Von Alex Männer
Der russische ehemalige Präsident, Ex-Premierminister und amtierende Vizechef des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, gilt aufgrund seiner Blogger-Aktivität zurzeit wahrscheinlich als einer der beliebtesten und wohl meistzitierten russischen Politiker. Zumindest im Netz bekommt er dank seines Telegram-Kanals, wo er sich immer wieder sehr wortgewandt, direkt und ohne Zimperlichkeiten zu den aktuellen (geo-)politischen Entwicklungen in der Welt äußert, viel Zustimmung von den russischen sowie zahlreichen anderen Usern.
Man kann ihn im Grunde auch als ein inoffizielles Sprachrohr des Kremls auffassen, wenn es für die Russen etwa darum geht, knallharte Ansichten zu bestimmten Themen publik zu machen, ohne die russische Führung dabei in eine unangenehme Lage zu bringen. Diese Rolle traut man Medwedew durchaus zu, denn schließlich gilt er seit jeher als einer der loyalsten Mitstreiter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Medwedew jüngster Kommentar zum Ukraine-Konflikt wurde am Sonntag übrigens in der russischen Zeitung Rossijskaja Gaseta veröffentlicht. Darin konstatiert er unter anderem, dass Russland – trotz der westlichen Sanktionen – nicht in die Isolation geraten sei und dass die russische Wirtschaft angesichts der unzähligen Wirtschaftsbeschränkungen stabil geblieben sei und inzwischen sogar Wachstum zeige.
Auf der internationalen Bühne ist Moskau Medwedew zufolge erfolgreich dabei, die Beziehungen zu den Ländern des sogenannten "Globalen Südens" sowie zu den anderen aufstrebenden Nationen der Welt weiter auszubauen. Die Konfrontation mit dem kollektiven Westen hätte jedoch einen globalen Charakter angenommen und würde vermutlich lange, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern, heißt es.
Bezüglich des kürzlichen Putschversuchs von Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin ist Medwedew der Ansicht, dass das Ergebnis dieser "bewaffneten Rebellion" die Gegner Russlands nicht erfreut habe. Schließlich habe die russische Staatsführung im Zuge dieser Auseinandersetzung ihre Stärke bewiesen und das russische Volk sich ganz klar hinter seinen Präsidenten und Oberbefehlshaber gestellt.
Im Hinblick auf das viel diskutierte und in Russland sehr umstrittene Getreideabkommen äußert der russische Ex-Präsident erneut sein Unverständnis und fordert ein Ende dieser Vereinbarung.
Zur Erinnerung: Der Getreidedeal wurde im Juli 2022 zwischen Russland, der Türkei, der Ukraine und der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht unter anderem die Ausfuhren von ukrainischem Getreide, Lebensmitteln sowie Dünger aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen entlang eines sicheren Seekorridors vor. Weil der Deal jedoch eine mehrteilige Initiative darstellt, beinhaltet der zweite Teil dieses Vertrages die aus russischer Sicht wichtigen Zugeständnisse des Westens. Dazu zählt zum Beispiel eine Aufhebung des Verbots der russischen Getreide- und Düngemittelexporte, die Aufhebung bestimmter Sanktionen im Bankensektor und beim Import von Landmaschinen, oder die Wiederinbetriebnahme der russisch-ukrainischen Ammoniakleitung "Toljatti – Odessa".
Russland hat in dieser Angelegenheit wiederholt kritisiert, dass der zweite Teil des Getreideabkommens immer noch nicht realisiert wurde. Putin wies zudem darauf hin, dass die westlichen Länder den größten Teil des ukrainischen Getreides selbst importieren würden, anstatt es den bedürftigen Ländern Afrikas zu überlassen. Medwedew sieht dieses Abkommen sehr skeptisch und meint, dass der Vertrag gekündigt werden müsse.
"Die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln, die aus unserem Land kommen, wurde überall erkannt, daher die endlosen Rituale zum Thema Getreidedeal. Obwohl allen bereits klar ist, dass er in seiner jetzigen Form nicht benötigt wird und unbedingt gekündigt werden muss. Wir können unseren Partnern auch so helfen, und es ist nicht unsere Aufgabe, dicke europäische Bürger zu füttern. Dafür haben sie dort ihre 'alte und kahle Leberwurst' und zudem eine Vielzahl von hochgebildeten Gynäkologen, die die europäische Wirtschaft brillant steuern", so der Politiker.
Die Europäische Union ihrerseits soll nach jüngsten Angaben der Financial Times zumindest einen Kompromiss mit Russland hinsichtlich der Sanktionen im Bankensektor erwägen. Demnach soll Moskau der EU angeboten haben, eine Tochterabteilung der sanktionierten staatlichen Bank Rosselchosbank zu gründen und diese an das globale Zahlungssystem SWIFT anzuschließen. Die Rechtmäßigkeit und Durchführbarkeit des Plans werde von der EU geprüft, weil sie an einer Verlängerung des Getreidedeals interessiert sei, heißt es.
Dieser Schritt, der als Zugeständnis an Moskau betrachtet wird, gilt für die Befürworter dieser Idee laut der US-Zeitung als "die am wenigsten schlechteste Option", um das Getreideabkommen am Leben zu erhalten, das am 18. Juli 2023 ausläuft.
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