Von Andrew Korybko
Das Büro des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa gab bekannt, dass "im gegenseitigen Einvernehmen der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin nicht am BRICS-Gipfel in Johannesburg teilnehmen und stattdessen durch Außenminister Sergei Lawrow vertreten wird."
In der vergangenen Woche hat auch Südafrikas stellvertretender Präsident bereits viel über dieses Dilemma gesprochen, in dem sich sein Land gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) befindet, was im Nachhinein betrachtet den Zweck hatte, die Öffentlichkeit dazu zu bringen, mit Südafrika zu sympathisieren, nachdem das Land unter immensen westlichen Druck geraten war.
Als Unterzeichner des Römischen Statuts, das dem IStGH zugrunde liegt, wäre Pretoria verpflichtet, dem Haftbefehl des Gerichts gegen den Präsidenten Putin Folge zu leisten. Obwohl der ehemalige sudanesische Präsident Umar al-Baschir, gegen den ebenfalls ein Haftbefehl des IStGH vorlag, vor einigen Jahren bei seinem Besuch in Südafrika nicht festgenommen und ausgeliefert wurde. Aber dessen internationales Renommee und seine politische Bedeutung sind in keiner Weise mit denen des russischen Staatschefs vergleichbar, weshalb der Westen es damals für nicht vorrangig betrachtete, Südafrika wegen dieser Unterlassung einer Verhaftung zu bestrafen. Jetzt aber – im Falle von Putin – hatte der Westen allen Grund, Südafrika erneut an seine unverhältnismäßige Abhängigkeit vom Westen zu erinnern, um dort zu vermeiden, dass man durch dieses Gipfeltreffen im nächsten Monat gedemütigt wird.
Bloomberg berichtete über die Schätzung eines Ökonomen von Anfang Juni, dass "Südafrika bis zu 32,4 Milliarden US-Dollar an Exporteinnahmen verlieren würde, fast ein Zehntel seines Bruttoinlandsprodukts, falls einige seiner wichtigsten westlichen Handelspartner Vergeltungsmaßnahmen gegen das Land ergreifen würden, wenn es nicht bereit wäre, sich im Ukraine-Konflikt gegen Russland zu stellen." Obwohl kein westliches Land die Absicht geäußert hat, Sanktionen gegen Südafrika zu verhängen, falls man dort den Präsidenten Putin bei seinem Besuch nicht festnehmen sollte, so bleibt die Bedrohung durch wirtschaftliche Sanktionen gegen Pretoria zumindest nach bestem Wissen der Öffentlichkeit theoretisch weiterhin bestehen.
Dementsprechend beschloss die Staatsführung dieses BRICS-Mitgliedsstaates auf Nummer sicher zu gehen, indem man den russischen Staatschef nicht zum Gipfeltreffen eingeladen hat, anstatt das Worst-Case-Szenario zu riskieren – auch wenn immer noch die Möglichkeit bestünde, dass der Westen dieses Szenario nicht durchzieht – aus Angst, dass China irgendwann in die Bresche springen könnte und der Einfluss des Westens dort schwindet. Dies alles zeigt, dass die Rhetorik über Multipolarität, wie sie regelmäßig von einigen südafrikanischen Offiziellen wie etwa der Außenministerin Naledi Pandor vorgebracht wird, oft nur dazu dient, einen Mangel an echter Souveränität zu verschleiern.
Denn so sehr die südafrikanische Regierung aufrichtig den russischen Präsidenten zu Gast haben und eine enge Zusammenarbeit mit Russland innerhalb der BRICS-Gruppe pflegen möchte, so bleibt es eine politisch unbequeme Tatsache, dass Pretoria sich letztendlich dafür entschieden hat, sich dem Druck des Westens zu unterwerfen. Aufgrund dieser Beobachtung in dem vorliegenden Präzedenzfall, der durch simple Angst vor Sanktionen ermöglicht wurde, hat Südafrika bewiesen, dass BRICS nicht das ist, was viele bisher angenommen haben.
Schließlich erwarteten viele Unterstützer und Beobachter der Gruppe, dass ihre Mitglieder jedem Druck standhalten würden, den der Westen auf sie ausübt, und zwar aufgrund von Äußerungen von Influencern in alternativen Medien mit der Annahme, BRICS sei ein Zusammenschluss wirklich souveräner Länder, die dabei sind, die Welt zu verändern. Daher wurde fälschlicherweise auch angenommen, es sei jedem dieser Mitgliedsstaaten ernst mit dem messianischen Ziel der Multipolarität, dass sie nichts sie daran hindern könne, das zu erreichen – nicht einmal das Damoklesschwert der Höchststrafe durch Wirtschaftssanktionen.
Diese falsche Wahrnehmung ist das Ergebnis eines Wunschdenkens, das aufgekommen ist, nachdem im Februar 2022 der Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine ausgebrochen war. Es scheint, dass die falschen Vorstellungen über die BRICS-Staaten unbewusst als Mittel genommen wurden, um der westlichen "Untergangs- und Finsternis"-Propaganda entgegenzuwirken, die behauptet, die Rückkehr zur Unipolarität sei eine vollendete Tatsache. Unabhängig von der Absicht war das Ergebnis, dass viele Beobachter von unrealistischen Erwartungen an die BRICS-Gruppe erfüllt waren.
Kein objektiver Beobachter hätte jemals behauptet, dass Brasilien und Südafrika dasselbe Maß an echter Souveränität haben, wie der Kern der BRICS-Staaten Russland, Indien und China (RIC). Der Westen hat bisher gezögert, Druck auf die beiden Erstgenannten auszuüben, da nichts, was die Staatengruppe bis zu diesem Zeitpunkt getan hatte, auch nur annähernd eine der roten Linien des Westens überschritten hat. Doch als jetzt die reale Möglichkeit am Horizont auftauchte, dass Südafrika den russischen Präsidenten trotz des Haftbefehls des IStGH unbehelligt als Staatsgast begrüßen könnte, beschloss der kollektive Westen, Südafrika in dem Neuen Kalten Krieg zu zeigen, wer das Sagen hat.
Die Wahrscheinlichkeit, dass man diesem Land empfindliche Sanktionen auferlegt hätte, ist äußerst hoch, falls Südafrika sich in dieser Angelegenheit dem Westen widersetzt hätte, weil der Westen in diesem Fall vor aller Welt gedemütigt worden wäre. Damit wäre eine der sensibelsten roten Linien des Westens überschritten worden, was man in Pretoria erkannt hat und was erklärt, weshalb man dort lieber den eigenen Ruf im gesamten globalen Süden opfert und der Einheit der BRICS-Staaten Schaden zufügt, als das schlimmste Szenario zu riskieren, in welchem massive Wirtschaftssanktionen des Westens die angeschlagene südafrikanische Wirtschaft lahmlegen könnten.
Südafrika als IStGH-Mitglied enthielt sich in den Vereinten Nationen bisher konsequent allen antirussischen Resolutionen. Und dennoch kapitulierte es am Ende vor der impliziten Forderung aus dem Westen, den Präsidenten Putin nicht zu empfangen – allein durch die Aussicht auf potenzielle Wirtschaftssanktionen. Dies deutet darauf hin, dass Brasilien beim dort im Jahr 2025 stattfindenden Gipfeltreffen der BRICS-Staaten wohl dasselbe tun wird. Schließlich stimmte Brasilien – im Gegensatz zu Südafrika – bei den Vereinten Nationen sogar dreimal für antirussische Resolutionen, während der nun wiedergewählte Präsident Lula da Silva in einer gemeinsamen Erklärung mit dem US-Präsidenten sogar seinen eigenen BRICS-Partner verurteilte.
Da Südafrika angesichts des westlichen Drucks seine politische Unzuverlässigkeit gegenüber den BRICS-Staaten unter Beweis gestellt hat und es keinen Zweifel daran gibt, dass Brasilien in zwei Jahren ebenfalls kapitulieren wird, wenn es in genau dieselbe Lage gerät, so zeigt sich damit, dass die Organisation im Moment größtenteils nur in Bezug auf RIC relevant ist. Im Gegensatz zu Brasilien haben weder China noch Indien jemals für eine antirussische Resolution in der UNO-Generalversammlung gestimmt, noch sind sie im Gegensatz zu Südafrika und Brasilien Unterzeichner des Römischen Statuts für den IStGH.
Darüber hinaus haben Indien und China bereits ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Druck des Westens unter Beweis gestellt, indem sie sich geweigert haben, sich von Russland zu distanzieren, was im Fall Indiens umso wichtiger ist, wenn man bedenkt, dass seine Beziehungen zu den USA viel besser sind als jene zu China. Auch die umfassende Verbesserung der strategischen Beziehungen von China und Indien zu Russland nimmt ungehindert ihren Lauf, obwohl deren Handelsvolumen mit dem Westen deutlich größer ist. All dies beweist, dass deren Grad an tatsächlicher Souveränität weitaus größer ist als jener von Brasilien und Südafrika.
Auch wenn die BRICS-Gruppe daher als eine finanziell fokussierte Form von RIC+ neu konzipiert werden kann, bedeutet diese Erkenntnis nicht, dass Südafrika und Brasilien – und alle anderen Staaten, mit denen RIC+ in Zukunft zusammenarbeiten wird –, keine Rolle bei der Beschleunigung etwa der finanziellen Prozesse auf dem Weg zur Multipolarität spielen werden. Wie bereits erläutert, wird der kollektive Westen die einzelnen BRICS-Staaten wahrscheinlich nicht für alles, was sie tun, mit Wirtschaftssanktionen drohen, sondern nur dann, wenn jemand seinen roten Linien zu nahe kommt oder diese überschritten werden könnten.
Aus diesem Grund könnte der Westen zwar versuchen, Staaten von der Teilnahme im Rahmen von BRICS+ abzubringen, wird aber wahrscheinlich niemanden dafür oder für die schrittweise Diversifizierung weg vom US-Dollar sanktionieren. Lediglich wichtige Fragen von materieller und/oder symbolischer Bedeutung, wie beispielsweise die Missachtung der Verpflichtung infolge der Unterzeichnung des Römischen Statuts, nämlich hier den russischen Präsidenten zu verhaften, haben eine glaubwürdige Chance, schwerwiegende negative wirtschaftliche Folgen nach sich zu ziehen.
Der Punkt ist jedenfalls, dass es sich bei BRICS nicht um eine Ansammlung wahrhaft souveräner Länder handelt, die das gemeinsame messianische Ziel haben, die Welt zu verändern, wie viele Unterstützer dieser Gruppe vor den Nachrichten vom Mittwoch fälschlicherweise angenommen haben, sondern lediglich um eine Plattform zur moderaten Beschleunigung finanzieller Multipolaritätsprozesse.
Solange die BRICS-Gruppe ihre Ziele langsam verfolgt, ohne den Westen herauszufordern oder zu demütigen, ist keine Bestrafung zu erwarten, andernfalls wird den schwächsten Mitgliedern der Gruppe gezeigt, wer der Boss ist, wie es gerade für Südafrika der Fall war.
Mehr zum Thema – Medien: Victoria Nuland wird nach Südafrika reisen, um Haltung gegenüber Russland zu beeinflussen
Übersetzt aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.