Von Dmitri Kossyrew
Schauen wir uns einmal den relativ seltenen Fall eines US-Amerikaners (mit dem guten Nachnamen Winokur) von der University of Virginia an, der eine offensichtliche Tatsache erkennt: Die gesamte Außenpolitik seines Landes beruht auf den Realitäten einer längst vergangenen Welt. Das heißt, sie basiert in Wirklichkeit auf gar nichts, denn – wie eben erwähnt – diese Welt existiert nicht mehr.
Ich spreche von einem Artikel des oben erwähnten Justin Winokur in Foreign Affairs, wo das festgestellt wird, was wir hier in Russland bereits müde sind zu wiederholen: Seit etwa 80 Jahren basiert die gesamte US-Politik auf der Idee der obligatorischen Dominanz der Vereinigten Staaten in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Technologie und Militär. Die Geschichte des Kalten Krieges sei zu einer "Zwangsjacke geworden, die Amerika daran hindert, die Welt zu verstehen". All dies hindere die US-Außenpolitiker daran, nach einer neuen Strategie für das Land zu suchen. Wenn Diplomaten oder Publizisten nach Inspirationen für ihr heutiges Handeln suchten, würden sie auf die Zeit des Kalten Krieges zurückgreifen, auf Figuren und Situationen von damals. Und das helfe nicht, sondern bremse alles nur noch, denn die Welt sei längst eine ganz andere.
Wir wollen hier ein Thema anschneiden, das in Russland immer noch hochaktuell ist: In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bot Moskau den Vereinigten Staaten genau das an, was ihnen bis heute fehlt – eine neue Denkweise. Das heißt, ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, die Welt aus einem völlig anderen Blickwinkel zu betrachten. Manche sind immer noch der Meinung, dass neues Denken entweder Dummheit oder Verrat sei. Es ist jedoch erstens nicht unsere Schuld, dass die US-Amerikaner nicht in der Lage waren, neu zu denken. Und zweitens stellt sich die Frage: Warum konnten sie das nicht?
Dafür gibt es neben Antworten wie "sie haben entschieden, dass der Vorschlag der Russen, neu zu denken, ein Zeichen der Schwäche ist" noch eine andere, einfachere Antwort: Mit ihren Gehirnen stimmt etwas nicht. Und gerade ist in den Vereinigten Staaten ein Buch über Gehirne veröffentlicht worden. Es handelt davon, wie die Ära des Kalten Krieges nicht nur das Denken der politischen Klasse geprägt hat, sondern auch die Wissenschaft über das menschliche Gehirn. Und diese Wissenschaft unterzog ebendiese US-Amerikaner einer Gehirnwäsche.
Ich spreche von Andreas Killens dicker Ausgabe von "Nervous Systems. Brain Science in the Early Cold War". Killen ist Wissenschaftshistoriker (ja, so einen Beruf gibt es wirklich) – er untersucht, wie Wissenszweige entstanden sind und sich entwickelt haben. In dem Buch erzählt er Geschichten aus den 1950er Jahren. Zum Beispiel diese: Der US-amerikanische Chefspion Alain Dulles hatte einen Sohn, der nach seiner Teilnahme am Koreakrieg unter Halluzinationen litt. Dulles startete daraufhin ein geheimes Programm zur Erforschung des Gehirns aus seinem professionellen, spezifischen Blickwinkel.
Tatsächlich stellt Killen fest, dass die gesamte heutige Wissenschaft darüber, wie der menschliche Kopf organisiert ist und wie er denkt, in den 1950er Jahren geboren wurde oder einen kräftigen Schub erhielt und sich seither nur noch aus den Erkenntnissen dieser Ära speist. Der Grund dafür: Das war eine Zeit, in der die beiden Systeme (das sowjetische und das US-amerikanische) in der Raumfahrt, der Atomphysik (zum Beispiel bei der Entwicklung der Atombombe) und der Hirnforschung erbittert miteinander konkurrierten.
Das heißt, die wissenschaftlichen Fortschritte der USA zu dieser Zeit basierten, einfach ausgedrückt, auf der Angst, dass die Sowjets geheime Programme zur Beeinflussung des menschlichen Gehirns und der Psyche durchführten. Daher war man überzeugt, dass Geld in genau diese Art von Programmen gesteckt werden sollte. In seinem Buch beschreibt Killen, wie alles Mögliche herangezogen wurde: LSD, elektrische Hirnstimulation, sensorischer Entzug, Mezcal, Hypnose. Denn "die Kommunisten haben das alles gemacht und an US-amerikanischen Kriegsgefangenen getestet" (in Korea und Vietnam). Vergessen wir auch nicht die rein physischen Einwirkungen auf das Gehirn, bis hin zur langen Lobotomienadel. Kurz gesagt: Die US-Amerikaner haben es sich selbst angetan.
Aber heute ist die Welt eine andere und die Schrecken sind andere – Viren sind an die Stelle der Gehirnwäsche getreten. Robert Kennedy, ein möglicher Kandidat für die US-Präsidentschaft, erklärte bei einem Auftritt etwas über die Tatsache, dass COVID aus irgendeinem Grund keine Chinesen befallen würde. Und dass die Entwicklung von Viren, die bei verschiedenen ethnischen Gruppen unterschiedlich wirken, im Gange sei. Die Sache ist die, dass Kennedy da etwas anspricht, wovon er kaum Ahnung hat. Das russische Verteidigungsministerium hingegen veröffentlichte vor einigen Tagen mehrere Dokumente und Namen von Personen in der Ukraine, die versuchten, Informationen zu verbergen über die Arbeit mit gefährlichen Infektionserregern und Medikamentenversuche an der ukrainischen Bevölkerung im Rahmen biologischer Programme der USA. Wird die Wissenschaft – nun aber die Virologie – jetzt den gleichen Sprung aus der Angst heraus machen, wie es die Hirnforschung in den 1950er Jahren tat?
Was ist es nun, das die gesamte US-Außenpolitik daran hindert, die Welt nicht so zu sehen, wie sie während des Kalten Krieges war, sondern wie sie heute ist? Sind sie dort über Generationen hinweg einer Gehirnwäsche unterzogen worden oder mit einem ethnisch ausgerichteten Virus infiziert? Oder hat beides gleichzeitig gewirkt? Die Wissenschaft ist aufgerufen, dieses Rätsel zu lösen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 20. Juli 2023 bei RIA Nowosti.
Dmitri Kossyrew ist ein russischer Journalist, Orientalist und politischer Analyst bei RIA Nowosti.
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