Von Eric Zuesse
Ende Juni veröffentlichte Professor Sergei Karaganow, ein ehemaliger Berater des russischen Präsidenten und Dekan an der Moskauer Hochschule für Weltwirtschaft und internationale Angelegenheiten, einen Meinungsartikel mit der Überschrift: "Warum Russland einen Atomschlag gegen Westeuropa in Betracht ziehen muss". Er argumentierte, dass es jetzt an der Zeit sei, dass Moskau ernsthaft über die Möglichkeit einer präventiven Invasion oder des Einsatzes von Atomwaffen gegen die feindlichsten europäischen NATO-Mitglieder nachzudenken. Bei der Debatte über einen hypothetischen Atomwaffenangriff auf Westeuropa stellt sich Karaganow die Frage: Wie würden die USA darauf antworten?
Nahezu alle Experten seien sich laut Karaganow einig, dass die USA auf einen nuklearen Angriff auf ihre Verbündeten unter keinen Umständen mit einem nuklearen Angriff auf das russische Territorium reagieren würden. Andere russische Militärexperten glauben hingegen, dass ein massiver konventioneller Vergeltungsschlag folgen könnte, der noch massivere nukleare Angriffe nach sich zieht, und diese würden Westeuropa als geopolitische Einheit eliminieren.
Allerdings glaube ich, dass es ein katastrophaler Fehler wäre, wenn Moskau diesen Kurs auch nur in Betracht ziehen würde, ohne zuvor jedem einzelnen westeuropäischen Staat eine bestimmte Art von bilateralem Nichtangriffspakt angeboten zu haben, der – sofern anwendbar – auch erfordern würde, dass er sich aus der von den USA dominierten und antirussischen Militärallianz namens NATO zurückzieht. Selbst wenn sich nur ein Mitglied dieser Allianz loslösen sollte, so könnte dies das Ende der gesamten Organisation bedeuten.
Auf die aggressive Osterweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands reagierte der russische Präsident Putin bislang damit, seine Atomraketen auch auf die neuen Mitgliedsstaaten der Allianz auszurichten, und nicht damit, jedem einzelnen Staat einen bilateralen Vorschlag und eine Friedensgarantie anzubieten, inklusive gegenseitiger Waffeninspektionen. Stattdessen scheint es, dass ein NATO-Staat die antirussische Front nicht verlassen und nicht seine eigenen friedlichen Beziehungen zu Moskau sowie auch keinen vertieften Handel und andere gegenseitige bilaterale Vorteile pflegen darf.
Durch den Verzicht auf Bündnisse mit der aggressivsten Nation der Welt, den USA, und eine direkte Einigung mit Russland könnte jedoch Europa in eine Zukunft des Friedens und gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzens blicken. Wladimir Putin sollte ein solches Angebot daher jetzt unterbreiten, wodurch auch ein dritter Weltkrieg verhindert werden könnte. Der historische Hintergrund erklärt, weshalb ... Ich stimme Professor Karaganow darin zu, dass eine grundlegende Änderung in den Beziehungen Russlands zu den Ländern Europas erforderlich ist. Aber ich schlage vor, dass der erste Schritt in dieser Hinsicht ein russisches Angebot an jeden einzelnen Staat in Europa sein muss.
Dieses Angebot sollte jedem mit den USA verbündeten Staat erst einmal diskret unterbreitet werden. Wenn eine bestimmte Regierung diskret Nein sagt, sollte Russland dieses Angebot öffentlich machen. Die öffentliche Meinung könnte dann die jeweilige Regierung dazu zwingen, dem Angebot zuzustimmen. Somit existieren zwei Möglichkeiten, eine Vereinbarung zu erzielen, was die Erfolgsaussichten erheblich erhöht.
Schließlich würde die vorgeschlagene Vereinbarung allen derzeitigen Mitgliedern der NATO das Versprechen sichern, dass Moskau, sobald ein Mitgliedsstaat aus diesem antirussischen Militärbündnis austritt, gerne bereit sein wird, diesem Staat gegenüber die rechtliche Verpflichtung auszusprechen, niemals in diesen Staat einzudringen. Mit anderen Worten: Die von mir vorgeschlagene Vereinbarung würde der ganzen Welt eine klare und eindeutige Wahl bieten, eine zwischen Frieden mit Russland oder eine Koexistenz mit der aggressivsten Organisation in der Geschichte der Menschheit. Mit einer Organisation also, die illegal Sanktionen verhängt, Staatsstreiche organisiert und sogar Staaten militärisch überfällt, die nicht mit ihren Zielen kooperieren wollen und die damit letztlich die Vereinten Nationen als obersten Schiedsrichter des Völkerrechts verdrängt. Eine Organisation, die der ultimative Schiedsrichter für das sein will, was sie als "regelbasierte internationale Ordnung" bezeichnet, in der alle diese "Regeln" letztlich von demjenigen festgelegt werden, der in Washington, D.C. gerade regiert.
Andererseits könnte Moskau dazu beitragen, die Vereinten Nationen wieder auf ihre ursprüngliche Daseinsberechtigung auszurichten, darauf nämlich, den historischen Einsatz von Gewalt zwischen rivalisierenden Imperien zu unterbinden. Die Vision der UNO bestand ursprünglich darin, eine friedliche und demokratische internationale Weltordnung zu schaffen, in der die Vereinten Nationen eine weltweite Föderation aller Nationen bilden sollten, welche als oberster Gerichtshof international geltende Gesetze vereinbarungsgemäß durchsetzt. Darüber hinaus sollten die von diesem globalen Gerichtshof für internationale Beziehungen verhängten Strafen gegen jene Regierung von Nationen verhängt werden, die nach dem Urteil dieses Gerichtshofs die Rechte der Regierung einer anderen Nation verletzt hat.
In diesem Verständnis des eigentlichen Macht- und Autoritätsbereichs der Vereinten Nationen hätte das Gremium keine Autorität und keine Macht in Bezug auf die Verfassungen oder Gesetze einer individuellen Nation, sondern nur in Bezug auf internationale Gesetze und niemals auf die inneren Angelegenheiten einer individuellen Nation. Dies würde einen weiteren Weltkrieg, einen weiteren Krieg zwischen Imperien unmöglich machen, weil dadurch alle Imperien beseitigt und durch eine internationale Demokratie – eine internationale Föderation von Nationen – ersetzt würden.
Russland könnte in der von mir vorgeschlagenen Vereinbarung danach streben, für den gesamten Planeten das zu erreichen, was einst für die Nachkriegswelt geplant war.
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Übersetzt aus dem Englischen
Eric Zuesse ist ein investigativer Journalist und Historiker. Er ist Autor des Buches America's Empire of Evil: Hitler's Posthumous Victory, and Why the Social Sciences Need to Change (Amerikas Reich des Bösen: Hitlers posthumer Sieg und weshalb die Sozialwissenschaften sich ändern müssen).