Von Thomas Röper
Jeden Sonntag ist der Bericht des Deutschland-Korrespondenten für mich einer der Höhepunkte im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens. Da die Absurditäten, mit denen Politik und Medien das deutsche Publikum in dieser Woche unterhalten haben, jedem bekannt sind, komme ich ohne weitere Vorrede zur Übersetzung des russischen Beitrages über Deutschland:
Scholz sagt, dass alles in Ordnung sei, aber die Industrie flieht
Bei einem informellen Treffen der Verteidigungsminister der EU in Brüssel ging es vor allem um die Frage, wie die Waffenlieferungen an die Ukraine erhöht werden können. Es wurde eifrig um eine Lösung gerungen. Journalisten des britischen The Economist vermuten, dass die Ukraine auf eine Gegenoffensive im April vorbereitet wird – nachdem das Tauwetter im Frühjahr vorbei ist. "Der Fluss der Waffen hat sich also von einem Strom in einen Fluss verwandelt", heißt es in dem Artikel.
Neben der Fülle verschiedener Treffen und Erklärungen war die große Neuigkeit in Europa in dieser Woche die Präsentation der "proukrainischen Gruppe", die angeblich hinter der Sprengung von Nord Stream steht. Die westlichen Medien haben sich große Mühe gegeben, das selbst zu glauben und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen. Interessant ist nicht nur, was sie dem Publikum als Wahrheit über die Anschläge zu verkaufen versuchten, sondern auch, wie das geschah: weder vor noch während, sondern unmittelbar nach dem Besuch von Scholz bei Biden, denn vor dem Hintergrund einer solchen "Weltsensation" hätte die Geheimniskrämerei um das Treffen völlig deplatziert ausgesehen. Scholz hat sich bisher nicht persönlich zu dem Thema geäußert. Er hat nur in einem Interview mit CNN geprahlt, dass Deutschland sehr gut ohne russisches Gas auskomme:
"Wir haben dafür gesorgt, dass wir unabhängig von Gas, Kohle und Öl aus Russland sind. Wir haben es geschafft und es ist nichts von dem passiert, was die Leute erwartet haben. Es gibt keine Wirtschaftskrise in Deutschland, es gibt keine Gasknappheit und es gibt eine gewisse soziale Stabilität."
Kurzum, laut Scholz ist alles in Ordnung. Unverständlich ist nur die Flucht der Großindustrie in die USA, wo Erdgas für die Industrie ein Sechstel kostet. Der Chemiekonzern BASF flieht, der Werkzeugmaschinengigant Siemens flieht, die Innovationsabteilungen von Mercedes, BMW, Porsche, Volkswagen und Evonik folgen ihnen. Die Stahl- und die Aluminiumbranche stehen in den Startlöchern. Aber ihre Beschäftigten bleiben in Deutschland. Und denen geht es, anders als dem Kanzler, gar nicht gut. Sonst säßen sie ja zu Hause und würden nicht demonstrieren.
Friedensdemonstrationen in Deutschland
Am Freitag trugen bayerische Stahlarbeiter einen Sarg durch die Straßen von Meiningen, als Zeichen der Trauer um die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand. Antikriegsdemonstranten in Miltenberg zeigten auf ihren Plakaten ein breites Spektrum an Emotionen: Da war nicht nur "Scholz-Koalition zerstört deutschen Wohlstand" zu lesen, sondern auch "Freunde sprengen keine Gaspipelines", "Wer Waffen liefert, will keinen Frieden" und "Ich bin nicht im Krieg mit Russland".
"Ein Krieg beginnt nie mit einer Kriegserklärung oder dem ersten abgegebenen Schuss. Krieg beginnt mit der Schaffung eines eindimensionalen Feindbildes und dessen ständiger Verbreitung im In- und Ausland. So habe die NATO den ersten Schuss in den Redaktionen von FAZ, Spiegel und ARD abgegeben", so einer der Demonstranten.
Es stimmt, dass die deutschen Medien viel getan haben, um den Feind in voller Blüte darzustellen, und tun jetzt noch mehr, um die Deutschen davon zu überzeugen, ihren Wohlstand zu opfern, um ihn zu besiegen. Aber egal, was Scholz sagt oder was die Zeitungen sagen, selbst im Westen wird die Siegesrhetorik angezweifelt, zum Beispiel von Bloomberg:
"Die Krise ist vorbei, heißt es von Brüssel bis London. Europa hat gewonnen, Wladimir Putin hat verloren. Man wünschte, dass es so einfach wäre. Die neue Energielandschaft bedeutet deutlich niedrigere Energiepreise als auf dem Höhepunkt der Krise im Jahr 2022, aber die Preise werden wahrscheinlich noch lange Zeit höher bleiben als vor der Krise, was bedeutet, dass die europäischen Unternehmen langfristig an Wettbewerbsfähigkeit verlieren werden und die Region mit einer verfestigten Inflation konfrontiert sein wird. Das ist kein Grund zur Freude."
Die rot-grüne Regierung hat äußerst ehrgeizige Pläne: Scholz verspricht den Wählern ein zweites "Wirtschaftswunder" – das erste gab es nach dem Krieg in Westdeutschland mit acht Prozent Wachstum pro Jahr. Alles soll auf Digitalisierung und grüner Technologie beruhen, aber irgendwann, nicht jetzt. Für dieses Jahr wird ein Anstieg des BIP um 0,2 Prozent oder ein Rückgang um 0,6 Prozent vorhergesagt. Einer der wenigen Sektoren, die garantiert im Plus liegen werden, ist der militärisch-industrielle Komplex.
"Die Ukraine bittet um mehr westliche Munition, doch die Verbündeten haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Nur ein Drittel der gewünschten Menge scheint derzeit realistisch. Selbst wenn die NATO-Länder wollten, könnten sie die Ukraine nicht mit einer Million Granaten versorgen, da die Munitionsdepots in den westlichen Ländern kaum gefüllt sind", hieß es in den Medien.
EU sieht keine Gefahren bei Waffenlieferungen an Kiew
Anfang dieser Woche versuchten die Verteidigungsminister der EU zu prüfen, was sie überhaupt haben, das für den Krieg in der Ukraine nützlich sein könnte. Die maximale Aufgabe besteht darin, diese eine Million Artilleriegranaten zu finden – und zwar schnell.
Josep Borrell, der offensichtlich durch ein Missverständnis als Chef der europäischen Diplomatie bezeichnet wird, schlug vor, nicht geizig zu sein und die Arsenale vollständig zu leeren:
"Die Mitglieder der EU befinden sich zu ihrem Glück nicht im Krieg, sodass sie auf neue Munition warten können. Ich sehe hier keine Gefahr. Warum ist das gefährlich?"
Borrell hat vor nichts Angst. Der deutsche Verteidigungsminister hingegen hat Bedenken. Pistorius, der sich diese Woche mit dem Klettern auf einem schneebedeckten Übungsplatz irgendwo in Litauen profiliert hat, ist bereit, fast alles zu geben, aber der Bundeswehr vorsichtshalber ein wenig zu lassen. Derweil findet gleichzeitig mit der ungeplanten "Deindustrialisierung" eine schleichende "Demilitarisierung" Deutschlands statt. Es vergeht keine Woche, in der Pistorius nicht die deutschen Leoparden erwähnt, die in die Ukraine geschickt werden – es kommt einem vor, als ob er sich jeden Panzer aus dem Herz schneidet.
Westliches Credo: Die Ukraine muss gewinnen
Neben dem ungeduldigen Warten auf die deutsche "Wunderwaffe", die tatsächlich Ende März oder Anfang Juni eintreffen soll, wurden im Laufe der Woche wieder Gäste in Kiew erwartet. UN-Generalsekretär Guterres kam, um das Getreideabkommen zu besprechen, und die finnische Premierministerin Marin. Ihr Besuch wurde mit einem aufwendigen Begräbnis für einen prominenten Nazi des Rechten Sektors kombiniert. Marin drückte dem ukrainischen Volk Beileid und die unerschütterliche Unterstützung des finnischen Volkes aus. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihr wurde Selenskij mit der Frage überrascht, was er von der Version über die ukrainische Spur bei den Nord-Stream-Sprengungen halte.
"Damit haben wir nichts zu tun. Das wird getan, um die Hilfe für die Ukraine zu verlangsamen. Alles ist offensichtlich. Wir verstehen sehr genau, wo das aufgetaucht ist, auf welchen Medienplattformen welcher Staaten. Es ist sehr gefährlich, wenn unabhängige Medien, die ich stets respektiert habe, so etwas tun. Das ist nicht richtig, das spielt Russland nur in die Hände", sagte Selenskij.
Offenbar erinnerte sich Selenskij daran, dass die Quelle der Information amerikanische und deutsche Zeitungen waren, und er versuchte, einen politischen Fehler zu korrigieren, nach dem Motto: Natürlich sind das angesehene Publikationen, aber wir waren das trotzdem nicht.
Er schlug vor, sich anzuschauen, wer von der Beschuldigung Kiews profitiere. Nein, nicht der, der die Gaspipelines gesprengt hat, also die USA, sondern nur Russland. Aber Russland wird bald erledigt sein, allerdings nur auf dem sprichwörtlichen "Globus der Ukraine". Selenskij hat den Auftrag erteilt, an der Frage der Umbenennung Russlands in Moskowien zu arbeiten, doch im Westen erwartet man von Kiew überzeugendere Siege.
"Wir wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Darin sind wir uns absolut einig und im Moment bedeutet das, dass wir sie unterstützen und die Soldaten so ausbilden, dass es eine Gegenoffensive starten und einen entscheidenden Vorteil auf dem Schlachtfeld haben kann", sagte der britische Premierminister Rishi Sunak.
Zum ersten Mal seit Jahren besucht ein britischer Premierminister Paris. Die Beziehungen waren seit dem Brexit sehr frostig, aber jetzt gibt es gemeinsame Ziele, darunter Kiew zu einer Gegenoffensive zu treiben, die Russland zu Verhandlungen zwingen soll. Europa möchte auf keinen Fall, dass sich der Krieg ein weiteres Jahr hinzieht, natürlich mit einem sehr wichtigen Vorbehalt – der französische Präsident betonte:
"Wir teilen die gemeinsame Überzeugung, dass die beste Lösung für diesen Konflikt darin besteht, unseren ukrainischen Freunden die bestmögliche Situation zu bieten, damit sie den Zeitpunkt und die Bedingungen für künftige Verhandlungen selbst bestimmen können."
Westliche Politiker geben der Ukraine bewusst den Status eines politischen Subjekts, das sie nicht ist. Der Fehler von Macron, Sunak und auch Scholz, der solche Formulierungen immer wieder von sich gegeben hat, ist ein anderer: Sie tun so, als könnten sie in der aktuellen Konfrontation mit Russland selbst etwas entscheiden. Aber vielleicht täuschen sie nicht nur gerne, sondern lassen sich auch gerne täuschen.
Am Freitag sagte Scholz’ Sprecher, dass der Kanzler mit dem Fortschritt bei der Untersuchung der Nord-Stream-Anschläge zufrieden sei, was bedeutet, dass ihm die Version gefällt, die offensichtlich von US-Geheimdiensten vorgelegt wurde, um die Rolle der USA in der ganzen Affäre zu vertuschen. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass deutsche Stellen in gewissem Maß an der Schaffung dieses Informationsschleiers beteiligt waren. Was die Rolle der Ukraine anbelangt, so gibt es eindeutig kein Verbrechen, das ihre Herren nicht bereit wären, ihr anzuhängen.
Übersetzt von Thomas Röper. Zuerst veröffentlicht auf dem Medienportal Anti-Spiegel.
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