Von Gert Ewen Ungar
Je weiter der Konflikt in der Ukraine fortschreitet, desto schwerer tut sich Deutschland mit einer Sicht auf die Dinge, die das westliche Narrativ infrage stellt. Je deutlicher wird, dass die Ukraine den Konflikt verliert und dafür von allen Beteiligten obendrein den höchsten Preis zu zahlen hat, desto aggressiver reagiert Deutschland mit Repressionen gegenüber jenen, die diese Tatsache benennen.
Die Ukraine sei ein demokratisches Land, strebe in Richtung Westen und sei für ihre Sehnsucht nach Freiheit von ihrem autoritären Nachbarn ohne Vorwarnung brutal überfallen worden. Das ist die Lesart, wer etwas anderes behauptet, betreibt das Geschäft des Kreml und verbreitet russische Narrative. Dafür ist in Deutschland kein Platz. Man muss das daher unterbinden. Verbietet die Mittler der Botschaft, raus mit RT, zensiert russische Medien!
Die Ukraine wird für die geopolitischen Interessen der USA verheizt. Die Waffenlieferungen verlängern den Krieg und erhöhen die Opferzahlen. Es geht weder um Demokratie noch um Freiheit, es geht um geopolitische Interessen. Die Politik des Westens gegenüber der Ukraine ist zutiefst zynisch, denn die Ukraine bezahlt den Kampf des kollektiven Westens um Einflusssphären mit dem Blut ihrer Soldaten und der Zerstörung ihres Landes. Wer das benennt, wird blockiert, diffamiert und öffentlich gebrandmarkt. Das ist die Situation in Deutschland. Es dunkelt im Land.
Der Ukraine-Konflikt bringt eine der unappetitlichsten Eigenschaften der kollektiven deutschen Seele zum Vorschein: ihren Hang zum Totalitären, zum Autoritarismus und zur Repression. Den Deutschen verkauft man Zensur und Sperrung, diese Wiederholung der eigenen historischen Fehler, als Schutz der Demokratie und der freiheitlichen Werte gegen russische Desinformation und Propaganda. Das Schlimme ist, ein relevanter Teil der deutschen Gesellschaft glaubt es sogar.
RT DE musste letztlich dem Druck weichen. Die RT DE Productions GmbH gab Anfang Februar ihren Rückzug bekannt. Die Firma wird aufgelöst, der Standort Berlin wird aufgegeben.
Eine Einspruchsmöglichkeit gibt es nicht, eine Begründung sowieso nicht. Wo käme man da hin, wenn bei staatlichen Zwangsmaßnahmen so etwas wie ein Einspruchsrecht oder gar eine Auskunftspflicht bestünde?
Der Umgang mit RT DE entlarvt das ganze deutsche Gerede von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und westlichen Werten als reine Heuchelei, als dekorative Rhetorik, die mit der deutschen Realität absolut nichts zu tun hat. Der deutsche Geist tut sich mit freiheitlichem Denken nach wie vor schwer.
Der Vorgang zeigt darüber hinaus, mit welcher Leichtigkeit man in Deutschland zu repressiven Maßnahmen greift, auf die man mit hysterischer Empörung reagieren würde, würde Ähnliches in Iran, Russland oder China passieren. In Deutschland ist das okay, denn Deutschland ist schließlich eine gefestigte Demokratie, ein Rechtsstaat ...
Der Umgang offenbart aber noch etwas anderes: eine ganz niedrige moralische Gesinnung. Das Einfrieren der Konten von RT DE ergibt ja überhaupt keinen Sinn mehr. Die Firma steht vor der Auflösung. Es geht – ein anderer Schluss lässt sich kaum ziehen – nur darum, RT zu schikanieren.
Am ganzen Fall um RT DE zeigt sich auch, wie dysfunktional der deutsche Journalismus inzwischen ist. Die EU-Kommission verbot als Reaktion auf den Beginn der militärischen Spezialoperation russische Medien. Obwohl sie dazu gar nicht befugt ist, denn die Medienaufsicht ist Sache der EU-Länder.
Deutsche Medien haben zu dieser Machtanmaßung der EU geschwiegen. Begrüßt haben sie dagegen die Zensurmaßnahmen. Dass RT DE die Sperren umgeht und sich weiterhin großer Beliebtheit bei kritischen Medienkonsumenten erfreut, ist beispielsweise der Tagesschau ein Dorn im Auge. Sie greift das Thema immer wieder auf.
Sie macht sich dabei allerdings keine Sorgen angesichts zunehmender Zensur in Deutschland. Ihre Sorge ist, dass die Zensur umgangen wird. Gegenüber der repressiven Maßnahme hat sie dagegen keine Bedenken.
Das macht deutlich, dass die Öffentlich-Rechtlichen keinen Schutz vor dem Angriff auf grundlegende Freiheiten und die Demokratie bieten, sondern sich im Zweifelsfall sogar an deren Abbau beteiligen. Deutlich wird das auch am sogenannten "Faktenfinder" der Tagesschau, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Journalisten-Kollegen, die nicht das westliche Narrativ bedienen, zu diffamieren.
Der Faktenfinder geht dabei ausgesprochen schlampig und unter Umgehung journalistischer Qualitätsstandards vor. Es passieren regelmäßig grobe Patzer. Das führt jedoch nicht dazu, dass die Tagesschau den eingeschlagenen Kurs überdenkt und die verachtenswerte Praktik unterlässt, andere Journalisten an den medialen Pranger zu stellen. Sie benutzt dieses Instrument tief autoritärer Regime einfach weiter und glaubt obendrein, moralisch im Recht zu sein.
Was sich daraus ableitet, ist einfach. Eine bloß institutionelle Regelung ist nicht die erhoffte Brandmauer, die Medien vor staatlicher Vereinnahmung schützt. Das öffentlich-rechtliche Prinzip ist gescheitert. Für diesen Schutz bedarf es eines anderen Verständnisses von Journalismus, eine geistige Unabhängigkeit, die sich in den Redaktionsstuben der großen deutschen Medien aktuell nicht in ausreichendem Maß findet. Das aufklärende Licht freier Berichterstattung ist in Deutschland erloschen.
Dass dieser journalistische Geist in Deutschland gerade nicht weht, beweist kaum eine Institution so eindrucksvoll wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Eigentlich ist der Verband nicht nur die Interessenvertretung von Journalisten. Er wacht auch über die Bedingungen des Journalismus in Deutschland. Der Verband begrüßte bisher alle Zensurmaßnahmen gegen RT DE und andere russische Medien uneingeschränkt, denn es handelt sich seiner Auffassung nach nicht um Journalismus, sondern um Propaganda. Der Versuch einer Begriffsbestimmung und Abgrenzung blieb mehr als dürftig. Es ist reine Willkür. Auch die Reporter ohne Grenzen haben kein grundsätzliches Problem mit der Zensur russischer Medien in Deutschland, sehen darin aber eine Steilvorlage für "den Kreml", auch in Russland Verbote einzuführen. Das bereitet der Organisation Sorge.
Dabei ist die Angst der deutschen Medien vor der russischen Konkurrenz begründet. Die Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt strotzt vor Einseitigkeit und Auslassungen. Der deutsche Medienkonsument wird systematisch desinformiert und über die Entwicklung in der Ukraine im Unklaren gelassen, über die Situation in Russland schlicht belogen.
Es ist fatal – genau in dem Moment, in dem Deutschland und die deutsche Öffentlichkeit einen breit aufgestellten Journalismus dringend brauchen, wird er massiv eingeschränkt. Dabei geben sich die politisch Verantwortlichen nicht nur mit bloßer Zensur zufrieden. Sie handeln zudem niederträchtig, wie die Kontosperrung der Geschäftskonten der RT Productions GmbH belegt. Er war in keiner Weise notwendig. Es geht nur darum, zu schädigen.
Das mediale und politische Deutschland ist wieder in den Zustand von vor 1945 zurückgefallen. Den größten Schaden aber hat die deutsche Gesellschaft, die über wesentliche geopolitische Entwicklungen und Verschiebungen im Unklaren gelassen wird.
So wird man dann aus deutschem Mund in absehbarer Zeit wieder vernehmen: "Aber das konnte man doch alles nicht wissen!" Stimmt! Denn der Umgang mit russischen Medien durch deutsche Politik und den deutschen Mainstream zeugt nicht nur von einem grundlegenden Mangel an freiheitlichem Geist in Deutschland, sondern obendrein noch von mangelnder moralischer Integrität. Der Umgang mit RT DE ist zu verabscheuen. Die Bevormundung und Gängelung der Zuschauer und das Unterdrücken von Information durch Zensur sind einer Demokratie nicht nur unwürdig, es zerstört sie im Kern.
Als gute Nachricht bleibt: RT DE wird es weiter geben. RT DE wird weiter berichten und Informationen liefern, die sich deutsche Medien weigern zu bringen. Angesichts der Dysfunktionalität des deutschen Journalismus ist eine zusätzliche Informationsquelle für die Bürger Deutschlands von hoher Bedeutung und Wichtigkeit. Ein aus reiner Niedertracht gesperrtes Konto wird RT DE nicht von seiner journalistischen Arbeit abhalten.
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