Von Dmitry Bawyrin
Eine der bedeutenden Figuren des Neuen Kalten Krieges, Ursula von der Leyen, sollte auch nach ihrem Rücktritt vom Posten der Präsidentin der Europäischen Kommission als solche betrachtet werden. Man verheißt ihr nun das Amt des NATO-Generalsekretärs, zumindest ist dies der amerikanische Wunsch. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass von der Leyen mit der NATO dasselbe macht, wie mit der Bundeswehr – Minderung der Verteidigungsfähigkeit?
Im vergangenen Jahr ist die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in Russland zu einem klaren Feindbild geworden, oder zumindest zu einem Symbol für die antirussische Politik, die Brüssel zum Vorteil der Vereinigten Staaten und zum Nachteil der EU-Länder betreibt.
In dieser Eigenschaft wird sie von den Amerikanern sehr geschätzt. In Russland dominiert die abwertende Attitüde. Der Normalbürger weiß drei Dinge von der Frau: Sie unterstützt die Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte (AFU), sie verwaltet die Verhängung antirussischer Sanktionen und sie ist eine Gynäkologin. Das letztere illustriert in gewisser Weise die Idee, dass Dilettanten die europäische Außenpolitik an den Abgrund getrieben haben.
Leider gehören Gynäkologie und medizinische Insignien (und davon gibt es eine ganze Menge) für Ursula der fernen Vergangenheit an. Sie ist eine knallharte und technisch hervorragende Managerin – aus der Sicht des Auftraggebers (das heißt Washington) sehr effizient.
Die medizinische Ausbildung ist nicht die einzige, die sie hat. Von der Leyen hat auch Wirtschafts- und Politikwissenschaften studiert – sie konnte es sich leisten, denn sie kam mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt und gehört mit Leib und Seele zu den europäischen Eliten. Ihre Vorfahren trugen mit dem Familiennamen Albrecht seit dem XVII. Jahrhundert zu dieser Elite bei, ihr Vater war ein angesehener Politiker, ihr Mann – ebenfalls ein Arzt und auch er altadeliger Abstammung mit "altem Geld" (das zeigt sich schon am aristokratischen Präfix). Solche Familien, wie die der Frau Vorsitzenden, waren für das Schicksal des Kontinents jahrhundertelang bestimmend.
Allerdings ist Ursula auch nicht "Papas Mädchen". Sie machte ihre Karriere in der Politik und in der CDU, als ihr Vater, ehemaliger niedersächsischer Ministerpräsident und Präsident des Bundesrates, nicht nur in den Ruhestand ging, sondern auch der Alzheimer-Krankheit erlag. Angela Merkel ist diejenige, der Ursula ihren Aufstieg wirklich zu verdanken hat. Während praktisch der gesamten Periode ihrer Amtszeit war von der Leyen eine von Merkels Parteivertretern und Ministerin in allen ihren Regierungen. Sie startete im Fachministerium für Frauen und Familie, wurde acht Jahre später Chefin der Bundeswehr (als erste Frau in diesem Amt) und wechselte dann an die Spitze der europäischen Regierung – es ist klar, unter wessen Schirmherrschaft sie stand.
Zu Beginn hielt man in der EU die Wahl der Ursula für einen großen Glücksfall und fast schon für eine Fügung des Schicksals: Die medizinische Ausbildung und Praxis der neuen Vorsitzenden waren gegeben und dann begann die Pandemie, nur zwei Monate nach der Krönung von der Leyen. Ihre große Stunde schlug aber letztlich nicht im Kampf gegen das Coronavirus, sondern gegen Russland. Nicht klaglos, aber konsequent verhängt sie EU-Sanktionen, drängt ihre Industrie in die USA und liefert Waffen an die AFU, wodurch ihre eigenen Streitkräfte aufgerieben werden. In Ursulas Heimatland sind diese Streitkräfte als autarke Armee bereits völlig niedergewalzt, die Bundeswehr ist nicht kampffähig. Das ist keine Unterstellung, sondern die offizielle Position des deutschen Verteidigungsministeriums. Die Rolle von Ursula, die für fünfeinhalb Jahre an der Spitze des Ministeriums stand, war entscheidend dafür, dass die Bundeswehr durch chronische Unterfinanzierung ruiniert wurde.
Dies könnte man meinen, sei die wahre Bestätigung der Führungsqualitäten von von der Leyen. Doch es gibt einen Haken: Die Bundeswehr ist nur aus eigener Kraft kampfunfähig, also ohne die Unterstützung der USA und der NATO-Infrastruktur. Wer behauptet denn, dass die zunehmende Abhängigkeit von Washington nicht ihr Hauptanliegen in Merkels eindeutig proamerikanischer Regierung war? Wenn das der Fall war, so hat die Frau Vorsitzende ihre Aufgabe gut gemeistert, genauso wie die Aufgabe, die europäischen Regierungen gegen Russland zu mobilisieren.
Sie plant nun, die Führung des NATO-Sekretariats zu übernehmen und im gleichen Stil fortzufahren. Die italienische Zeitung La Repubblica hält die Möglichkeiten von von der Leyen für vorrangig und bezeichnet die EU-Präsidentin als Hauptfavoritin der Amerikaner für das Amt des Generalsekretärs und damit prinzipiell als Favoritin. Die Amerikareise Ursulas in der vergangenen Woche wird als "Gütesiegel der Regentschaft" dargestellt.
Vermutlich wären beide, sie und Washington, mit einer zweiten Amtszeit an der Spitze der Europäischen Kommission mehr als zufrieden, doch das könnte schwierig werden. Würde die Frau Vorsitzende genauso viel für Europa tun, wie sie für Amerika tut, gäbe es keine Hindernisse, doch unter den Abgeordneten der EU gibt es verärgerte und jedes Land kann ein Veto einlegen. Und was noch wichtiger ist, die Verärgerung ist berechtigt, und Ende 2024, wenn ihre erste Amtszeit ausläuft, könnten die Auswirkungen ihrer destruktiven Tätigkeit für Europa noch deutlicher zum Vorschein kommen.
Das Risiko ist also groß, dass eine der europäischen Hauptstädte (zum Beispiel Budapest) nein sagen wird. Von der Leyen sollte nicht diejenige sein, die es als dritte EU-Präsidentin schafft, für zwei Amtszeiten gewählt zu werden (insgesamt waren es dreizehn seit dem Jahr 1958) – sie hat die Dinge bereits hinreichend vermasselt.
In einem US-dominierten Bündnis sind solche Wahrscheinlichkeiten unwahrscheinlich. Ursula hat also keine wirklichen Konkurrenten, außerdem wird sie als "Kompromisskandidatin" durchkommen, trotz des ehemaligen britischen Premierministers Boris Johnson (er ist bei vielen in der EU und vor allem beim französischen Präsidenten Macron unbeliebt) und trotz des ganzen Schwarms unterschiedlicher "Ex" weiblichen Geschlechts aus Osteuropa (bis vor Kurzem gab es in Brüssel die Priorität, dass eine Frau neuer Generalsekretär werden müsse).
Ursula ist eine Frau, ein erfahrenes "Pferd" auf dem Weg zur Überfahrt und zutiefst proamerikanisch. Mit anderen Worten: Sie erfüllt alle Hauptkriterien.
Nebenbei bemerkt, Frau von der Leyen hat selbst sieben Kinder. Das ist ziemlich ungewöhnlich für die heutigen europäischen Spitzenpolitiker (die kinderlose Merkel oder Macron sind Beispiele dafür). Und dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass man die Intelligenz und Effizienz dieser Frau nicht unterschätzen sollte.
Lediglich zwei Dinge könnten ihr im Wege stehen. Das erste ist die (bisher) fehlende Garantie, dass es auf dem NATO-Gipfel im Juni gelingen wird, das Mandat des derzeitigen Generalsekretärs Jens Stoltenberg um ein weiteres Jahr zu verlängern. Er hätte im letzten Sommer gehen müssen, blieb aber "aufgrund besonderer Umstände" im Amt – wegen unserer militärischen Spezialoperation. Wird eine Verlängerung nicht ein zweites Mal vereinbart, bekommt die NATO bereits im Jahr 2023 einen neuen Generalsekretär, und dann wird es nicht Ursula sein, denn es gibt niemanden, der die EU übernehmen kann.
Der zweite Umstand wird von der russischen Armee und der Marine bestimmt. Nur von ihnen, von ihrer Fähigkeit, den voraussichtlichen Gegenangriff der AFU im Frühjahr abzuwehren und die Aufgaben der militärischen Sonderoperation vollständig zu erledigen, hängt die Lage "am Boden" ab. Davon werden einerseits die Aussichten der aktuellen Spitzenpolitiker aus dem Umfeld der Atlantiker bestimmt – sowohl des NATO-Generalsekretärs als auch der Vorsitzenden der Europäischen Kommission, und möglicherweise auch die Aussichten der EU und der NATO als Ganzes.
Denn es scheint zweifelhaft, dass Washington es zulassen würde, dass eine so flexible "Peitsche" wie Ursula ausrangiert wird, eine entschlossene und erfahrene Verhandlungsführerin und nicht nur eine Gynäkologin und Namensvetterin der Hexe aus dem Disney-Märchen über die kleine Meerjungfrau.
Die Wahrheit ist, dass Ursula nicht nur eine Hexe ist, sondern die zweitwichtigste Antagonistin – nach dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.
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