Von Dagmar Henn
In der ganzen Auseinandersetzung um die Klimapolitik, die gerade in Deutschland so massive Schäden anrichtet, dreht sich die Debatte meist um die grundsätzliche Frage, ob es nun einen menschengemachten Klimawandel gibt oder nicht. Das ist eine Version der Debatte, die schnell nur noch entlang des Glaubens geführt wird. Allerdings gibt es noch einen völlig anderen Ansatz, der helfen könnte, selbst die Gläubigsten zu überzeugen, dass die heutige Politik fatal ist.
Eine Studie des Macdonald-Laurier Instituts (MLI) in Kanada verfolgt einen ganz anderen Ansatz: Sie befasst sich mit der Frage, ob, gesetzt den Fall, es gebe diesen menschengemachten Klimawandel, eine Politik der Vermeidung von Kohlenstoffemissionen überhaupt die richtige Lösung darstellt. Dafür hat sie eine ganze Reihe von Detailstudien zu unterschiedlichen Aspekten zusammengefasst; Studien, die unter anderem auch von der Zentrale der Klimajünger, dem IPCC, erstellt wurden.
Die Frage lautet: Anpassung oder Vermeidung, welche Strategie ist günstiger? Alles, was augenblicklich in Deutschland passiert, folgt einer Strategie der Vermeidung. Nicht nur die Energieerzeugung, die ganze Wirtschaft, sogar die Lebensweise soll darauf ausgerichtet werden, möglichst wenig fossile Energieträger zu verwenden und möglichst wenig Kohlendioxid zu erzeugen. Die MLI-Studie sagt allerdings sehr deutlich, dass Anpassung die weitaus bessere Strategie ist.
Im Grunde ist eine solche Anpassung für die menschliche Kultur ganz normal. Historische Berichte belegen, dass im Mittelalter in England Wein angebaut wurde; heutzutage undenkbar. Ein Grasgewächs aus dem Nahen Osten wie der Weizen wurde durch kontinuierliche Zucht so weit angepasst, dass er in Mitteleuropa wächst, und der aus viel wärmeren asiatischen Gegenden stammende Reis wanderte in die Po-Ebene; alles Anpassungsprozesse, die uns in der Regel nicht einmal als solche bewusst sind. Es wäre also keine allzu große Herausforderung und vor allem auch keinerlei Bruch mit der bisherigen Entwicklung, auf Anpassung zu setzen, sollte es eine entsprechende Erwärmung geben.
Die Strategie der Emissionskontrolle, so die Studie, sei im Grunde bereits allein deshalb gescheitert, weil sich nicht alle Staaten der Welt auf diese Vorgaben verpflichten lassen.
"Wenn ein internationaler Vertrag zur Emissionskontrolle wie Kyoto oder Paris einige Regionen bindet, andere aber nicht, schafft das einen Anreiz für Industrien, deren Kosten steigen, die Produktion in die Regionen zu verlagern, die nicht teilnehmen. (...) In der ungünstigsten Version führt das, wenn Schwerindustrie von einer Region mit einer niedrigen Karbonintensität in eine mit einer hohen Karbonintensität wandert, zu einer Nettozunahme der globalen Emissionen."
Das Kyoto-Protokoll, das zu solchen Emissionskontrollen verpflichtete, habe "Firmen und Konsumenten in den beteiligten Ländern beträchtliche Kosten auferlegt, aber das Ergebnis all dieser Bemühungen – niedrigere globale Kohlendioxid-Emissionen – war statistisch von null nicht unterscheidbar."
Dabei dürfte die negative Rückwirkung sogar noch unterschätzt werden, weil die betreffende Untersuchung zwar die Verlagerung der Industrien feststellt, aber die Frage übergeht, dass in vielen Fällen von Verlagerungen auch die verwendete Technologie nicht dem aktuellsten Stand entspricht, sondern oft ein technologischer Rückschritt stattfindet, was die Emissionen noch weiter erhöhen dürfte.
Dabei erwarten auch die Klimajünger selbst nur eine sehr begrenzte Wirksamkeit all ihrer kostspieligen Eingriffe; wenn dann, wie im Falle der Kyoto-Vorgaben, selbst davon nichts mehr übrig bleibt...
Deutschland wird in diesem Artikel sogar als negatives Beispiel angeführt, mit der Reaktion im vergangenen Jahr, als auf Kohlekraftwerke zurückgegriffen werden musste, um die Energieversorgung sicherzustellen.
"Einer der weltgrößten Werber für Wind- und Sonnenkraft wandte sich also fossilen Brennstoffen zu, als er einem plötzlichen Bedarf für verlässliche und bezahlbare Elektrizität gegenüberstand, was einem stillschweigenden Eingeständnis gleichkommt, dass sein Streben nach Erneuerbaren mit Verlässlichkeit und Kosteneffektivität unvereinbar war."
Angesichts der gerade laufenden Kampagne für Hitzepanik ist das erste Beispiel von Anpassung in dem Aufsatz besonders interessant. In den USA sei von 1962 bis 2006 die Zahl hitzebezogener Todesfälle um 90 Prozent gesunken. Der Grund dafür: eine massive Verbreitung von Klimaanlagen, die es ermöglichten, die Raumtemperaturen akzeptabel zu halten; diese Form der Anpassung setzte allerdings günstige, stabil verfügbare Elektrizität voraus. Genau dies ist aber jetzt auch in den USA durch die Politik der Emissionsvermeidung und ihre Betonung der erneuerbaren Energien bedroht.
"Das deutet auf das Problem einer aggressiven Politik der Verringerung hin: Sie kann eine Anpassung verhindern und damit die Verwundbarkeit dem Wetter gegenüber erhöhen."
Auch die Landwirtschaft könne sich anpassen und würde in diesem Fall sogar mit deutlich höheren Erträgen rechnen dürfen. Schließlich erhöht ein höherer Anteil von CO2 in der Luft das Pflanzenwachstum. Im Gegensatz zu den apokalyptischen Vorhersagen, die meist in Bezug auf die Landwirtschaft kursieren (und die in völligem Gegensatz zu den Erfahrungen stehen, die beispielsweise in Treibhäusern mit einer CO2-Begasung gemacht wurden), könne die Landwirtschaft bei einer entsprechenden Anpassung der Anbaupflanzen "eine durchschnittliche Erntesteigerung in den Tropen um 2,2 Prozent ohne, aber um 9,3 Prozent mit Anpassung" erwarten, während außerhalb der Tropen mit 5 Prozent ohne, aber 12,1 Prozent mit Anpassung zu rechnen sei.
Das Fazit:
"Der Versuch, die Erwärmung auf 2,5 Grad zu begrenzen, ist schlimmer als gar nichts zu tun und sich schlicht anzupassen."
Die Vermeidungsstrategie sei schlicht teuer und ineffizient, selbst wenn die Berechnungen unter der Vorgabe stattfinden, dass die angenommene Zunahme des CO2 in der Atmosphäre ebenso eintrifft wie die angenommene Erwärmung. Selbst eine angenommene Zunahme der Sterblichkeit durch eine höhere Durchschnittstemperatur ließe sich bei steigenden Einkommen und entsprechender Anpassung auf einen statistisch unbedeutenden Wert senken.
"Einmal mehr zeigen diese Ergebnisse, dass Anpassung und wachsendes Einkommen der Schlüssel für eine wirksame Antwort auf Klimawandel sind. Aber der gegenwärtige Fokus auf eine teure Politik der Emissionsvermeidung gefährdet beides."
Wenn man aber nun davon ausgeht, dass diese Ergebnisse zutreffen – und vieles spricht dafür – und die Überlegungen, die diesen Berechnungen vorausgehen, nicht wirklich extrem ungewöhnlich und neu sind, man also davon ausgehen müsste, dass entsprechende Berechnungen auch in Institutionen wie dem IPCC gemacht wurden, woher kommt dann dieser massive Drang hin zu einer nicht nur nutzlosen, sondern sogar kontraproduktiven Politik?
Nun, es gibt Unterschiede. Eine Strategie der Anpassung würde in weit geringerem Maß Großinvestitionen erfordern wie eine Strategie der Vermeidung. All die geplanten großen Windkraftanlagen sind im Grunde Gelegenheiten, sich auf dort verbautes Geld eine staatlich garantierte Verzinsung zu holen. Wie groß der Druck ist, solche Anlagemöglichkeiten zu schaffen, war an der Privatisierung der deutschen Autobahnen zu sehen: Da ging es auch vor allem darum, Versicherungskonzernen wie der Allianz eine Möglichkeit zu verschaffen, eine jährliche Verzinsung von fünf Prozent zu ernten, ohne dafür ein wirkliches Risiko eingehen zu müssen. Gesellschaftlich gesehen ist das eine Umverteilung von unten nach oben.
Und das ist der Kern dieser ganzen Strategie. Anpassung würden weder diese Großprojekte bieten, weil viele Schritte beispielsweise beim einzelnen Landwirt erfolgen, noch eine Begründung liefern, um den Lebensstandard der Bevölkerung abzusenken. Was auch wieder keinem anderen Zweck dient, als noch mehr Geld zu den Oligarchen zu schaufeln. Andererseits erzeugt eine Strategie der Vermeidung sogar eine Art von Gefangenschaft – sind Einkommen und Lebensstandard erst einmal abgesenkt und Energie in dem Maß verteuert, wie sich das die Protagonisten vorstellen, wären selbst einfache Anpassungsmaßnahmen wie die zitierten Klimaanlagen nicht mehr möglich, weil nicht finanzierbar.
Wenn man also dem Grundgedanken der Studie folgt und davon ausgeht, dass es mit einer Strategie der Anpassung möglich wäre, einer globalen Erwärmung (so es eine solche im prognostizierten Ausmaß gibt) zu begegnen, muss man feststellen, dass das, was augenblicklich geschieht, in Deutschland wie in der EU, letztlich sogar die Voraussetzungen für die Bevölkerung, dieses Problem zu bewältigen, deutlich verschlechtert, und sich einzig dadurch auszeichnet, noch mehr Geld von unten nach oben zu schaufeln.
Für die politische Debatte in Deutschland ist das eine ungeheure Erleichterung. Es ist nämlich gar nicht nötig, den Klimajüngern nachzuweisen, dass ihre Hockeykurve eine Fiktion ist. Man muss nur darüber debattieren, ob eine Anpassungsstrategie nicht sozialer wäre. Auf dieser Ebene lässt sich auch sehr schnell herausfinden, ob von dem ganzen Gerede, man wolle "sozial abfedern", überhaupt irgendetwas ernst gemeint ist. Wobei die Befürchtung nahe liegt, dass sich zumindest die deutschen Akteure, wenn man ihnen die Wahl lässt zwischen Klimanotstand und Klimaanlagen, sich tatsächlich für den Notstand entscheiden würden.
Mehr zum Thema - Deutschlands Doppelmoral bei südafrikanischer Kohle entlarvt Berlins grünen Imperialismus