Von Dagmar Henn
Auch wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in der Fragestunde des Bundestags nur selten scharf angegriffen wurde, vergriffen hat er sich mehrfach. Nicht nur mit seiner Bemerkung, die Opfer der Ahrtalflut seien Opfer des Klimawandels.
Aber zuallererst versuchte er, Attacken gegen seine inzwischen berüchtigte Personalpolitik abzuwenden, und er tat dies auf eine Art und Weise, die man, wenn man genau liest, nur als Erpressung werten kann. Der CDU-Abgeordnete Hansjörg Durz fragte noch einmal nach, wie es denn sei mit den Fondsanteilen des Staatssekretärs Udo Philipp und der Bundesförderung für Unternehmen, an denen dieser Fonds beteiligt sei; schließlich handele es sich um einen kleinen Fonds mit wenigen Unternehmen. Philipp hatte eine Zusage, sich vom Wirtschaftsausschuss befragen zu lassen, nicht eingehalten. Habecks Erwiderung hat es in sich.
"Ich bin sehr dafür und auch sehr bereit – das habe ich ja im Ausschuss schon öffentlich gesagt, ich wiederhole es –, die Regeln zu verschärfen. Es ist kein Problem für mich, wenn alle Mitglieder der Bundesregierung, alle Staatssekretäre, vielleicht auch ehemalige Minister oder Staatssekretäre gehalten werden, ihre privaten Altersvorsorgen, ihre Fondsanteile öffentlich zu machen, sodass sich die Öffentlichkeit ein Bild machen kann. Allerdings lehne ich eine Einzelbetrachtung, in diesem Fall von Staatssekretär Philipp, ab."
Die ganzen Sätze lassen sich kurz zusammenfassen: Wenn ihr meinen Freund Philipp nicht in Ruhe lasst, schlachte ich euren Jens Spahn. Ein neuer Aspekt der Persönlichkeit des Robert Habeck.
Mit der Leistungsbilanz der Regierung sei er sehr zufrieden, erklärte er an anderer Stelle. Sein Weltbild ist hermetisch geschlossen. Er ist stolz auf den Schaden, den er anrichtet.
"Ich weise darauf hin, dass davor Nord Stream 1 und 2 und auch die Ablehnung der militärischen Unterstützung der Ukraine ja schon beschlossen waren. Das wurde alles verändert. Das heißt, die Leistungsbilanz der Bundesregierung ist beachtenswert. Sogar die CO₂- Emissionen gehen runter; wir haben sie im letzten Jahr beispielsweise trotz der Hinzunahme von Kohlekraftwerken eingehalten."
Ist das nicht schön? Man muss nun einmal das eine oder andere Stahlwerk abschalten und in öffentlichen Gebäuden die Raumtemperatur bis zur Schmerzgrenze runterdrehen, schon gehen die CO₂-Emissionen runter. Was ist Habeck für ein toller Hecht.
Ein klein wenig Panikmache gefällig? "40 Grad in Spanien, brennende Wälder nicht nur in Kanada, sondern auch in Brandenburg. Das heißt, wir sollten wirklich handeln." Als hätte es all das in früheren Jahrhunderten nicht gegeben, als wären 40 Grad im Sommer in Spanien tatsächlich so ungewöhnlich.
Überhaupt, das mit der Wirtschaft ist doch gar nicht so schlimm. "Wir hatten über die Wintermonate eine technische Rezession. Das Wachstum ist nicht zufriedenstellend." Aber nächstes Jahr soll es ja wieder besser werden. Und überhaupt:
"Was die Industrialisierung und die Industriestrategie angeht, so reicht die Zeit nicht aus, um all die Investitionen – sagen wir über 100 Millionen Euro – hier aufzuzählen."
Den Satz muss man wirklich im Protokoll nachlesen, um ihn zu glauben. Es ist ja bekannt, dass Grüne und Mathematik inkompatibel sind, aber hundert Millionen? Allein die öffentlichen Förderzusagen für das geplante Werk von Intel, das ja sein muss, weil man sich mit China anlegen will, betragen zehn Milliarden. Eine Milliarde, Herr Habeck, sind zehn mal hundert Millionen, zehn Milliarden sind also hundert mal hundert Millionen. Nur so als Hausnummer. Investitionen von hundert Millionen, um damit die Folgen der "Energiewende" abzufangen?
Befragt, was denn die subventionierte Errichtung einer Fabrik, die der AfD-Abgeordnete Michael Kaufmann eine "Werkbank für einen ausländischen Halbleiterhersteller" nannte, mit der Technologieführerschaft zu tun habe, die man anstrebe, erklärte Habeck, Intel werde schließlich "neueste, noch nicht auf dem Markt existierende Chips dort produzieren", und erklärte das zur Technologieführerschaft. Er behauptete, die Maschinen für die dortige Produktion kämen aus dem deutschen Maschinenbau – was zumindest ungewöhnlich wäre, weil dieser Markt von niederländischen Firmen beherrscht wird.
Die Tatsache, dass eine ehemalige Mitarbeiterin von BlackRock die Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums leitet, während BlackRock einer der größten Aktionäre von Intel ist, war für Habeck ebenfalls auf mehrfache Nachfrage kein Anlass, einen Interessenkonflikt zu sehen. Die Frage, ob nicht eine nicht einmal betriebs-, sondern nur spekulationswirtschaftliche Tätigkeit bei einem Unternehmen wie BlackRock grundsätzlich nichts mit der volkswirtschaftlichen Qualifikation zu tun hat, die eigentlich in der Grundsatzabteilung eines Wirtschaftsministeriums gefragt wäre, wurde leider nicht einmal gestellt.
Allerdings steht Habeck mit seiner Blindheit gegenüber dem Unterschied zwischen spekulativen Geldanlagen und realer Produktion nicht allein. Eine Abgeordnete seiner Fraktion, die wie übrigens alle grünen Abgeordneten eine geradezu aufdringlich liebedienerische Haltung Habeck gegenüber einnahm, verwies auf das Interesse eine Private-Equity-Fonds an erneuerbaren Energien, ohne zu verstehen, dass diese Energien eben staatlich verzinste Investitionsmöglichkeiten bieten, die natürlich gerne wahrgenommen werden, das aber nichts mit volkswirtschaftlichem Nutzen zu tun hat.
Nein, alles ist gut, und selbst die Rezession gäbe es nicht, wenn nicht die alte Bundesregierung schuld daran gewesen sei, "dass Deutschland gerade im industriellen Bereich von russischem Gas abhängig war".
Er sieht das deutsche Hauptproblem in der Bürokratie. Wie die allerdings reduziert werden soll, in dem man Heizsysteme vorschreibt, was kontrolliert werden muss, Kommunen zur Erstellung unnützer Pläne verpflichtet, und schließlich auch noch von völliger Exportkontrolle träumt, weil ja auch der Verkauf gewisser Güter und nicht nur Investitionen im Ausland Technologien verraten könnten, das erklärt er nicht. Die praktische Seite der grünen Vorschläge endet immer in einem Mehr an Bürokratie, und ganz nebenbei in vielen Stellen für die eigene Klientel.
An einem Punkt entgleitet ihm doch etwas Realismus. Nachdem er die Katastrophe für die energieintensiven Branchen in eine "Herausforderung" umgemünzt hatte, erklärte er dann: "Wir versuchen, die wirtschaftliche Situation in Deutschland zu stabilisieren." Doch nicht alles gut? Aber es gibt ja die willigen Sekundanten, die grünen Abgeordneten, die das "selbst verschuldete Problem der Deindustrialisierung in Bayern" fort von der eigenen Politik etwa der bayerischen Staatsregierung zuweisen, die zu wenige Windräder gebaut habe.
Russisches Gas allerdings, das gewissermaßen den roten Faden lieferte, muss für Habeck ein wahrhaftiges Hassobjekt sein, und seine eigene Verantwortung für die Probleme, die er erst mit geschaffen hat, völlig jenseits seiner Verständnisfähigkeit. Abgesehen von Wortschöpfungen wie "Falschunterstellung" wurde er mehrmals grob – und wahrheitswidrig – ausfällig; angefangen bei Fragen des AfD-Abgeordneten Steffen Kotré, der Berichte zitierte, nach denen bis zu 30 Gigawatt Strom zu wenig vorhanden seien in Deutschland.
"Das Energieproblem in Deutschland ist verursacht worden durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine." Auf Gelächter darauf: "Ich weiß, dass die AfD-Fraktion mit dem höhnischen Gelächter die Opfer der Ukraine verhöhnt." Und dann, pathetisch, der ganz große Hammer:
"Wir haben kein Gas mehr außer Anteile im Mix, die man nicht ausschließen kann. Wir kaufen kein Gas mehr aus Russland. Wir kaufen keine Kohle mehr aus Russland. Wir kaufen kein Öl mehr aus Russland. Das tun wir, um die Kriegskasse von Putin nicht weiter zu füllen. Ich verstehe nicht – das muss ich in der Härte sagen –, wie Sie die historische Schuld, die dieses Land auf sich geladen hat, ausblenden können, es sogar noch unterstützen. Das ist für mich schwer nachvollziehbar."
Man muss Habeck heißen, um zu begreifen, wie eine historische Schuld, die gegenüber der früheren Sowjetunion besteht, nun die Begründung sein kann, um bei deren Rechtsnachfolger keine Rohstoffe mehr zu kaufen, sondern stattdessen ideologische Nachfolger der Nazis aufzurüsten. Man muss aber vor allem Habeck sein, um zu verstehen, inwiefern diese Aussage eine Antwort auf die Frage nach den in der deutschen Stromversorgung fehlenden 30 Gigawattstunden ist. Er ist so besessen von der Ukraine, dass er sogar einen "ersten Angriffskrieg, den Russland 2014 gegen die Ukraine geführt hat" erfindet. Man ist versucht, ihm die Aufnahmen aus Lugansk vom 2. Juni 2014 in Dauerschleife vorzuspielen, und dabei die alte Ricola-Werbung zu wiederholen: "Wer hat's erfunden?"
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