Mit anderen Worten: Ohne Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches, welches das Bürgergeld und damit die Anrechnung aller Kinderleistungen regelt, werden fast zwei Millionen bedürftige Minderjährige keinerlei Mehrwert von der geplanten "Wohltat" der "Ampel"-Regierung haben, weil die Jobcenter das Geld ihren Eltern vom Budget wieder abziehen. Die "Ampel" hat somit wieder einmal Schaum geschlagen und viel heiße Luft produziert, ohne etwas am Problem zu ändern – nichts Neues also aus der Politik.
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