Von Felicitas Rabe
Noch vor der Sommerpause will der Bundesgesundheitsminister die erforderlichen Gesetzesänderungen für die Reform der digitalen Patientenakte durch das Parlament absegnen lassen. Die Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums veröffentlichte am Montag ein ausführliches Interview mit Karl Lauterbach über seine Sicht zur Patientendatensammlung und die geplante "bundesweite Aufklärungskampagne" Das Interview mit der Funke Mediengruppe erzeugte ein großes Medienecho.
Die digitale Patientenakte, kurz ePA, wurde als freiwilliges Angebot im Jahr 2021 gestartet. Dabei mussten die gesetzlich Versicherten bislang aktiv in die Einrichtung einer digitalen Datei, in der ihre Gesundheitsdaten zusammengefasst werden, einwilligen. Wie auch das Ärzteblatt berichtete, wurde das Angebot von den 74 Millionen gesetzlich Krankenversicherten aber kaum angenommen. Ab 2024 soll deshalb die digitale Akte für alle Patienten verpflichtend werden. Wer nicht widerspricht, dessen Daten landen automatisch in der Datensammlung.
Lauterbach: Mit der ePA gebe es weniger gefährliche Nebenwirkungen von Medikamenten
So rührt der Gesundheitsminister jetzt die Werbetrommel und stellt die seiner Meinung nach außerordentlichen Vorteile der Gesundheitsdatensammlungen dar. Beispielsweise könnten Ärzte Lauterbach zufolge anhand der digitalen Akte viel besser diagnostizieren und therapieren. Den Patienten käme unter anderem angeblich zugute, dass sie aufgrund besser abgestimmter Therapien keine gefährlichen Wechselwirkungen von Medikamenten mehr zu befürchten hätten. Die Prävention gesundheitsgefährdender Nebenwirkungen bei medikamentösen Behandlungen wäre demzufolge ein grundsätzlich großes Anliegen von Karl Lauterbach.
Bei den vielen Vorteilen bleibt es ein Rätsel, warum Menschen sich der Datensammlung bisher verweigerten. Sie müssen jetzt quasi zu ihrem Glück gezwungen werden und das, obwohl auch laut Funke Mediengruppe viele Patienten bislang von unnötigen Mehrfachuntersuchungen genervt seien.
Insgesamt kann man sich bei Sichtung der Beiträge in den Mainstream-Medien des Eindrucks nicht verwehren, dass die Redaktionen sich der ePA-Werbetrommel des Gesundheitsministers anschließen. Hier und da wird über Nachbesserung bei der Sicherung der Daten debattiert. Aber grundsätzlich wird die Datensammlung nicht infrage gestellt.
Die schleichende Einführungsagenda bei der ePA – Muss man jeder Stufe einzeln widersprechen? Sieht so Freiwilligkeit aus?
Es wird zwar auch seitens der Bundesärztekammer betont, die Patientenakte bleibe weiterhin freiwillig – aber wie das Gesundheitsministerium die Freiwilligkeit im Fall der ePA konkret managt, ist nicht Gegenstand einer Debatte. Und wie Freiwilligkeit bei Maßnahmen des Gesundheitsministeriums in der Praxis gehandhabt wird, konnte man bei den "freiwilligen" Coronaimpfungen in den vergangenen drei Jahren bereits an Leib und Seele erfahren. Die Ausführungen der Bundesärztekammer über die unterschiedlichen Stufen und die zeitliche Agenda bei der Einführung der digitalen Datensammlung scheinen auf den ersten Blick auch ähnlich verwirrend wie die unterschiedlichen Stufen und Maßnahmen in der Coronapandemie.
Schließlich wird die Akte automatisch für jeden gesetzlich Versicherten eingerichtet. Wo und wie die Bürger der ePA widersprechen können, und ob man das bei jeder einzelnen Stufe tun muss, wird erst gar nicht bekannt gegeben. In dem Rahmen wird zum Beispiel ab dem 1. Januar das elektronische Rezept verbindlich. Somit sind Ärzte und Apotheker schon mal gezwungen, sich dementsprechend digital umzurüsten. Damit die Ärzte motiviert werden, die Patientenakten Software gleich mit einzurichten, verspricht Lauterbach den Ärzten dazu eine Sondervergütung. Gegenüber den Funke Medien erklärt er:
"Wichtige Befunde – vor allem die neuen – müssen aber digitalisiert werden. Das wird Aufgabe der Ärzte sein. Wir werden die Erstbefüllung der Patientenakte zusätzlich honorieren."
Hört sich das nach einer konzeptionellen Freiwilligkeit bei der ePA an? Oder erinnert das nicht eher an Bratwurst bzw. Kaviar für die Ärzte, die mitmachen? Seit wann und warum muss ein Gesundheitssystem mit Belohnungen locken, damit sich Ärzte und Patienten von Ministerien beschlossene Maßnahmen beteiligen? Das wirft doch Fragen auf!
Bleiben die Patientendaten tatsächlich anonym?
Es gibt auch widersprüchliche Darstellungen, wie die Patientendaten anonymisiert werden sollen. Denn, dass die Information über ihre Erkrankungen ein zu schützendes Gut ist, scheint allen Beteiligten klar zu sein. Wer möchte schon veröffentlicht wissen, dass er unter einer Suchterkrankung leidet oder sich schon mehrfach Geschlechtskrankheiten zugezogen hat. Selbst moralisch unbedenklichen Erkrankungen wie Hämorriden oder Depressionen verbreitet man eher nur im engsten Familienkreis. Abtreibungen, Vergewaltigungen, AIDS, aber auch Übergewicht oder Warzen – Verletzungen und Krankheiten sind etwas Intimes.
Krankheiten sind verbunden mit Verletzlichkeit und Scham über Erlebtes und über das persönliche Schicksal. Menschen wollen diese Themen nur mit vertrauten Menschen teilen. Zu groß ist die Sorge, sich mit der Preisgabe gesundheitlicher Probleme angreifbar zu machen, verurteilt und schlimmstenfalls ausgegrenzt oder erpresst zu werden.
Sanktionen bei Untersuchungs- und Behandlungsverweigerungen?
Durch die Preisgabe von Gesundheitsdaten könnte man zudem zukünftig auch vermehrt kriminalisiert werden. Zum Beispiel, wenn man die mit einem mangelnden Impfstatus verbundenen Auflagen – 2 G-Regeln – nicht einhält. Denn die Impfungen werden selbstverständlich auch digital protokolliert. Soll man also zukünftig bei allen "Behandlungsverfehlungen" juristisch belangt werden? Schließlich würde man damit die Einnahmen der Gesundheitsindustrie verringern.
Inwieweit würde der Gesundheitsminister Druck auf uns ausüben und der Staat uns bestrafen, wenn wir bei laufender Überwachung unserer Gesundheitsdaten bestimmte Untersuchungen und Behandlungen verweigern sollten? Lauterbach verspricht, dass die Gesundheitsdaten bei der Weitergabe an Forschungseinrichtungen anonymisiert werden. Im Widerspruch dazu steht aber seine Aussage, es sei sinnvoll,
"mithilfe von digitalen Daten Patienten mit besonderen Risikofaktoren zu identifizieren und dann über drohende Krankheiten zu informieren."
Das hört sich zunächst so an, als lägen dem Minister die Krankheitsvorsorge und das Wohl der Bürger ganz besonders am Herzen. Dabei verbirgt sich gerade auch hinter der Offenlegung und persönlichen Zuordnung der Daten ein großes Geschäftspotenzial für die Gesundheitsindustrie: Den Patienten können individuell zugeschnittene "Gesundheitsangebote" und Heilversprechen gemacht werden. Zudem werden Genforschung und Gentherapiegeschäfte von einer umfassenden Digitalisierung der Gesundheitsdaten profitieren. Damit könnte man Krankheitsprofile mit bereits vorhandenen Gendatenbanken abgleichen und weitere auf Gentechnik basierende Medikamente auf den Markt bringen.
Künstliche Intelligenz wird den Arzt ersetzen
Optimal könnten digitale Daten mit Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt werden, stellte die Funke Mediengruppe fest. Wie Lauterbach zukünftig die Rolle der KI bei der Patientenversorgung sehe, wollte man im Interview als Nächstes wissen.
"Künstliche Intelligenz kann manchmal besser sein als ein geübter Facharzt",
erklärte der Minister. Die Künstliche Intelligenz könne auch Fragen beantworten, so die Mediengruppe. Wie könnte das in der Therapie zum Einsatz kommen? Nach Lauterbachs Auffassung würden Computer zukünftig Diagnosen und Therapien berechnen:
"Generative KI-Systeme wie ChatGPT sind unfassbar vielseitig. Sie werden in der Lage sein, auf Basis von Gesundheitsdaten medizinische Befunde zu entwickeln. Sie werden sogar auf der Grundlage von bestehenden Befunden eine Diagnose stellen oder Prognose einschätzen können."
"Es wird bald Programme geben, bei denen ein Patient Symptome, Befunde und bisherige Behandlungen mündlich erklärt und dann von der KI eine Einschätzung seiner Krankheit und sogar mögliche Therapievorschläge bekommt."
Damit wird deutlich, wofür man Patientendaten neben Forschungszwecken und Profiten für die Gesundheitsindustrie noch nutzen wird: Man wird mittels ePA und KI den lebenden Arzt mehr und mehr ersetzen. Die Jahrtausende alte Tradition der vertrauensvollen und individuellen Beziehung zwischen Arzt und Patient als Grundlage für Heilung wird damit verlassen.
Aber scheinbar hat sich Karl Lauterbach mit seinem Pandemie-Management und den von ihm noch bis zuletzt verteidigten Coronamaßnahmen so bewährt, dass ihm infolgedessen jetzt die Umstellung des Gesundheitssystems auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz anvertraut wird. An ihm scheint trotz Kritik an der Pandemie-Politik, die mittlerweile sogar den Mainstream erreicht hat, kein Zweifel aufzukommen. Vielmehr geht es jetzt darum, ob Deutschland mithalten könne, beim "wachsenden Markt der digitalen Gesundheitsanwendungen". Dem Anteil am wachsenden Markt gilt jetzt Lauterbachs ganze Sorge:
"Bei den Investitionen in KI fallen wir jetzt schon deutlich zurück: Nur etwa ein Prozent der weltweiten Investitionen in KI landen in Deutschland. Der Trend wird sich erst umkehren, wenn wir eine international wettbewerbsfähige Dateninfrastruktur haben und den Rechtsrahmen, der sowohl der universitären als auch der privaten Forschung den Zugang zu diesen Daten ermöglicht. Dafür müssen wir sorgen."
Das große Geschäft mit unser aller Gesundheitsdaten
Darum geht es also in Wirklichkeit um das Geschäft mit Gesundheitsdaten. Darum verschließt man jetzt die Augen vor dem, was Lauterbachs Gesundheitspolitik während der Pandemie an psychischen Langzeitfolgen bei Kindern verursacht hat. Man will nicht mehr sehen, dass er mitverantwortlich war für massenhaft einsames Sterben in Altersheimen. Man interessiert sich nicht mehr für seine Lügen in Bezug auf Wirkung und Sicherheit der Coronaimpfungen und übersieht seine Mitverantwortung für die vielen Impfgeschädigten, deren Leid inzwischen sogar im Mainstream angekommen ist. Nein, dieser Mann wird nicht fallen gelassen – dazu war er für manche Kreise wohl zu nützlich.
Genau der Mann, der uns in vorderster Verantwortung so viel psychische und körperliche Schäden eingebrockt hat, ausgerechnet ihm wird jetzt die Umstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf Künstliche Intelligenz übertragen. Geht es bei der digitalen Patientenakte und dem Einsatz der KI überhaupt um die Verbesserung der Gesundheitsversorgung? Und wird die digitale Patientenakte für die Bürger tatsächlich freiwillig sein?
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