Hugo Chávez' Erbe am zehnten Todestag: Souveränität und regionaler Zusammenschluss der Staaten

Bereits zehn Jahre sind seit dem frühen Tod von Hugo Chávez vergangen. An seinem zehnten Todestag wurde nicht nur in Venezuela des Staatsmanns gedacht, sondern sein politisches, antikoloniales Vermächtnis bleibt in ganz Mittel- und Lateinamerika und darüber hinaus lebendig.

Von Maria Müller

Zum zehnten Jahrestag des Ablebens des charismatischen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, gab es zahlreiche Aktivitäten im Land, um an sein Leben und seine politische Botschaft zu erinnern. Unter anderem fanden eine Großkundgebung mit Zehntausenden Teilnehmern im Herzen von Caracas, Demonstrationszüge in mehreren Städten, der Besuch des Mausoleums von Chávez durch ausländische Delegationen und ein dreitägiges internationales Arbeitstreffen statt. Vom dritten bis fünften März fand in der Hauptstadt das Forum "Aktualität der Gedanken Simon Bolivars und Hugo Chávez im 21. Jahrhundert" zu Ehren des verstorbenen Präsidenten Venezuelas (1999–2013) statt. Staatschefs, Intellektuelle, politische Führer, Aktivisten und Vertreter von Organisationen und sozialen Bewegungen aus 50 Nationen nahmen daran teil.

Die Themen des Forums umfassten die "Macht von unten", die Entwicklung der Kommunen, die militärisch-zivile Zusammenarbeit, die Entkolonialisierung, die Medien und die neuen Technologien, die internationale Situation, die Integration Lateinamerikas, die Karibik und ihre Position in der Welt, den Aufbau der multipolaren Weltordnung und den Weg zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts.

Der Vorsitzende der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Héctor Rodríguez, benannte in seiner Eröffnungsrede den eigentlichen Grund der Sanktionspolitik und der aggressiven Maßnahmen der USA gegen Venezuela.

"Sie wollen sich unsere Ressourcen aneignen und die Revolution stoppen, weil sie unsere nationalen Interessen verteidigt. Und weil sie dafür einsteht, dass eine andere Welt möglich ist, dass eine Welt ohne Imperialismus aufgebaut werden kann". (…) "Es geht den USA weder um Demokratie noch um Menschenrechte. Die Vereinigten Staaten sind auch nicht am venezolanischen Volk interessiert, sondern am Öl, am Gas, an unsren reichen Bodenschätzen", so Rodríguez.

Multipolare Weltordnung und Schutz der souveränen Ressourcen

Die kommende multipolare Weltordnung, die Rolle Lateinamerikas darin sowie der Schutz der eigenen Ressourcen durch einen gerechten Handel stehen heute im Mittelpunkt der lateinamerikanischen Sorgen und Herausforderungen. Eine Union der lateinamerikanischen Staaten ist in der Diskussion und erste Schritte in diese Richtung werden unternommen.

Das Vermächtnis des Hugo Chávez steht im Mittelpunkt solcher Visionen und kann als früher politischer Anstoß für die Entwicklungen betrachtet werden.

Bereits am 13. März 2013 betonte der damalige Generalsekretär der UNO, Ban Ki-moon, auf einer Sondersitzung zu Ehren seines Andenkens die "eminent lateinamerikanische Vision" von Hugo Chávez, und bekräftigte, er habe "einen entscheidenden Impuls für neue Anstrengungen zur regionalen Integration gegeben."

Konkrete Schritte in Richtung der regionalen Integration

Der Präsident Boliviens, Luis Arce, nahm ebenfalls an dem Forum über die "Aktualität der Gedanken Simon Bolivars und Hugo Chávez" teil. Arce äußerte sich zur Integrationspolitik Lateinamerikas und erinnerte an die bisherigen Maßnahmen, allen voran die Schaffung der CELAC (Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik) im Jahr 2011, zu deren Entstehung Hugo Chávez maßgeblich beigetragen hatte. 

Arce sprach auch über die erste gemeinsame Entwicklungsbank, die "Bank des Südens", die auf Vorschlag von Chávez entstand und 2007 formal gegründet wurde. Sie soll eine unabhängige Finanzierung eigener souveräner Entwicklungsprojekte ermöglichen und ist als Alternative zum Internationalen Währungsfonds und der Weltbank gedacht.

Venezuela, Argentinien, Brasilien, Bolivien, Ecuador, Paraguay und Uruguay sind Gründungsmitglieder der Bank, die allerdings bis jetzt nicht die nötigen finanziellen Beiträge der Mitgliedsstaaten erreichen konnte.

 Auch eine gemeinsame regionale Währung ist im Gespräch, mit der der Handel unter den Nachbarländern abgewickelt werden kann, als alternativer Raum für eine Wirtschaft ohne die Zwänge des Dollars und seiner geopolitischen Machenschaften.

In Bezug auf den Vorschlag des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, eine gemeinsame regionale Wirtschaftszone gegen die Inflation einzurichten, betonte Arce, dieses Projekt von Anfang an unterstützt zu haben.

Ist die Integration Lateinamerikas ein Schutz vor US-Interventionen?

Die Frage hängt wie ein Damoklesschwert über der Zukunft des Kontinents. Die Befürchtungen bestehen zu Recht. Die extrem schmerzlichen Erfahrungen mit den militärischen Raubzügen der USA auf diesem Kontinent sind Realitäten. Die maskierten Umsturz- und Destabilisierungsversuche in Venezuela, Bolivien, Peru oder Brasilien in den vergangenen Jahren und Monaten zeigen, dass die Denkweisen und Drehbücher der US-Außenpolitik immer noch starr in den historischen Konzepten verharren. Die militärischen Szenarien bestehen nach wie vor  für Lateinamerika.

Kolonial geprägte US-Politik gegenüber Lateinamerika

Die schockierenden Erklärungen der neuen Oberkommandierenden des Südkommandos, Generalin Laura J. Richardson, auf einer Konferenz der Denkfabrik "Atlantic Council" am 24. Januar bringen die Gefahren für den Frieden in Lateinamerika ungeschminkt zum Ausdruck.  Wirtschaftliche Beziehungen mit Drittländern werden von den Vereinigten Staaten immer noch unter militärischen Gesichtspunkten begriffen. 

Wörtlich sagte Generalkommandeurin Richardson in Bezug auf den Kontinent:

"Warum ist diese Region wichtig? Sie ist reich an Ressourcen, seltenen Erden und Lithium.  Dort befindet sich das Lithiumdreieck, das für die Technologie notwendig ist. 60 Prozent des Lithiums der Welt befinden sich im Lithiumdreieck: Argentinien, Bolivien, Chile. Sie haben die größten Reserven leichten und süßen Rohöls, die vor etwa einem Jahr in Guyana entdeckt wurden. Sie haben auch die Ressourcen Venezuelas mit Öl, Kupfer und Gold. China erhält 36 Prozent seiner Lebensmittel aus dieser Region. Wir haben den Amazonas. Die Lunge der Welt. Wir haben auch 31 Prozent des weltweiten frischen Wassers in dieser Region. Es ist etwas Außergewöhnliches."

"Wir haben viel zu tun. Diese Region ist wichtig, sie hat viel mit nationaler Sicherheit zu tun und wir müssen unsere Strategie verbessern", erklärte Richardson weiter.

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