Von Andrew Korybko
Der südafrikanische Mail and Guardian veröffentlichte am vergangenen Mittwoch ein sehr interessantes Interview mit dem südafrikanischen Vizepräsidenten Paul Mashatile. Darin sprach er offen über das Dilemma seines Landes hinsichtlich der geplanten Teilnahme von Präsident Putin am Gipfeltreffen der BRICS-Staaten im kommenden Monat in Johannesburg. Dies vor dem Hintergrund eines Haftbefehls für Präsident Putin, der vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) ausgestellt wurde.
Mashatile gestand ein, das Thema sei von so großer Bedeutung, dass er sich "so gut wie täglich" mit Staatspräsident Cyril Ramaphosa darüber berate. Jedoch sei sich die südafrikanische Regierung einig darüber, dass der russische Staatschef Südafrika keinen Besuch abstatten sollte. Mashatile sagte diesbezüglich:
"Präsident Ramaphosa hat mit Präsident Putin gesprochen und ihm geraten, dass er einen Delegierten zum Gipfeltreffen schickt, vorzugsweise seinen Außenminister Sergei Lawrow. Die russische Seite zeigte sich damit alles andere als einverstanden und Moskau wünschte, dass die russische Delegation von Präsident Putin angeführt wird. Diese Diskussionen sind derzeit noch nicht abgeschlossen."
Der Vizepräsident bestätigte zudem frühere Berichte über das Interesse seines Landes, dass das Gipfeltreffen in diesem Jahr von jemand anderem ausgerichtet werde – beispielsweise von China – oder dass das Treffen ausschließlich online durchgeführt werde. Er fügte jedoch hinzu, dass es für keinen der beiden Vorschläge Unterstützung gebe.
Der südafrikanische Vizepräsident hofft, dass die Angelegenheit vor dem zweiten Russland-Afrika-Gipfel am 27. Juli geklärt werden kann, an dem der Staatspräsident Südafrikas teilnehmen will. Er bittet aber auch um Verständnis für die missliche Lage, in der sich Südafrika wiederfindet. Wörtlich sagte Mashatile:
"Wir verstehen, dass wir an das Römische Statut (ICC) gebunden sind, aber wir können einen Staatspräsidenten nicht einladen und ihn anschließend verhaften. Sie werden sicherlich unser Dilemma verstehen. Uns wäre es lieber, wenn Präsident Putin nicht käme. Aber wir haben uns auch nicht dafür ausgesprochen, ihn nicht einzuladen. Wir haben Moskau wissen lassen, dass Präsident Putin eingeladen ist, aber dass gleichzeitig diese Situation vorliegt."
Das alles verheißt nichts Gutes für die bilateralen Beziehungen oder die Einheit der BRICS-Staaten. Denn es zeigt, dass Südafrika nicht bereit ist, eine Ausnahme von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof im Fall von Präsident Putin zu machen. Obwohl das Land dem sudanesischen Präsidenten, Umar al-Baschir, vor einigen Jahren einen Besuch ohne entsprechende Zwischenfälle erlaubt hatte, obwohl der ebenfalls vom ICC zur Verhaftung ausgeschrieben ist. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist all dies umso respektloser, da Russland einer der Gründerstaaten der Organisation BRICS ist, während Südafrika erst ein paar Jahre nach der offiziellen Gründung beitreten durfte.
Anders als im Fall des damaligen sudanesischen Präsidenten könnte es jedoch theoretisch sehr schwerwiegende Folgen für Südafrika haben, wenn das Land seine Verpflichtungen aus dem Römischen Statut missachtet und sich weigert, Präsident Putin zu verhaften und an Den Haag auszuliefern. Bloomberg berichtete Anfang Juni, dass Südafrika bis zu 32,4 Milliarden US-Dollar an Exporteinnahmen verlieren könnte – fast ein Zehntel seines Bruttoinlandsproduktes –, wenn "einige seiner wichtigsten Handelspartner Vergeltungsmaßnahmen gegen das Land ergreifen, sollte es nicht bereit sein, sich gegen Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen."
Diese Erkenntnis basierte auf der Schätzung eines Wirtschaftswissenschaftlers über den maximalen Schaden, den der Westen Südafrika als Strafe dafür zufügen könnte, dass dieses Land den geopolitischen Befehlen des kollektiven Westens nicht nachkommt. Somit ist auch nicht auszuschließen, dass der kollektive Westen zumindest einige Sanktionen gegen Südafrika verhängen wird, falls Präsident Putin reibungslos persönlich am Gipfel teilnehmen kann und den kollektiven Westen damit auf der Weltbühne demütigt.
Südafrika hat erkannt, dass es sich in einem Dilemma befindet, wo es sich entscheiden muss, ob es seinen antiimperialistischen Ruf opfert, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Sanktionen seine bereits fragile Wirtschaft noch mehr lahmlegen. Oder ob es diesen Ruf verteidigt, um die eigenen Prinzipien aufrechtzuerhalten, angesichts des beispiellosen internationalen Drucks. Vizepräsident Mashatile signalisierte mit seiner Aussage, dass sein Land lieber kein wirtschaftliches und finanzielles Risiko eingehen möchte und daher die erste Option favorisiert, auf Kosten der bilateralen Beziehungen zu Russland und der Einheit der BRICS-Staaten.
Es wurde oft behauptet, dass Südafrika sich als Führungsnation des afrikanischen Kontinents sieht. Aber Südafrika wäre nicht mehr in der Lage, diese informell selbsternannte Rolle glaubhaft zu beanspruchen, wenn es vor dem Druck des Westens kapituliert. Weshalb das Land sich gut überlegen sollte, wie es letztendlich handeln wird. Das Damoklesschwert der westlichen Sanktionen könnte lediglich ein Bluff sein, da China jederzeit jene Lücken füllen könnte, die westliche Sanktionen hinterlassen. Was wiederum dazu führen würde, dass der Westen seinen strategischen Wirtschaftsraum an einen systemischen Rivalen abtreten müsste.
Natürlich könnte der Westen bereit sein, Letzteres zu riskieren. Da die Lähmung der Wirtschaft Südafrikas das Szenario eines Regimewechsels in diesem Land in Gang setzen könnte, wodurch die Chance, dass die aktuelle Regierungspartei durch eine pro-westliche Regierung ausgetauscht wird, sich drastisch erhöht. Aber Sanktionen gegen Südafrika könnten auch nach hinten losgehen. Auf jeden Fall muss man weiter beobachten, wie Südafrika sich am Ende entschließt. Aber zumindest haben wir jetzt eine klarere Vorstellung von dem Dilemma, nachdem Mashatile die Fakten offen dargelegt hat, die in Moskau sehr wahrscheinlich Unbehagen hervorgerufen haben.
Mehr zum Thema – Südafrikanische Republik: Russland lehnt Ersetzen von Putin durch Lawrow bei BRICS-Gipfel ab
Aus dem Englischen.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.