Von Dagmar Henn
In Deutschland kommt es erst noch, das Gebäudeenergiegesetz, und die Brüsseler Vorgaben, Wohnungen der untersten Kategorien, also mit dem höchsten Heizenergieverbrauch pro Quadratmeter, zu verbieten, drohen erst in der Zukunft. In Frankreich kann man diesen Teil des "Klimaschutzes" bereits umgesetzt sehen; seit dem ersten Januar dieses Jahres ist es verboten, Wohnungen oder Gebäude neu zu vermieten, deren Einstufung schlechter als G ist; ab 2025 soll das Gleiche dann auch für die Kategorie G gelten. Die EU-Richtlinie, die in diesem Bereich unterwegs ist, sieht vor, dass ab 2030 nur noch Energieeffizienzstufe D oder besser vermietet werden darf. Damit würden die bisherigen französischen Regelungen, die das erst 2034 vorsehen, noch weiter verschärft.
Nun sehen diese Kategorien in den verschiedenen Ländern völlig unterschiedlich aus. Was aber allen europäischen Ländern gemein ist: Diese Vorschriften verringern das Angebot an Wohnungen weiter, und sie tun es wieder einmal vor allem im Sektor der günstigen Wohnungen.
Schätzungen besagen, dass in Frankreich 140.000 Wohnungen und zusätzlich noch 51.000 Sozialwohnungen betroffen sind, die damit dem Markt entzogen wurden. Das Ergebnis: Die Eigentümer jetzt oder demnächst betroffener Immobilien versuchen, sie zu verkaufen. Gleichzeitig fallen die Preise.
Wenn man in Frankreich alle Wohnungen und Häuser zusammenrechnet, die bis 2030 für "unvermietbar" erklärt würden, kommt man insgesamt auf 4,8 Millionen. Das entspricht etwa der Anzahl der Wohnungen, die in Deutschland 1945 zerstört oder schwer beschädigt waren. Ein solcher Eingriff in die Wohnungsversorgung ist eine soziale Gewalttat.
Die Probleme in der Bauwirtschaft sind in Frankreich die gleichen wie in Deutschland: Baumaterial ist deutlich teurer geworden in den letzten Jahren, die Zinsen steigen und die erforderlichen Handwerker sind knapp. Die Vorgabe, die Wohnungen auf eine bessere Effizienzstufe zu sanieren, ist also schwer zu erfüllen. Noch schwerer wird es dadurch, dass die Preise für die Immobilien deutlich fallen. "Immobilien mit niedrigen Energienoten werden mittlerweile zwischen drei und 25 Prozent heruntergehandelt," schreibt das Handelsblatt, aber damit könnte es die Wirkung unterschätzt haben. Für Deutschland bescheinigt der Immobilieninvestor JLL für Immobilien der Kategorien G und H für das erste Quartal 2023 einen Abschlag von 28,1 Prozent, also deutlich mehr, als das Handelsblatt vermutet.
Das Problem dabei: Mit Ausnahme großer Immobilienbesitzer erschwert dieser Preisverfall auch die Möglichkeit, überhaupt an Kredite zu kommen, um energetisch zu sanieren; abgesehen davon, dass wie in Deutschland ältere Bürger ohnehin sehr schlechte Chancen bei den Banken haben. Und dank der Marktlage ist eine Sanierung selbst beim besten Willen oft nicht machbar.
Nun will die französische Regierung die Daumenschrauben noch ein wenig enger ziehen und den Verkauf nicht sanierter Wohnungen weitgehend untersagen. Wobei in Frankreich die Mieterquote im Vergleich zu Deutschland niedrig liegt, nur 35 Prozent wohnen dort nicht in eigenem Wohnraum. Aber das heißt gleichzeitig, dass die Zahl der Wohnungs- oder Hausbesitzer, die sich bisher nur dank der eigenen Immobilie über Wasser halten konnten, noch deutlich höher ist als in Deutschland.
Als die Gebäudeenergiestufen eingeführt wurden, lautete das Argument dafür, Mieter und Käufer würden dadurch besser informiert, welche Heizkosten auf sie zukämen. Das wirkte erst einmal vernünftig; nur hat man es nie wirklich hinbekommen, die Bestimmung dieser Stufen wirklich verlässlich zu gestalten. "Ein Haus in Brüssel, das auf der Energieeffizienzskala mit G bewertet wird, kann in Flandern mit F, E oder sogar D bewertet werden", bestätigte noch 2021 ein Mitarbeiter von Agora Energiewende. Bei solchen Unterschieden, die sich über eine technisch nicht normierte Einstufung ergeben, eröffnet sich ein entsprechender Markt für Korruption – eine Nebenwirkung, die den Brüsselern öfter mal so passiert.
Die Einstufung ist also nicht nur von Land zu Land extrem unterschiedlich, sie ist auch innerhalb der Länder selbst alles andere als eine zuverlässige Aussage, selbst wenn man die Tatsache völlig ignoriert, dass der ganze Zirkus auf der Klimaideologie beruht, also streng genommen in etwa einem Versuch gleichkommt, Wohnungen wegen Poltergeistbefalls vom Markt zu nehmen oder wegen eines schweren Verstoßes gegen die Regeln des Feng Shui.
Kleine Wohnungen sind in Frankreich übrigens weit häufiger unter den schlecht isolierten zu finden. Wohnungen mit weniger als 30 Quadratmetern finden sich zu einem Drittel in den Kategorien F und G, aber nur 13 Prozent der Wohnungen mit mehr als 100 Quadratmetern.
Schon am 1. Juli vergangenen Jahres trat in Frankreich ein Verbot für den Verkauf neuer Öl- oder Kohleheizungen in Kraft. Der Wahn, für den das deutsche Gebäudeenergiegesetz steht, ist also bei Weitem nicht auf Deutschland beschränkt.
Manche Immobilienbesitzer versuchen, den Hals aus der Schlinge zu ziehen, indem sie ihre Wohnungen zu Ferienwohnungen erklären und nur noch über Air B&B anbieten. Bisher sind solche Wohnungen von der Regel ausgenommen. Aber auch das steht auf der Kippe; und wer die Regierung Macron in den letzten Jahren beobachtet hat, weiß auch, dass sie selbst große soziale Proteste erst niederknüppelt und dann ignoriert. Es wird also nicht einfach werden, dieser Falle zu entrinnen.
Deutlich sichtbar dürften die Folgen im Herbst werden, wenn an den Universitäten das Wintersemester beginnt. "Studenten und Geringverdiener sind von den neuen Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt besonders betroffen, weil kleine Wohnungen oft unter dem Dach liegen und wenig isoliert sind", schreibt das Handelsblatt. Gleichzeitig stehen die Wohnungen, die nicht mehr vermietet werden dürfen, oft leer, weil sich kein Käufer findet. Überhaupt führt das Bündel an Regelungen derzeit zu einer derart hohen Verunsicherung selbst bei jenen, die sich eine Wohnung kaufen könnten, dass der Anteil der Mieter in Frankreich steigt.
Diese politischen Beschlüsse ließen sich vielleicht, aber nur vielleicht kompensieren, wenn die Lage auf dem Wohnungs- wie dem Immobilienmarkt entspannt wäre. Aber die Baukosten sind im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gestiegen, die Nachfrage nach neuen Häusern ist um ein Drittel gefallen. Die Zinspolitik der EZB dürfte diese Lage weiter verschärfen – wer lässt sich schon darauf ein, eine Immobilie auf Kredit zu erwerben, wenn die Zinsen tendenziell steigen, der Wert dieser Immobilie aber tendenziell nach unten geht?
Die Anspannung auf dem Mietwohnungsmarkt, die in Frankreich über das Verhältnis zwischen abgeschlossenen Verträgen und inserierten Wohnungen gemessen wird, ist im gesamten Land um 68 Prozent gestiegen, wobei sie im französischen Baskenland mit 28 Prozent am wenigsten zunahm, in Provence/Côte d'Azur mit 106 Prozent am stärksten. "Eine explosive Krise", meinte dazu die Finanzzeitung Les Echos schon im Juni.
Das Ganze hat etwas von einer Operation am offenen Herzen oder von einem sozialen Großversuch, wie viel Unsicherheit und Verarmung man im Leben der Bürger künstlich erzeugen kann. Zusammen mit all den anderen Problemen, wie der durch die Sanktionen ausgelösten Wirtschaftskrise und der Migrationskrise, ist es schon fast nicht mehr vorstellbar, dass diese Mischung ohne einen gesellschaftlichen Kollaps überstanden werden kann.
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