Von Timur Fomenko
Eine kürzlich durchgesickerte geheime diplomatische Depesche hat enthüllt, dass die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr, pakistanische Diplomaten dazu gedrängt hatten, die Absetzung von Premierminister Imran Khan anzustreben. Khan, der später in diesem Jahr aus dem Amt gestürzt wurde, war kein Unterstützer der USA oder ihrer geopolitischen Agenda. Zudem hatte er engere Beziehungen sowohl zu China als auch zu Russland angestrebt.
Khan wurde aus der Staatsführung entfernt, umgehend verhaftet und anschließend von der weiteren Teilnahme in der nationalen Politik ausgeschlossen. Daraufhin unterzeichnete Pakistan noch in derselben Woche ein neues Verteidigungsabkommen mit den USA. Damit wurden die jahrzehntealten Beziehungen zwischen Washington und der pakistanischen Militärelite bekräftigt, die seit Langem das Rückgrat des pakistanischen Staates bilden.
Das ist keine Verschwörungstheorie. Im Gegenteil: Man kann sehr leicht erkennen, was hier vor sich geht. Die USA haben in Pakistan einen subtilen Regimewechsel forciert – ein ungewöhnliches Manöver angesichts des gleichzeitigen Strebens nach einer Vertiefung der Beziehungen zu Indien. Damit werden die Ambitionen der USA deutlich, die beiden Länder gegeneinander auszuspielen, um damit Washingtons militärische Vorherrschaft über die südasiatische Region zu behaupten. Indien wird als Schachfigur im Kampf gegen China benutzt und gleichzeitig wird der strategische Aufstieg Indiens unterbunden, mit der Schachfigur Pakistan als Gegengewicht.
Zunächst müssen wir verstehen, dass die "Indopazifik-Strategie" der USA auf eines ausgerichtet ist: auf Hegemonie. Das heißt, die explizite strategische Dominanz der USA über den Pazifik und den Indischen Ozean sicherzustellen, indem der Aufstieg Chinas eingedämmt wird, aber auch sichergestellt wird, dass keine rivalisierende Macht entstehen kann. Während Indien von Washington als entscheidender Partner bei der Eindämmung Pekings angesehen wird, sollte manauch verstehen, dass dies nicht bedeutet, dass die USA damit einverstanden sind, dass Indien, eine Nation mit 1,4 Milliarden Menschen und enormem Wirtschaftspotenzial, zu einer Supermacht wird und die Kontrolle über die Region übernimmt. Eine Pax Indica ist keine Pax Americana, denn Indiens Außenpolitik basiert auf der Wahrung seiner strategischen Autonomie und der Doktrin "Nachbarschaft zuerst".
Während die Spannungen zwischen Indien und China hoch sind, ist die größte, direkteste und historische militärische Bedrohung für Indien natürlich sein Nachbar Pakistan. Traditionell unterhält Washington eine sehr enge militärische Beziehung zu Islamabad, da das Land ein Verbündeter im Krieg gegen den Terror in Afghanistan war und zudem ein großer Abnehmer von US-Militärausrüstung ist. Indien hingegen ärgerte sich immer über die Unterstützung Pakistans durch die USA, was einer der Gründe dafür war, dass sich die beiden Länder seit Anfang der 2000er Jahre nie allzu sehr annäherten. Als sich jedoch das strategische Umfeld veränderte, zog es Pakistan zu China und Indien zu den USA. Peking wurde durch die Belt and Road Initiative zum größten wirtschaftlichen Unterstützer Islamabads und versuchte, den China-Pakistan Wirtschaftskorridor (CPEC) als neue Route zum Indischen Ozean zu etablieren, um die von den USA militarisierten Gewässer und den indischen Subkontinent selbst zu umgehen.
Unter der Führung von Imran Khan nahm die Außenpolitik Pakistans zunehmend eine antiwestliche Ausrichtung ein. Er begrüßte China in jeder Hinsicht, distanzierte sich von den USA und verstärkte gleichzeitig die Verteidigungsbeziehungen zu Peking. Darüber hinaus strebte Khan auch engere wirtschaftliche Beziehungen zu Russland an, nachdem er just am Tag des Beginns der Militäroperation in der Ukraine in Moskau zu Besuch gewesen war. Da Pakistan jedoch ein dermaßen geostrategisch wichtiges Land ist, empfanden die USA die außenpolitische Ausrichtung Pakistans zunehmend als störend für ihre eigenen Interessen und forcierten daher die Absetzung von Khan. Obwohl sich die Beziehungen der USA zu Indien gleichzeitig vertieft haben, ist Washington nicht daran interessiert, auf dem indischen Subkontinent eine "Entweder-Oder"-Situation zu schaffen, in der die USA Indien und China Pakistan unterstützen. Vielmehr geht es darum, zu spalten und zu herrschen.
Die Existenz Pakistans, einer Nation mit über 200 Millionen Einwohnern und Atomwaffenkapazitäten, ist ein nützliches militärisches und strategisches Bollwerk gegen ein übermächtiges Indien. Indien ist vielleicht größer als Pakistan und wird auf lange Sicht natürlich auch das erfolgreichere Land sein, aber Pakistan wird immer eine starke Bedrohung für Indien darstellen, die nie vollständig beseitigt werden kann. Warum sollte Pakistan – in den Augen von US-Strategen – ausschließlich Chinas strategischer Vorteil sein?
Was die USA wollen, ist, gute Beziehungen sowohl zu Pakistan als auch zu Indien zu pflegen, damit sie diese gegeneinander ausspielen und dann entsprechend davon profitieren können. Die USA unterstützen möglicherweise derzeit proaktiv Indien, aber es sollte bekannt sein, dass dies nicht bedeutet, dass Washington einem Aufstieg Indiens zum regionalen Rivalen tatenlos zusehen wird, wenn die einzig akzeptable Vision der USA für die Welt die Unipolarität ist, mit ihnen als Hegemonialmacht.
Sollte es den USA gelingen, China einzudämmen und strategisch unterzuordnen, dann wird Indien ihr nächstes Ziel sein. Und wie wird Washington dabei vorgehen? Sie werden starke Beziehungen zu allen Nachbarn Indiens aufbauen und dann das Narrativ in die Welt setzen, dass Indien ein regionaler "Tyrann" und "Aggressor" ist. Dieses Narrativ werden sie dafür nutzen, um ihre militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Indiens Nachbarn zu vertiefen. Und wer wird ganz oben auf der Liste stehen? Pakistan natürlich. Die USA sichern ihre Macht, indem sie kleine Länder gegen große unterstützen und sich dann als Verteidigungs- und Sicherheitsgarant präsentieren.
Deswegen haben die USA die Absetzung von Imran Khan forciert und ihre Verteidigungsbeziehungen zu Pakistan bekräftigt. Washington will kein Pakistan, das ein Partner Russlands und Chinas und ein globaler Fürsprecher der Muslime ist. Es will, dass Pakistan und Indien miteinander konkurrieren und dabei von den USA gelieferte Ausrüstung nutzen und sich dann als Friedensstifter, Retter in der Not und letztlich als Oberherrscher darstellen.
Übersetzt aus dem in Englischen.
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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