"Die reden Russisch miteinander" – Wie Polen in der Türkei einen Strandkrieg vom Zaun brachen

Ein Artikel in einer polnischen Zeitung griff die Aufgeregtheit auf, mit der Polen reagieren, wenn sie im Urlaub auf Tatsachen treffen, die ihrem Weltbild widersprechen. Russen und Ukrainer, die miteinander (auf Russisch) friedlich kommunizieren, Volleyball spielen und in Bars trinken? Unmöglich!

Von Marina Achmedowa

Die polnische Zeitung Myśl Polska hat einen bemerkenswerten Artikel über den Krieg publiziert, den die Polen in der Türkei begonnen haben. Es ist ein Strandkrieg ohne Waffen.

"Wie kann es sein, dass dort Krieg herrscht und so viele Ukrainer in die Türkei in den Urlaub fliegen, auch vom polnischen Flughafen in Rzeszów?",

fragte die empörte Leserzuschrift, die von der Zeitung zum Ausgangspunkt des Artikels genommen wurde.

Dieser Art von Zuschriften scheint es viele zu geben und der Artikel zitiert sie auch an anderer Stelle: 

"Bereits in der vorangegangenen Urlaubssaison gab es eine Fülle von empörten Beiträgen und mehr oder weniger authentischen Berichten, die von der polnischen Presse gern zitiert wurden, wie sich die tapferen polnischen Strandhusaren weigerten, mit den Russen Beachvolleyball zu spielen, oder wie sie den Moskowitern regelrecht die Kluszyn-Bar vorführten. Die Tatsache, dass für Türken und Ägypter alle Slawen gleich klingen, verschlimmerte das polnische Gefühl noch, und so wurden aus Helden (im wahrsten Sinne des Wortes) Leute wie der Mitarbeiter eines polnischen Reisebüros, der einer Wachsfigur von Wladimir Putin in einem der türkischen Urlaubsorte heldenhaft den Stinkefinger zeigte."

Polen kommen also in Ferienorte in der Türkei, treffen dort auf Russen und Ukrainer, die ebenfalls Urlaub machen, und sind aufrichtig entrüstet darüber. Allerdings ärgern sie Russen und Ukrainer aus unterschiedlichen Gründen: Die Russen als "Aggressoren", als Verkörperung des Bösen auf der Welt, das zu Hause eingesperrt werden und nicht in der Welt herumreisen sollte, die Ukrainer, indem sie sich erholen, anstatt im Donbass zu sterben. Liefern die Polen ihnen nicht zu diesem Zweck kostenlos Waffen? Okay, wenn schon nicht zum Sterben, dann sollten die Ukrainer wenigstens leiden und nicht Urlaub machen.

Aber in der Türkei müssen die Polen feststellen, die im Gegensatz zu den Russen und Ukrainern jedes Recht auf einen sonnigen Urlaub haben, dass nicht nur der Ort voller Russen und Ukrainer ist … sie entdecken etwas noch viel Ungeheuerlicheres: Statt unter der russischen Aggression zu leiden, spielen die Ukrainer mit den Russen an den Stränden Volleyball. Außerdem fühlen sich Ukrainer, die eigentlich leiden sollten und die laut den Polen nur von der polnischen Sozialversicherung leben, in der Türkei so wohl, dass sie dort Wohnungen kaufen. All das zerreißt das Bild, das man in Polen von der Welt hat, in Stücke.

Im Weltbild des Polen würde ein Ukrainer, der irgendwo auf neutralem Gebiet einem Russen begegnet, sich auf der Stelle für Butscha, Bachmut und Mariupol rächen. In der Türkei aber reden Russen und Ukrainer zu allem Überfluss auf Russisch miteinander, als ob nichts geschehen wäre.

Also beschlossen die Polen, selbst etwas dagegen zu tun – sie begannen, sich trotzig zu weigern, mit den Russen und Ukrainern Volleyball zu spielen und schikanierten sie in den Bars. Das hätte den kollektiven Polen vielleicht Genugtuung verschafft, aber dann kamen die Türken und begannen, die Polen ihrerseits zu ärgern.

Der Türke wagte es, die Polen mit den Russen und Ukrainern zu verwechseln! Für einen Türken sehen alle Slawen gleich aus. Das gleiche Gesicht? Nein, wie ist das möglich? Herr Pole hat sich längst von der slawischen Welt abgekapselt, sich über sie erhoben und europäisierte Gesichtszüge erworben. Wie kann man einen Europäer mit einem russischen Asiaten verwechseln? Wie kann man einen Herrn Polen mit einem armseligen Ukrainer verwechseln, bei dem er zwar bereit ist, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen, um ihn dort grobe Arbeit verrichten zu lassen, aber nicht, um mit ihm Volleyball zu spielen.

Es war also schließlich der Türke, der dem Polen den verdienten Urlaub ruinierte. Der Pole hätte wenigstens noch seinen Spaß gehabt, wenn er in Bars den Russen und den Ukrainer ungehindert hätte schikanieren und sie gemäß seiner historischen Tradition gegeneinander hätte aufhetzen dürfen. Aber der Türke kam und versetzte dem Weltbild, das die polnische Propaganda jahrelang so hartnäckig und mühsam aufgebaut hatte, einen K.-o.-Schlag.

Sobald der Pole in die Welt trat, stellte sich heraus, dass alles nicht so ist, wie er es sich vorgestellt hatte und wie es ihm erzählt worden war. Und jetzt ist seine Stimmung natürlich verdorben. Und das spiegelt sich auch in seinem Gesicht wider.

Der Pole war überzeugt, dass auf seinem Gesicht der vornehme Ausdruck eines fortschrittlichen Europäers eingefroren ist, aber der Türke sah nur den Gesichtsausdruck einer verärgerten Gans. Und nur dadurch unterscheidet sich für ihn der Pole von den Russen und den Ukrainern, ansonsten sehen sie für ihn nämlich tatsächlich alle gleich aus.

Immerhin ist Hoffnung in Sicht, denn der polnische Artikel selbst rät den Landsleuten, sich zu entspannen: 

"Die polnischen Strandbar-Kriege sind einfach kindisch und lächerlich, zumal sie wahrscheinlich nur uns selbst treffen. Wäre es nicht besser, einfach die Sonne zu genießen, sich zu entspannen, zu shoppen, All-inclusive-Pakete zu buchen und was auch immer, anstatt auf der Sonnenliege über die Komplexität der Weltpolitik zu diskutieren, die die meisten von uns nur aus dem Fernsehen kennen? Es hat wahrlich keinen Sinn, an eine mythische "kollektive Weisheit" der Nation zu appellieren und davon zu träumen, sie wiederzuerlangen. Viel realistischer ist der Vorschlag, dass unsere Landsleute sich nicht den Kopf über Dinge zerbrechen sollten, bei denen sie offensichtlich ohnehin manipuliert werden. Polen, lasst uns uns entspannen!"

Dem Rat kann man sich nur anschließen. 

Übersetzt aus dem Russischen.

Marina Achmedowa ist Schriftstellerin, Journalistin und Mitglied des Menschenrechtsrates der Russischen Föderation. Sie schreibt für die Zeitschrift "Der Experte" und ist Redakteurin der Plattform "Regnum". 

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