Von Timur Fomenko
Ende vergangener Woche setzte die chinesische Küstenwache auf einer Fahrt, die den militärischen Nachschub im Südchinesischen Meer gewährleisten sollte, Wasserwerfer gegen philippinische Schiffe der Küstenwache ein, um sie abzudrängen. Die philippinische Regierung bezeichnete diesen Vorfall, der sich in umstrittenen Gewässern ereignete, als "illegal und gefährlich".
Peking beansprucht unter Berufung auf einen historischen Präzedenzfall das gesamte Südchinesische Meer als sein eigenes Territorium. Dies führt zu sich überschneidenden Ansprüchen mit einer Reihe anderer südostasiatischer Staaten, während die USA diese Thematik als primären Aspekt der militärischen Dynamik ihrer Eindämmungsstrategie gegen China aufgegriffen haben.
Obwohl es angesichts des Ausmaßes des chinesischen Anspruchs auf das Südchinesische Meer und der Tatsache, dass China in der Region der größte Akteur ist, naheliegend erscheint, China als den Aggressor zu beschuldigen, sollte man die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass Staaten wie die Philippinen solche Vorfälle absichtlich herbeiführen, um die Spannungen zwischen China und den USA zu verschärfen. Erstens kommt es in Asien nur sporadisch zu Territorialstreitigkeiten. Dies liegt daran, dass die geopolitische Landschaft Asiens nach dem Zweiten Weltkrieg nicht Gegenstand einer allumfassenden Lösung war, wie sie in Westeuropa implementiert wurde. Vielmehr bedeuteten die Interessen der US-Hegemonie, Japan in einen Vasallen zu verwandeln – bei gleichzeitigem Siegeszug des Kommunismus in China –, dass keine regionale Versöhnung stattfinden konnte. Historische Streitigkeiten und Missstände blieben stets als Stolpersteine im Raum stehen.
Infolgedessen sind maritime Gebiete wie das Südchinesische Meer und das Ostchinesische Meer bis heute heiß umstritten. Doch allein die Existenz dieser Streitigkeiten bedeutet nicht zwangsläufig, dass es ständig zu Spannungen kommt. Eine bestimmte Streitigkeit kann in den Hintergrund geraten, aber auch aus innenpolitischen Gründen wieder angeheizt werden, um sie erneut ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dafür gibt es genügend Beispiele, wie etwa die Streitigkeiten zwischen Südkorea und Japan um die Dokdo-Inseln, die in Japan Takeshima-Inseln genannt werden. Man bedenke, dass die US-freundliche Regierung des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol dieses Problem kaum jemals erwähnt hat, im Gegensatz zur liberaleren Regierung von Moon Jae-in. Dasselbe gilt für diverse Insel-Atolle im Südchinesischen Meer sowie in der Taiwan-Frage und bei den Streitigkeiten um die Inselgruppe Diaoyu bzw. Senkaku.
Derzeit befinden sich die Philippinen wieder auf einem stark pro-amerikanischen Kurs. Nach der Herrschaft von Rodrigo Duterte, der geopolitisch ambivalenter war, wandte sich sein Nachfolger, Präsident Ferdinand Marcos Jr., wieder Washington zu und unterzeichnete eine Vereinbarung zur Ausweitung der US-Militärpräsenz in seinem Land und gewährte damit den USA die Errichtung von drei weiteren militärischen Stützpunkten. Während Duterte Frieden und Versöhnung mit China suchte, neigt die neue philippinische Regierung dazu, Zwischenfälle mit China zu inszenieren, um damit Peking zu provozieren und von dort eine Reaktion auszulösen. Dabei werden umstrittene Gebiete militarisiert, was China dann dazu zwingt, sich zu "verteidigen". Solche auf diese Weise zunehmenden Spannungen spielen in den Kalkulationen Washingtons eine große Rolle. Solche Spannungen bieten den USA einen Grund, ihre Militärpräsenz in der Region zu verstärken, weitere Länder in ihren Einflussbereich zu ziehen und China als Aggressor darzustellen.
Trotz der territorialen Ansprüche Chinas beruht der Erfolg Pekings in solchen Situationen tatsächlich darauf, Eskalationen zu vermeiden und stattdessen Fortschritte bei der friedlichen Beilegung der Streitigkeiten im Südchinesischen Meer zu erzielen, beispielsweise durch die Einführung eines Verhaltenskodex in der regionalen Seefahrt. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, wenn alle beteiligten Parteien ihre jeweiligen Positionen stark nationalistisch prägen und jegliche Zugeständnisse als Zeichen von Schwäche werten. Hierin liegt Chinas Achillesferse. So sehr Chinas Anspruch auf das Südchinesische Meer – der ironischerweise von Taiwan geteilt wird – schon bestanden hat, noch bevor die Volksrepublik ausgerufen wurde, so sehr hat Peking kaum Spielraum mehr für Kompromisse, wenn es willkürlich darauf besteht, dass die gesamte Straße von Taiwan zum chinesischen Territorium gehört und damit unter die "nationale Souveränität" fällt.
Diese Haltung macht es für die USA sehr einfach, die Gesamtsituation auszunutzen und einen Keil in die Beziehungen zwischen den Staaten in Ost- und Südostasien zu treiben und den Aufbau friedlicher Beziehungen zu stören. Da der Westen immer feindseliger wird, sind diese regionalen Nachbarn wichtiger für Chinas eigene Handels- und Wirtschaftsinteressen geworden. Washington ist jedoch entschlossen, diese im Namen seiner Indopazifik-Strategie wo immer möglich zu durchkreuzen und den Ländern dieser Region anschließend seine eigene Hegemonie aufzuzwingen. Dies geschieht nicht durch Handel oder Diplomatie, sondern dadurch, dass Washington regionale Spannungen schafft, um sich dann als Sicherheitsgarant zu präsentieren. Dies geht umso einfacher, wenn Staaten wie die Philippinen sich als Wasserträger anbieten.
All dies bedeutet, dass Peking letztlich in seiner Diplomatie Fingerspitzengefühl an den Tag legen und sich stets zurückhaltend verhalten muss. Ansonsten werden immer mehr ausländische Flotten in der Region aufkreuzen.
Übersetzt aus dem Englischen.
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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