Von Gert Ewen Ungar
Glaubt man den deutschen Medien, so war der Auftritt Baerbocks beim Außenministertreffen der G20 in Indien ein voller Erfolg. Baerbock, so geht aus den Schilderungen deutscher Medien hervor, habe ihrem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Anwesenheit von 19 weiteren Außenministern die Meinung gegeigt – deutlich, klar, unmissverständlich. Bravo!
"Stoppen Sie diesen Krieg heute!", soll sie Lawrow laut Medienberichten zugerufen haben. Die klare Aussage wird gelobt. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) weist zudem darauf hin, dass Baerbock ihrem chinesischen Amtskollegen klargemacht habe, dass Waffenlieferungen Chinas an Russland eine rote Linie darstellen, die China besser nicht überschreiten sollte. Waffenlieferungen sind in diesem Konflikt dem Westen vorbehalten.
Das RND ist offenbar ein großer Fan der deutschen Außenministerin. In einem anderen Beitrag unterstellt die Nachrichtenplattform Baerbock sogar, über "Fachwissen" zu verfügen. Das ist angesichts der absurden Äußerungen Baerbocks mehr als erstaunlich. Das RND hat offenbar jede journalistische Distanz zur deutschen Außenministerin aufgegeben.
Baerbock hat vom Völkerrecht genauso wenig Ahnung wie von Geometrie. Wenn eine Außenministerin zudem behauptet, Länder würden hunderttausende Kilometer voneinander entfernt liegen, dann wird klar, dass es ihr auch an geografischem Basiswissen mangelt. Dass Baerbock eine komplette Fehlbesetzung ist, die dem deutschen Ansehen in der Welt schadet, hat sie jetzt auch in Indien bewiesen. Der deutsche Mainstream verdeckt diese bittere Wahrheit vor dem deutschen Publikum und leuchtet Baerbock in einem Licht aus, in dem sie monumental erscheint. Baerbock lenkt die Geschicke der Welt, machen die etablierten deutschen Medien ihrem Publikum weis.
In ihrer Ansprache an Lawrow in der Versammlung aller Außenminister der G20 unter Verletzung sämtlicher Protokolle und diplomatischer Gepflogenheiten zieht Baerbock das ganze Register deutscher Desinformation. Sie macht sich damit vor der Welt lächerlich. Darauf weisen deutsche Medien natürlich nicht hin. Im Gegenteil wiederholen sie die Argumente Baerbocks.
Baerbock setzt auch in diesem Forum auf Emotionalisierung, erwähnt Kinder, die unter dem Krieg leiden, ihre Familien, unterstellt, Russland würde Zivilisten bombardieren, spricht vom Recht des Stärkeren, von dem Russland gegenüber der geografisch kleineren Ukraine angeblich Gebrauch mache.
Schon dieses Argument ist ausgesprochen schräg. Allein die USA unterstützten die Ukraine bisher mit 32 Milliarden US-Dollar Militärhilfe. Das ist knapp die Hälfte des russischen Wehretats. Aus der Geschichte von David gegen Goliath wird in der Umkehrung eine gute Metapher. Russland weist gerade die NATO in die Schranken. Der Rüstungsetat von 1,2 Billionen Dollar der NATO wird von 66 Milliarden Dollar, die Russland für Rüstung ausgibt, der Welt als ineffektiv vorgeführt. Der NATO geht die Munition aus.
Es ist, als spreche Baerbock für die deutsche Twitterblase und nicht für ein hochkarätiges internationales Gremium. In Indien treffen sich Baerbocks Kollegen, die ihre Informationen nicht aus deutschen Medien beziehen, bei denen eine Argumentation auf dem Niveau des deutschen Journalismus daher auch nicht verfängt.
Man weiß dort von den Bombardements des Donbass mit westlichen Waffen, den ukrainischen Kriegsverbrechen, man kennt die Entwicklung des Konflikts und man sieht deutlich, dass der Westen keine Schritte zu seiner Beilegung unternimmt, sondern auf einen möglichst langen Krieg hinarbeitet, bei der die Ukraine das größte Opfer zu bringen hat. Baerbocks Worte sind die reine Heuchelei, weiß man in Indien. Es ist schlechtes Theater, das Baerbock aufführt.
In welchem Umfang der peinliche, in seinem Wesen tief zynische Auftritt Baerbocks Fremdschämen ausgelöst hat, lässt sich nur erahnen. Jedenfalls sah sich Russlands Außenminister Lawrow zu einer Entschuldigung gezwungen. Lawrow entschuldigte sich beim Gastgeberland Indien für den Auftritt der westlichen Delegation und nannte Baerbocks Verhalten "flegelhaft". Das kommt in den deutschen Medien ebenfalls nicht vor.
Auch dass der neue chinesische Außenminister Qin Gang gegenüber Baerbock deutlich gemacht hat, dass China auf eine politische Lösung und einen Waffenstillstand drängt, dabei unterstreicht, man müsse aufhören, Öl ins Feuer zu gießen, verschweigen die großen deutschen Medien ihrem Publikum. Da entsteht der Eindruck, Baerbock hätte China mal eben die Leviten gelesen.
Das ist alles ziemlich weit neben der Realität. Baerbocks Außenpolitik-Klamauk kommt nicht gut an, und sie hat auch nicht das Standing und vor allem nicht die Argumente, sich durchzusetzen. Baerbocks Tänzeleien auf dem internationalen diplomatischen Parkett spendet nur ein Teil des deutschen Publikums Applaus.
Es bleibt unklar, was Baerbock mit ihrem bizarren Auftritt erreichen wollte. Hat sie tatsächlich geglaubt, Russland würde auf dem G20-Treffen seine bedingungslose Kapitulation erklären? Sollte das so sein, wäre sie noch ungeeigneter, als sich bisher schon erahnen ließ.
Letztlich hat sie gezeigt, dass man die außenpolitische Position Deutschlands nicht ernst nehmen kann. Deutschland betreibt Außenpolitik auf Klassensprecher-Niveau. Baerbock verweigert sich weiterhin dem Denken in Zusammenhängen, in zeitlicher und kausaler Abfolge. Sie verweigert die Kenntnisnahme der Realitäten in der Ukraine, verweigert Diplomatie und die Suche nach konstruktiven Lösungen, die für alle Seiten tragfähig sind.
Putin kann den Krieg sofort beenden, denn er hat ihn ja auch angefangen, ist eine in Deutschland verbreitete, von völliger politischer Naivität zeugende Position. Er muss nur seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen, dann ist der Krieg vorbei. So einfach, so unterkomplex sind für das deutsche Publikum und auch hochrangige deutsche Politiker politische Zusammenhänge. Auf dieser ganz weit unten zu verortenden intellektuellen Ebene bewegt sich auch Baerbock.
Sie bestimmt mit ihrer auf einfache Phrasen zusammengedampften Außenpolitik das Diskussionsniveau zur Ukraine-Krise in Deutschland. Damit wird auch klar, dass man von Deutschland keinen Beitrag zur Lösung des Konflikts erwarten kann. Man muss das Land im Gegenteil von der Suche nach Lösungen ausschließen, denn es hat sich von der Realität und der politischen Wirklichkeit komplett verabschiedet.
Immerhin, das mag man Baerbock zugutehalten, hat sie die in Deutschland verbreitete Analogie vom gewalttätigen Nachbarn nicht gebracht, der mit vorgehaltener Pistole seinen friedlichen Nachbarn zur Übergabe der Wohnung und zum Auszug zwingt. Für den gemeinen deutschen Twitter-User ist dieses Bild eine gute Erklärung für den Ukraine-Konflikt, mit dem auch die Frage geklärt wird, welche Seite man zu unterstützen habe.
Diese Analogie hat sich Baerbock vermutlich für ein künftiges Treffen aufgehoben, denn dass Baerbocks herausragendste Fähigkeit ist, ihr eigenes Niveau immer noch zu unterbieten, hat sie bei zahlreichen Gelegenheiten bewiesen. Lawrow kommentierte Baerbocks Ausfall gegen ihn mit einer abfälligen Handbewegung. Mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.
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