Von Pierre Lévy
Am 20. März 2003 wurde der Irak, insbesondere seine Hauptstadt Bagdad, von einer Flut aus Eisen und Feuer heimgesucht. Es begann der sogenannte "Zweite Golfkrieg", der von Washington ausgelöst wurde, das zu diesem Zweck eine Koalition von Stellvertretern zusammengestellt hatte. Die Alliierten behaupteten, einen Präventivkrieg zu führen, und zwar mit dem Vorwurf, der irakische Präsident habe "Massenvernichtungswaffen" angehäuft.
Heute steht fest, dass es sich dabei um eine große, fabrizierte Lüge handelte. Zudem: Selbst wenn es die Wahrheit gewesen wäre, hätte dies den Angriff auf das Land (ohne jegliches UN-Mandat) und die Verletzung seiner Souveränität keineswegs legitimiert.
Und schon gar nicht das daraus resultierende militärische und zivile Blutbad – die Schätzungen schwanken zwischen 100.000 und einer Million Toten zwischen 2003 und 2011, wobei die Realität wohl eher bei der zweiten Zahl liegt oder sogar noch darüber hinausgeht. Die großen Infrastrukturen wurden massiv zerstört und viele Städte verwüstet.
Im Jahr 2006 mündete die Besetzung durch die alliierten Streitkräfte in einen blutigen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten. In dieser Zeit entstand auch der sogenannte Islamische Staat. Noch heute leidet das Land unter einem gescheiterten, ohnmächtigen und korrupten Staat.
Man sollte außerdem nicht vergessen, dass das Unglück des Irak und seines Volkes nicht erst 2003 begonnen hatte. Mindestens ebenso grausam wie die Waffen war das Embargo gegen Bagdad, das im August 1990 verhängt wurde und offiziell zwölf Jahre dauerte (in Wirklichkeit sogar noch länger) und tiefe Spuren hinterließ, die bis heute nicht verschwunden sind. Es hatte schreckliche Auswirkungen auf Ernährung, Gesundheit und Bildung, sodass die überhöhte Kindersterblichkeit in die Hunderttausende ging – und vielleicht eine Million, wenn man die gesamte Bevölkerung betrachtet.
Die Initiatoren dieser Katastrophe haben sich im Übrigen zu ihr bekannt. Wer erinnert sich nicht an die Worte von Madeleine Albright, Außenministerin unter Bill Clinton, die im Jahr 2000 sagte: "Es war eine schwierige Entscheidung, aber ja, es hat sich gelohnt." Seltsamerweise haben diejenigen, die heute davon träumen, den russischen Präsidenten vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen, nie gefordert, dass sich George W. Bush oder sein demokratischer Vorgänger für Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten müssen.
Der Irak ist nur ein Beispiel für die charmante Tendenz der USA, die Welt direkt oder über Vasallen zu regieren, indem sie Napalm versprühen, Tomahawk-Raketen schicken oder HIMARS-Raketenwerfer liefern.
Vielleicht sollte man daran erinnern, dass zu den Mitgliedern der Koalition, die den Irak gemartert hat, seit 2003 auch die Ukraine gehörte – zwar nur symbolisch, aber was für ein Symbol!
Der von Washington beschlossene Krieg spaltete damals den Alten Kontinent. Das "neue Europa", wie es von der US-Führung genannt wurde, um seine atlantische Ausrichtung zu würdigen, umfasste die meisten der mitteleuropäischen Länder, die im Begriff waren, 2004 der EU beizutreten – allen voran Polen. Auch Madrid und Lissabon schworen Uncle Sam kriegerische Treue. Portugal hatte José Manuel Barroso an der Spitze, der 2004 Präsident der Europäischen Kommission wurde.
Auf der anderen Seite weigerten sich Deutschland und Frankreich, aber auch Belgien und Luxemburg, sich der atlantischen Armada anzuschließen. In Berlin stand Gerhard Schröder an der Spitze eines Landes, das ein Jahrzehnt zuvor die DDR annektiert hatte und nun seinem wirtschaftlichen Gewicht entsprechend globale geopolitische Ambitionen hegte; daher wollte es nicht einfach ein Schoßhund Washingtons sein. In Paris knüpfte das Tandem aus Präsident Jacques Chirac und seinem Außenminister Dominique de Villepin – wenn auch nur kurzzeitig – an die Tradition einer gewissen Unabhängigkeit Frankreichs von den USA an, insbesondere in seiner Politik gegenüber der arabischen Welt.
Zwanzig Jahre später hat sich die Landschaft etwas verändert ... Warschau und seine baltischen Kumpane geben den Ton an, und die meisten osteuropäischen Politiker überbieten sich ständig gegen Russland und träumen davon, dieses mit Waffengewalt zu unterwerfen.
Der französische Präsident, der während seiner ersten fünfjährigen Amtszeit die NATO kritisiert und für eine (absurde) europäische Souveränität plädiert hatte, ist nicht der Letzte, der Kiew politisch und militärisch unterstützt. Was die aktuelle deutsche Koalition betrifft, so versucht sie immer wieder zu zeigen, dass sie bei der Unterstützung der Ukraine nicht lauwarm ist. Damit nimmt sie in Kauf, dass sich eines der Ziele der US-amerikanischen Strategen verwirklicht: die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Berlin und Moskau für lange Zeit zu zerschlagen.
Man muss also feststellen: Der Brüsseler Wunsch, dass die EU "mit einer Stimme spricht", führt unweigerlich zu einer kriegerischen Eskalation. Mehr europäische Integration bedeutet mehr Unterwerfung unter die USA und mehr kriegerischen Überbietungswettbewerb.
Aber die inneren Widersprüche – innerhalb des deutschen Kapitals, und zwischen den Mitgliedsstaaten – könnten durchaus wieder aufbrechen. Vor allem, wenn die Völker schrittweise erkennen, dass das Säbelrasseln, die Lieferung von Panzern und Flugzeugen, das Versenden von Munition und die Milliarden von Euro an Subventionen an Kiew zu weniger Kaufkraft, mehr Elend und weniger öffentlichen Dienstleistungen führen.
Wie dem auch sei, so erinnert der traurige Jahrestag des Irakkriegs daran, wohin das Kalkül des Westens führt.
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