Von Anton Gentzen
Es war einmal vor langer, langer Zeit eine pazifistische Partei in Deutschland. Gegründet von Friedensbewegten, wandte sie sich gegen Atomwaffen auf deutschem Boden, baute Brücken der Volksdiplomatie in die DDR und in die Sowjetunion, forderte die Auflösung der NATO und war strikt gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete. Der typische Grüne jener Zeit war Wehrdienstverweigerer. Das gefährlichste Werkzeug, das er anzufassen bereit war, war die Stricknadel.
Zwei Regierungsbeteiligungen und zwei grüne Außenminister später ist alles ganz anders. Falls es jemand vergessen hat: Schon der erste grüne Außenminister hat einen blutigen Krieg in Europa maßgeblich mit angezettelt und schäumte vor Hass gegen ein europäisches Volk. "Joschka" Fischer war sein Name und das ihm und anderen Grünen damals verhasste Land hieß Jugoslawien.
Mit dem zweiten grünen Versuch, die deutsche Außenpolitik zu bestimmen, wiederholt sich das Muster. Eben noch im Wahlkampf Plakate geklebt, auf denen "Keine Waffen in Kriegsgebiete" stand, sind es heute ausgerechnet die Anhänger und Wähler der Grünen, die am kriegslüsternsten sind und am lautesten die Lieferung von Waffen aus deutscher Produktion an die Ukraine ‒ und damit die weitere Tötung von russischen Soldaten und von Zivilisten vieler Ethnien im Donbass ‒ fordern.
Diese Woche ließ der ARD-Deutschlandtrend sein beauftragtes Meinungsforschungsinstitut nach der Einstellung der Deutschen zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in das Kriegs- und Bürgerkriegsland Ukraine fragen. Die Mehrheit der Deutschen ist dagegen. Selbst im traditionell russenfeindlicheren Westen findet sich keine Mehrheit für das mörderische Ansinnen: Dort sind 40 Prozent für die Lieferung, im Osten sind es nur 21 Prozent.
Die Ablehnung überwiegt quer durch die deutsche Parteienlandschaft, mit zwei exponierten Ausnahmen. 68 Prozent der Grünen-Wähler sind für die Lieferung, nur 23 Prozent dagegen. Bei Anhängern der FDP ist mit 56 Prozent ebenfalls eine Mehrheit für die Lieferung, was bei keiner anderen Bundestagspartei der Fall ist. Die geringste Zustimmung findet sich mit 18 Prozent unter den Wählern der AfD.
Das ist übrigens bei weitem nicht das erste Anzeichen dessen, dass die einst pazifistischen Grünen längst verwelkt und inzwischen auch verwest sind. Die deutsche Justiz überzieht jeden, der in den Zuständen heute Parallelen zu gewissen Zügen des Nazi-Regimes in den 1930ern sieht, mit Strafverfahren. Kein Ermittlungsverfahren gibt es hingegen gegen den grünen Promi Jürgen Trittin, der in einer Bundestagsdebatte im Februar dieses Jahres (und auch sonst immer wieder in Presse, Fernsehen und anderweitig öffentlich) das russische Vorgehen in der Ukraine mit dem Vernichtungsfeldzug Hitlerdeutschlands gegen die Sowjetunion gleichsetzte.
Nicht nur verglich, sondern ausdrücklich gleichsetzte! Den deutschen Vernichtungskrieg, bei dem allein das deutsche Bombardement Stalingrads an einem Tag im August 1942 fünfmal mehr Leben von Zivilisten (40.000 nach den vorsichtigsten der Schätzungen) forderte, als seit dem 24. Februar 2022 auf beiden Seiten insgesamt Zivilisten ums Leben gekommen sind. Und in den vier Jahren des Großen Vaterländischen Krieges kamen auf dem Territorium der Sowjetunion über 14 Millionen Zivilisten ums Leben. Die meisten nicht als "Kollateralschäden" (ein US-geprägter Begriff), sondern vorsätzlich und zielgerichtet ermordet.
Nach dem neuesten Update des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom 31. Juli 2023 zählte man 9.369 zivile Todesfälle, davon fast 5.000 im Donbass. Das ist fürchterlich und ein guter Grund, ein baldiges Ende der Kriegshandlungen ‒ und zwar auch des zielgerichteten ukrainischen Beschusses von Donezk, Makejewka und Gorlowka ‒ zu fordern. Doch genau das fordern die Grünen, Trittin vorneweg, nicht. Sie wollen einen bedingungslosen Sieg der Ukraine, der EU und der NATO über Russland und die Menschen im Donbass. Um jeden Preis, den nach ihrem Willen die beiden ehemals sowjetischen Völker zahlen müssen.
Die 5.000 zivilen Opfer des Donbass kommen übrigens zu den 15.000 zwischen 2014 und 2022 durch tägliche ukrainische Bombardements hinzu. Opfer, zu denen Trittin in den acht Jahren kein einziges Wort verlor.
Wann kommt die Staatsanwaltschaft in Trittins Haus mit einer Hausdurchsuchung? Verdient hat es der mit seinen Vergleichen Hitlers Verbrechen relativierende Sohn eines SS-Offiziers, anders als Professor Rudolph Bauer, den sie gestern heimsuchte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat jemand, die Urheberschaft ist nicht zweifelsfrei geklärt, prophezeit:
"Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus."
Mit den deutschen Grünen ist diese Prophezeiung in Erfüllung gegangen. Aus Grün wird im September Gelb, aus Gelb wird im Oktober Braun. Die Natur kann man nicht belügen.
Mehr zum Thema - Presseschau: Auf Leopard folgt Taurus – Die deutsche Logik der Eskalation