Von Sergei Sawtschuk
Die Schizophrenie der westlichen Länder erreicht immer neue, unmöglich geglaubte Höhen. Je weiter sich die Finanz- und Energiekrise ausbreitet, desto schriller und lauter werden die gegenseitigen Vorwürfe. Vor allem Deutschland wird in letzter Zeit immer häufiger vorgeworfen, auf halbem Weg zu einer kohlenstofffreien Energiewirtschaft stecken geblieben zu sein.
Tatsächlich ist der Verbrauch fossiler Energieträger in Deutschland zuletzt sogar gestiegen. Im ersten Quartal dieses Jahres entfielen 30 Prozent der Energieerzeugung des Landes auf Kohle und insgesamt 51,4 Prozent auf konventionelle Energieträger, einschließlich der Kernenergie, die die Deutschen nicht als umweltfreundlich ansehen und aus der sie so gut wie ausgestiegen sind.
Allerdings müssen die deutschen Bemühungen um erneuerbare Energien schon gewürdigt werden: Der Anteil der Windenergie am Energiemix des Landes liegt seit kurzem über dem der Kohle. Doch das bewahrt Berlin nicht vor der Kritik, dass es nicht genug für den grünen Übergang tue und nicht schnell genug handele.
Die deutsche Außenministerin hat auf diese Kritik bereits mit einer fantastischen Verdrehung der Logik reagiert: Sie gibt Russland und seinem Pipeline-Gas, das Deutschland seit Jahrzehnten zu sehr günstigen Preisen bezieht, die Schuld. Annalena Baerbock ist überzeugt, dass dieser Faktor die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf einen grünen Standard blockiert hat. Und jetzt, wo das aggressive russische Gas nicht mehr auf deutsches Territorium fließt, kann sich Berlin darauf konzentrieren, seine Verpflichtungen zur Umstellung der Stromerzeugung zu erfüllen. Falls es jemand vergessen haben sollte: Berlin droht damit, bis 2030 mindestens 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Doch wie sich herausstellt, hat Russland es auch hier geschafft, den Umstellungsprozess zu sabotieren.
Ein normaler Mensch mit mindestens Abitur, der so einen Unsinn liest, hat wahrscheinlich nur einen Wunsch: der Chefin des deutschen Außenministeriums ein Buch über Logik zu schenken. Frau Baerbock ist jedoch das Muster einer Vertreterin moderner europäischer Eliten, was Niveau und Qualität angeht. Derjenigen Eliten, die die Alte Welt ihres früheren Status als souveräner und gewichtiger Akteur auf der internationalen politischen Bühne beraubt und sie zu einer gehorsamen Dienerin des Willens gewisser Überseeländer reduziert haben.
Annalena Baerbock war schon früher Gegenstand von Witzen, die sie selbst produzierte. So brachte sie im Februar dieses Jahres die halbe Welt mit einer Rede zum Lachen, in der sie erklärte, Russland müsse eine Politikwende um 360 Grad vollziehen. Damals lachten alle darüber, dass Annalena in der Schule keine Geometrie gelernt habe, aber dann stellte sich heraus, dass diese Frau auch Probleme mit dem gesunden Menschenverstand hat.
Spaß beiseite, solche schizophrenen Äußerungen sind vergleichbar mit der Arbeit eines Orchesters, das einen Bravour-Marsch auf dem Deck eines rasant sinkenden Ozeandampfers spielt. Die Bürger der Europäischen Union, unabhängig von der Farbe ihres Passes, werden nach wie vor darauf getrimmt, dass Russen immer an allen Schwierigkeiten und Problemen der Europäer schuld sind. Selbst dann, wenn sie bislang mit ihrer billigen Energie die Wirtschaft eines Landes gestützt haben und die Importe nun nur aufgrund der Bemühungen des Käufers selbst gestoppt wurden.
In zahlreichen Publikationen wurde bereits wiederholt geschrieben, dass die Länder der Eurozone – die freiwillig die Öl- und Gaspipelines aus dem Osten gekappt haben–, riesige ungeplante Verluste erleiden. Denn jetzt müssen sie die ausgefallenen Mengen in aller Welt aufkaufen. Die Amerikaner und Norweger, die vor einem Jahr die russische Nische besetzt haben, denken nicht daran, ihr Gas und Öl zu Preisen zu verkaufen, die das Wirtschaftswachstum in der EU ankurbeln würden.
Erinnern wir uns an die grundlegenden Fakten.
Vor der Verhängung der Sanktionen war Deutschland das reichste Land in der EU und der wichtigste Geber für den EU-Haushalt, der jährlich mehr als 20 Milliarden Euro in die gemeinsamen Kassen einzahlte. Weitere Geberländer waren Frankreich, die Niederlande, Schweden, Italien, Österreich, Dänemark und Finnland. Alle anderen Länder waren Nehmerländer und erhielten das Geld in Form von praktisch nicht rückzahlbaren Krediten.
Zu Beginn des Sommers 2023 weist die einst mächtigste Volkswirtschaft Deutschlands nach Ansicht deutscher Ökonomen die schlechteste Leistung und Dynamik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf. Insbesondere im ersten Quartal dieses Jahres schrumpfte das deutsche Finanzsystem um 0,3 Prozent und weist weiterhin negative Werte auf. Was de facto einer Rezession gleichkommt. Hinzuzufügen ist, dass dieser Prozess kein einmaliger ist, sondern mit zaghaften Anläufen seit 2019, also seit Beginn der Pandemie, andauert.
Das Coronavirus war dem Team von Scholz nicht genug, und daher trafen sie die verhängnisvolle Entscheidung, sich in der Finanz- und Energiewirtschaft selbst ins Bein zu schießen.
Was den Erzeugungssektor im Einzelnen betrifft, brauchen wir nichts zu erfinden, sondern können uns auf die offiziellen Daten des Statistischen Bundesamtes berufen.
Hier erfahren wir, dass die Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft ist und dass die Inflation in Deutschland im Mai auf 6,3 Prozent sank – gegenüber 7,4 Prozent im April sowie März, und 8,7 Prozent im Februar.
Mit Hinblick auf die Stromerzeugung ist leicht zu erkennen, warum Baerbocks Kollegen nicht in der Lage sind, die Blume des nachhaltigen Wirtschaftens zum Erblühen zu bringen. Die Stromerzeugung aus Kernenergie sank im Vergleich zu 2020 um 40 Terawattstunden, die aus Erdgas um weitere zehn Terawattstunden. Bei einer Gesamterzeugung von 571 Terawattstunden ist es nicht schwer, die Höhe des Rückgangs zu berechnen. Auch wenn man bedenkt, dass die Gesamterzeugung um fast zwei Prozent gesunken ist, was ein untrügliches Zeichen für eine echte Stagnation ist.
Auf der Habenseite stehen die berüchtigten erneuerbaren Energien, die im gleichen Zeitraum nur um drei Terawattstunden zunahmen, während der Verbrauch von Kohle, sowohl Steinkohle als auch Braunkohle, in die Höhe schoss. Die Stromerzeugung aus diesen festen Brennstoffen stieg sogar um 22 Terawattstunden, was der triumphalen Rhetorik aus Berlin und Brüssel nicht ganz entspricht.
Natürlich hat die deutsche Regierung viel detailliertere Zahlen. Und um das ganze unschöne Bild irgendwie zu verwischen, wird Annalena ins Rampenlicht gezerrt und gibt kurzerhand noch einen Schwindel von sich. Alle lachen und sind von den echten Problemen ihres Landes abgelenkt.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 9. Juni 2023 auf ria.ru erschienen.
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