Von Marina Chakimowa-Gatsemayer
Für die öffentliche Unterstützung (Parteinahme) der russischen Armee kann man in Deutschland mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. Erst kürzlich erfuhr ich dies, als ich ein Schreiben meines deutschen Anwalts mit den Gerichtsakten erhielt, bezüglich des Falls, den die deutschen Behörden gegen mich nach § 140 des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland "Belohnung und Billigung von Straftaten", § 130 StGB "Leugnung, Rechtfertigung oder Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen", § 130a "Verbreitung von Material, das als Anleitung zu strafbaren Handlungen dient", § 82 StGB "Hochverrat gegen ein Land", § 138 StGB "Nichtanzeige geplanter Straftaten", § 80a "Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression" und § 80 "Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates. Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat". [Der letzte Paragraf hat eine Änderung erfahren, wobei § 80 StGB weggefallen und neu durch § 13 VStGB "Verbrechen der Aggression" abgelöst ist, und dieser sieht eine lebenslange Haft vor.]
Der Grund für die Anklage sind meine Publikationen in den sozialen Medien über die Lage im Donbass, die durch Denunzianten akribisch kopiert, ins Deutsche übersetzt und an die deutsche Polizei geschickt wurden.
Weitaus beeindruckender waren jedoch die Mitteilungen, die in meinem [elektronischen] Postfach eingingen, nachdem ich in meinem Blog darüber berichtet hatte. Bürger unseres Landes im Ausland und russischsprachige Bürger Europas erzählten mir ihre Geschichten, die mit Russophobie zu tun haben. Im Unterschied zu mir haben sich viele von ihnen nie offen prorussisch geäußert. Sie sind einfach russischsprachig, sind in Russland geboren oder haben dort gelebt, versuchen russisches Fernsehen zu sehen und verfolgen die Nachrichten in den russischen Medien. Einige der Mitteilungen in meinem Postfach lauteten:
"Mein Chef fordert von mir die Unterzeichnung eines Dokuments, das meine Verurteilung der 'russischen Aggression' zum Inhalt hat. Sonst wird er mich entlassen".
"Eine deutsche Bekannte sagte, sie 'blockiere' unsere Beziehung, da sie für die Kommunikation mit mir 'bestraft' werden würde".
"In der Schule malte meine Tochter eine Taube – ein Symbol des Friedens – anstelle der ukrainischen Flagge. Die Lehrerin hat ihre Zeichnung vor der ganzen Klasse zerrissen".
"Mein russischer Nachname steht auf dem Briefkasten am Hauseingang. Ich vermute, dass jemand deshalb den Inhalt seiner Toilettenschüssel unter meiner Tür platziert".
"Ich konnte nicht verstehen, weshalb mein Nachbar aufgehört hatte, mich zu grüßen, und gestern sah ich, dass er ein T-Shirt trägt, auf dem 'Kill the Russians' steht".
"In Berlin wurde die Jagd auf Russen eröffnet, ihre Adressen und Autonummern wurden gesammelt".
"Meine Enkelkinder wurden in einem Heim untergebracht mit der Begründung, dass 'die Eltern einen asozialen Lebensstil führen'. Doch wir sind sicher, es ist so, weil wir zu Hause Russisch sprechen und die Ukraine nicht offen unterstützen".
Der deutsche Anwalt und Menschenrechtsaktivist Harry Murray sagte über die russophobe Jugendgerichtsbarkeit:
"Die Polizei brach in das Haus von Julia Seibert ein, einer Russlanddeutschen, die seit Langem in Deutschland lebt. Sie schlugen sie und ihren Mann vor den Augen ihrer Kinder halb tot. Die Kinder wurden weggenommen. Danach haben sie Julia die Rechnung präsentiert, für den Aufenthalt der Kinder im Heim. Und das nur, weil Julia vor ein paar Jahren, als sie in der Berliner Charité-Klinik arbeitete, ihre Meinung über den Patienten Nawalny geäußert hat. […] Wir haben es mit Hunderten solcher Fälle zu tun! Nicht nur Menschen aus den GUS-Staaten, sondern auch gebürtige Europäer, die mit der Politik ihrer Staaten nicht einverstanden sind, werden beschuldigt. Sie alle leben jetzt in einem Minenfeld."
Um zu verstehen, was Russophobie bedeutet, muss zuerst der Begriff "Russen" definiert werden. Es ist ein Adjektiv[im Russischen] und vereinigt ein multinationales Volk. Im Gegensatz zum Antisemitismus bezieht sich Russophobie also auf alle Menschen, die russisch denken, unabhängig von ihrer Religion, Sprache oder Hautfarbe.
In Deutschland werden verschiedene Migranten aus den GUS-Staaten als Russen bezeichnet. Mittlerweile gestehen selbst einheimische Europäer, die Russland gegenüber wohlwollend gesinnt sind, dass sie sich als 'Russisch' fühlen und sie in ihrer Heimat einen Guerillakrieg führen, nicht so sehr für Russland, sondern für die Bewahrung traditioneller Werte.
Gegen sie ist die westliche Russophobie nicht weniger ausgeprägt als gegen gebürtige Russen. Wie kann Russland diesen Menschen helfen, wenn die westliche Gesetzgebung und die Gesellschaft als Ganzes die Russophobie fördert, wenn die Russophobie zur Grundlage der staatlichen Politik wie in Deutschland und des nationalen Bewusstseins wie in der Ukraine geworden ist? Zuallererst müssen wir es uns selbst eingestehen: Der Hass auf die Russen begann mit unserer langjährigen Billigung der Russophobie innerhalb Russlands, mit unserem Mangel an Respekt gegenüber uns selbst. Wenn man nämlich sein Volk, sein Land nicht respektiert, wer soll einen dann noch respektieren?
Wir haben selbst ausländische und russische Filme angeschaut, in denen alles Russische und der russische Mensch zum Gespött gemacht wird, in denen unsere heldenhafte Geschichte verdreht und unsere Traditionen und Kultur ins Lächerliche gezogen werden. Wir haben einander lustige Witze über uns selbst nacherzählt. Wir zogen selbst eine verächtliche, zimperliche, negative Haltung gegenüber unserem Land auf und blickten mit erniedrigendem Neid auf die glänzende ausländische Fassade. Wenn es im Westen zur schlechten Erziehung gehört, den Streit aus dem Hause zu bringen, dann haben wir Russen einen solchen Unsinn aufgebauscht, indem wir westliche russophobe Propaganda in industriellem Ausmaß verbreiten und uns selbst mit Dreck bewerfen.
Der russische Mensch neigt zur Selbstverachtung, zur Selbsterniedrigung, oft zur unkonstruktiven Selbstkritik, wie Dostojewski schrieb. Betrachtet man unsere Massenmedien, so wurde seit der Perestroika die Kritik an allem Russischen zum Mainstream. Vulgäre Talkshows, in denen die einen Russen die anderen beschimpfen oder über die anderen lachen, erzielten hohe Einschaltquoten. Und die russische Selbstreklame, die Selbstdarstellung, die Propaganda des Guten wurden praktisch verurteilt.
Und auch jetzt ist der Hass auf Russland im Westen ein eigener Fehler, den wir selbst nicht bemerken. Ich bin mir sicher: Der einfachste Weg, die globale Russophobie unter den heutigen Bedingungen zu bekämpfen, ist die richtige Informationspolitik, Methoden, die symmetrisch zur westlichen Propaganda sind, und, was am wichtigsten ist, der Kampf gegen die Russophobie innerhalb Russlands selbst. Der Kampf dagegen in der russischen Sprache. Irina, die in Leipzig lebt, erzählte mir am Telefon:
"Bei der Kundgebung in Ramstein hielt ich trotz der Verbote die russische Flagge hoch. Nach der Kundgebung wurde ich von ukrainischen Flüchtlingen angegriffen. Sie haben die Fahne zertrampelt. […] Ich komme nach Hause, schalte das russische Fernsehen ein und sehe eine Sängerin, die in den Farben der ukrainischen Flagge gekleidet ist. Ich öffne die Webseite "Deutschland auf Russisch", dort hängen Plakate der Russophoben Lazareva und Schatz. Dann schalte ich den deutschen Kanal ein – die Deutsche Sahra Wagenknecht polemisiert mit der Russin Marina Ovsyannikova, und spricht ebenfalls gegen aggressive russophobe Propaganda".
Das ist sehr paradox, aber aufschlussreich – eine Deutsche versucht, die Russen vor den Russen selbst zu schützen, vor den Verrätern!
Wer beginnt mit der Hetzjagd auf prorussische Bürger in Europa? Diese Frage werde ich aus eigener Erfahrung heraus beantworten. Diejenigen, die Russisch sprechen. Seit Februar werden von russischsprachigen Personen Denunzierungen über mich bei der deutschen Polizei eingereicht. Den Namen des Hauptinformanten habe ich herausgefunden –, es handelt sich um eine Mitarbeiterin eines bekannten Moskauer Medienunternehmens. Kürzlich waren vor einem mit Rosen geschmückten Panzer in Berlin Beschimpfungen in russischer Sprache zu hören: Einige Russen trugen Blumen zum Panzer, andere Russen zertrampelten sie.
Ein Café in Kasan – gerade in diesem Moment – verkauft Kuchen in den Farben der ukrainischen Flagge. Eine Lehrerin, die ukrainische Nazis in russischer Sprache unterstützt. Bücher von russophoben Schriftstellern gibt es in jeder Moskauer Buchhandlung. Hochverräterische Künstler aus Russland, nach dem Beginn der militärischen Spezialoperation eigentlich ausgereist, touren durch Russland.
"Die erstaunliche Komödie 'Diener des Volkes'!!! Schauen Sie sich alle Episoden online an!", mach Youtube-Werbung, und man braucht gar keine VPN, um das Vergnügen an Selenskij voll auszukosten. Hunderte von frei zugänglichen Webseites, die offen für Russophobie werben und unserer Jugend eine sehr geschickte Gehirnwäsche verpassen, indem sie ihr eine infantile Anbetung des Westens einimpfen. Zum riesigen Arsenal der russischen Russophoben gehört die Verfälschung und Verdrehung von Tatsachen, die Übertreibung und Beschönigung von Tatsachen, die obsessive Fokussierung auf Negativität gegenüber unserem Land, die Verspottung, Verhöhnung und Herabsetzung unserer Errungenschaften. All das sind kriminelle Erscheinungsformen der Russophobie durch die Russen – bislang unbestraft.
Unsere angeborene Toleranz, unsere Bereitschaft zu verzeihen und Zugeständnisse zu machen, ist für uns tödlich. Das Gleiche gilt für unsere Uneinigkeit – innerhalb Russlands und auch im Westen. "Sollte doch einer versuchen, einen Italiener oder einen Türken in der BRD zu beleidigen, geschweige denn einen Juden! Die ganze Diaspora würde für ihn aufstehen! Nur die Russen sind sozusagen 'Individualisten'!" –, das hörte ich oft von unseren ehemaligen Landsleuten im Ausland.
Doch wie man bei uns sagt: "Solange der gebratene Hahn nicht pickt, wird der Mann nicht beten". Und wenn im Westen der gebratene Hahn bereits jeden Russen einmal gepickt hat, so befinden sich einige Russen innerhalb Russlands geistig immer noch in den Neunzigern und lachen über russophobe Witze auf TNT (TV Sender).
Allerdings sind die höchsten Einschaltquoten bei Nachrichtensendungen und politischen Talkshows zu verzeichnen. Und das heißt, dass die russische Gesellschaft aufzuwachen beginnt. Gleichzeitig gibt es im Westen seit Langem eine große Nachfrage nach Tatsachen aus [und über] Russland, nach einer ehrlichen, sympathischen Sicht auf unser Land.
Von deutschen Reisenden in deutscher Sprache erstellte freundliche Videos über die Russen sind im Internet seit Jahren viral im Umlauf. Neue Videoclips zur Unterstützung Russlands in verschiedenen Sprachen, die im Westen illegal erstellt wurden, erreichen Millionen von Aufrufen. Doch den Ausländern fehlt es an wahrheitsgetreuer Information über unser Land und über die militärische Spezialoperation, die aus Russland selbst kommt. Unsere Propaganda ist nicht auf das westliche Publikum zugeschnitten. Aber selbst ein kurzer Film über die Belagerung von Leningrad, von der die Ausländer keine Ahnung haben, oder ein Beitrag über den Jungen Fjodor, der kürzlich in einem russischen Dorf Mädchen der ersten Schulklasse vor Terroristen gerettet hat, kann die Wahrnehmung des durchschnittlichen Europäers grundlegend verändern.
Soft Power ist nicht weniger wirksam oder effektiv als Panzer. Hier ist jeder prorussische Mensch, unabhängig von seinem Aufenthaltsort, an der Frontlinie. Auf der Front der Information. Entlarvung von Fälschungen (Fake-News), Lügen, antirussischer Propaganda, die Unterstützung Russlands in sozialen Netzwerken, im Bekanntenkreis – der Beitrag zu unserem gemeinsamen Sieg. Ein persönlicher und treffsicherer Beitrag.
Was die Arbeit auf staatlicher Ebene betrifft, so sollten weltweit internationale Menschenrechtsorganisationen (ähnlich wie Human Rights Watch) gegründet werden, um Bürger, die im Ausland von der Russophobie betroffen sind, rechtlich zu schützen. Auch die Erlangung der Aufenthaltsgenehmigung für ausländische Staatsangehörige und ehemalige Landsleute, die mit der westlichen Politik nicht einverstanden sind, sollte erleichtert werden. Intensivierung des Programms zur Rückführung von Landsleuten sollte vorangetrieben werden. Wenn man die Losung deutscher Beamter paraphrasiert – "Wir sollten nicht diejenigen anlocken, die Deutschland brauchen, sondern diejenigen, die Deutschland braucht" –, dann sollte es für diejenigen leichter sein, sich in Russland niederzulassen, die unser Land aufgrund ihrer Erfahrungen im Ausland bereichern werden.
Die militärische Spezialoperation hat nicht nur den Menschen im Donbass Hoffnung auf Rettung gegeben. Auch den Russen in der ganzen Welt und denen innerhalb Russlands. Um aber die Rettung zu erlangen, müssen wir zuallererst die Russophobie in uns selbst überwinden. Sobald wir anfangen, uns zu lieben, zu schätzen, zu respektieren, werden wir gewinnen. In Russland und auch im Westen.
Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.
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