Von Bernhard Loyen
Wer Anton Hofreiter in Natura erleben muss, also darf, denkt unmittelbar, der Mann hat definitiv zu hohen Blutdruck. Kräftig in der Statur, gut genährt, annähernd provokative Körperhaltung - breitbeinig und laut dazu - so erlebt man in Berlin wohnend die Auftritte Hofreiters im Regierungsbezirk Mitte, ob auf der Straße, auf dem Fahrrad oder vor dem Supermarkt laut gestikulierend im Gespräch.
Nun findet sich Hofreiter also auf der offiziellen "Liste der Teilnehmer 2023" der diesjährigen Bilderberg-Konferenz in Lissabon. Deutschland wird mit insgesamt sieben Teilnehmern entsprechende Interessen vertreten. "Was macht aber Anton Hofreiter da?", werden sich womöglich Leser fragen. Hofreiter ist studierter Biologe mit Abschlusstitel, war dann verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Im Jahr 2013 teilte er sich zusammen mit Katrin Göring-Eckardt den Vorsitz der Bundestagsfraktion seiner Partei. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen 2021 war Hofreiter dann im Gespräch für das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers. Das hemdsärmelige Klischee reichte jedoch nicht gegen das aalige und schmierige Dasein des Cem Özdemir.
Auch der gut dotierte Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Bahn wurde ihm nicht gegönnt. Bevor der Puls mal wieder 200 erreichte, wurde Hofreiter zuvor noch im Dezember 2021 schnell zum "Vorsitzenden des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union" ernannt. Irgendwelche Qualifikationen für diesen sensiblen Posten, wie immer in der aktuellen Politwelt, nicht vorhanden, wozu auch? In dieser Funktion reiste er dann am 12. April 2022 mit den sehr guten Lehrmeistern Michael Roth (SPD), dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Vorsitzenden des deutschen Verteidigungsausschusses, zusammen nach Kiew. Die Übung lautete: (gemeinsames) verbales Poltern gegen Russland.
Es erklärt sich damit, warum nach Tagen belehrenden Dauerbeschusses einer Strack-Zimmermann im Zugabteil Hofreiter am 20. April, vorbildlich verinnerlicht und wenig geschichtsbewusst, im Morgenmagazin (moma) laut ZDF inhaltlich dampframmte: "Lasst uns das einfach tun". Ja, aber was?
"So schnell wie möglich schwere Waffen liefern. Der Zeitpunkt für eine Lieferung schwerer Waffen sei gekommen, weil die Ukrainer jetzt noch 'die Zeit hätten, ihre Soldaten an diesem Material zu trainieren'", so Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzender Europaausschuss Bundestag. Deutschland bremse bei Sanktionen wie bei Waffen."
Brav auswendig gelernt sprach der Quereinsteiger der deutschen Außenpolitik zuvor im Februar davon, dass Europa eine "besondere moralische Verpflichtung gegenüber der Ukraine" besäße, die darin bestehe, dass "die Ukraine gerade Demokratie und Freiheit für alle europäischen Staaten verteidigt". Zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine lautete die Einschätzung des "Toni" Hofreiter im Jahre 2015 noch: "Das lehnen wir - Bündnis90/Die Grünen - ab, es erschwert die politische Lösung und es hilft auch nicht". Ein Standpunkt, den er rückblickend in einer Maischberger-Sendung im Juni als "wahrscheinlich naiv" und "vermutlich falsch" bezeichnete. Seinem aktuellen Posten verpflichtet und inhaltlich mittlerweile erfolgreich konditioniert, plädierte Hofreiter im Folgesatz dann auch gleich für die Lieferung schwerer Waffen in ein Kriegsgebiet, um dadurch den so "wichtigen Frieden" zu erlangen. Ein irritierendes und vor allem fatales Logikverständnis der gesamten amtierenden Ampelkoalition.
Nun darf Herr Hofreiter auf Steuerzahlerkosten nach Lissabon fliegen. "Hier besprechen die Bilderberger die Lage der Welt", wusste die dem Springer-Verlag zugehörige Welt bereits im Jahr 2016 zu berichten. Diesjähriger deutscher Delegationsteilnehmer daher wenig überraschend erneut Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE.
Die Menschheit erlebt eine beschwerliche Zeit künstlicher Ausnahmeszenarien. Sollte es deshalb einem zu denken geben, dass in Lissabon auch Albert Bourla, Chef des Pharmagiganten Pfizer und Bussi-Bussi-Freund von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet wird? Die deutsche Pharmaszene wird in der deutschen Delegation abgedeckt durch die Spanierin Belén Garijo, als Vorsitzende des deutschen Pharmaunternehmens Merck. Ein weiterer deutscher Vertreter ist Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF. Des weiteren Paul Achleitner, Mandatsbeisitzender bei der Deutschen Bank und zudem Aufsichtsratsmitglied bei der Bayer AG. Einzige Beruhigung: Karl Lauterbach ist nicht dabei.
Politisch flankiert wird Hofreiter von dem zur Not möglichen Spickzettellieferanten Norbert Röttgen (CDU), bekannt als treuer und zuverlässiger US-Vasall und stellvertretender Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Röttgen teilte dem für internationale Politik anerkannten Fachblatt Super Illu jüngst mit:
"Als Schwächlinge werden wir keinen Beitrag zum Frieden leisten können."
Hofreiter wird das Interview in der Vorbereitung gelesen haben und für sich gedacht haben: "Ja mei, super, so muass ma des formulieren". Die Gesamtleitung der Atlantik-Brücke organisiert im Moment SPD-Urgestein Sigmar Gabriel. Daraus ergibt sich der Sinn für Delegationsteilnehmer Nummer 6, Wolfgang Schmidt (SPD), Bundesminister für besondere Aufgaben, Chef des Bundeskanzleramtes und Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes seit 2021.
13 Themen umfasst das offizielle Programm des Bilderberg-Treffens 2023:
- Künstliche Intelligenz, Bankensystem, China, Energiewende, Europa, Finanzielle Herausforderungen, Indien, Industriepolitik und Handel, NATO, Russland, Transnationale Bedrohungen, Ukraine.
Der dreizehnte Programmpunkt lautet annähernd realsatirisch "US-Führung", daher auch nicht verwunderlich, dass erneut Henry Kissinger geladen wurde, der am 23. Mai 100 Jahre alt wird. Gerüchten zufolge fragt ein US-Präsident Joe Biden an schlechten Tagen auch mal "wtf is Henry?". Anton Hofreiter gehörte kurz vor der Abreise zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes mit dem Titel:
"F-16 für die Ukraine: Offener Brief an Joe Biden"
Die Webseite der Veröffentlichung nennt sich "hold these truths" eines Richard Herzinger. Herzinger betreibt die Seite seit 2020, ist Publizist und schreibt für zahlreiche deutsche und internationale Zeitungen, unter anderem eine zweiwöchentliche Kolumne für das ukrainische Magazin Український Тиждень (Ukrainische Woche). Hofreiter unterstützt mit seiner Unterschrift folgende Wahrnehmung:
"Nur der vollständige Sieg der ukrainischen Armee kann den völkermörderischen russischen Aggressor davon abhalten, Tod und Vernichtung nach der Ukraine auch über weitere Nationen und Völker in Europa und der ganzen Welt zu bringen."
Die Unterschrift belegt, wozu ein Anton Hofreiter bereit ist, welche Gedanken sich in seinem politischen Dasein jüngst eingefräst haben. Bewusst sehr provokativ decodiert: "Wollen wir den totalen Krieg? An mir soll es nicht scheitern". Unangenehm devot, möglicherweise als Bewerbungstext zur Realisierung Hofreiters Karrierepläne, heißt es weiter in der Veröffentlichung:
"Sehr geehrter Herr Präsident, zunächst möchten wir Ihnen, Verteidigungsminister Lloyd Austin, Außenminister Antony Blinken und der sehr breiten überparteilichen Koalition im Kongress für Ihre unerschütterliche Unterstützung der Ukraine und für die Führungsrolle danken...Wir teilen Ihre Auffassung, die General Christopher Cavoli so treffend zusammengefasst hat: 'Russland kann aus diesem Krieg nicht als Sieger hervorgehen, das würde unsere Zukunft nicht verkraften'."
Cavoli ist seit Juli 2022 leitender NATO- und EUCOM-Kommandeur. Demgegenüber verkraften und aktuell ertragen muss die deutsche Bevölkerung die verantwortlichen Politiker rund um das Kanzleramt. Nach einem beschämenden Bundeskanzler Olaf "Slawa Ukrajini" Scholz, einem auf Zerstörungsmodus geeichten Robert Habeck, einer geschichtlich mindergebildeten Annalena Baerbock, der dauerkriegslüsternden Agnes Strack-Zimmermann nun also noch der "Dampframmen"-Verbalakrobat Anton Hofreiter, als neuer Panzerbrecher einer völlig aus dem Ruder laufenden Amok-Außenpolitik in den Weiten der internationalen Polit-Schlachtfelder.
Diesem Land bleibt gerade aber auch gar nichts erspart. Man muss wirklich noch mit den bizarrsten und absurdesten Entscheidungen aus dem politischen Berlin auf der internationalen Bühne von Politdarstellern rechnen. Im Jahr 2015 titelte der Deutschlandfunk: "Auf der jährlichen Bilderberg-Konferenz wird über unser aller Schicksal entschieden, meinen Verschwörungstheoretiker". Wie viele "Verschwörungsmythen" sich allein in den letzten drei Jahren als reine Wahrheit herauskristallisiert haben, sollte daher mehr als nachdenklich stimmen.
Wir leben in sehr bedenklichen und beunruhigenden Zeiten.
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