Von Gert Ewen Ungar
Das umfassende Schweigen der deutschen Medien angesichts der Enthüllung von Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh liegt vermutlich auch daran, weil die Schlüsse, die daraus gezogen werden müssten, für Deutschland bitter sind. Deutschland ist im westlichen Bündnis isoliert, man trachtet danach, dem Land zu schaden, und nutzt dazu den Ukraine-Konflikt. Die Indizien, mit der sich diese These untermauern lässt, sind offenbar, werden immer zahlreicher und lassen sich nicht leugnen.
Hersh publizierte am 8. Februar einen Artikel, in dem er nachweist, dass die USA unter Beteiligung Norwegens die Röhren der Nord-Stream-Pipeline gesprengt haben. Das Schweigen der deutschen Medien und der deutschen Politik dazu ist beredt. Man befindet sich offenbar im Modus einer realitätsverweigernden Schockstarre angesichts der Brisanz der Offenlegungen und der sich aufdrängenden Schlussfolgerungen. Die dpa reagiert auf Hershs Enthüllung nur indirekt, indem sie über eine Reaktion Moskaus darauf berichtet. Andere deutsche Medien liefern unmittelbar die Reaktion des Weißen Hauses, das – kaum verwunderlich – jede Beteiligung am Anschlag abstreitet. Vermutlich ein Akt der Selbstberuhigung in transatlantisch ausgerichteten deutschen Redaktionsstuben.
Dabei passt das, was Hersh aufgedeckt hat, wie ein Puzzleteil in ein größeres Bild, das zeigt, dass die Bündnispartner Deutschlands dem Land keinesfalls wohlgesonnen sind.
Nord Stream sorgte für einen Wettbewerbsvorteil Deutschlands. Der Bezug von günstiger Energie aus Russland lieferte einen Beitrag dazu, dass Deutschland Exportweltmeister werden konnte. Ein Titel, den Deutschland wie eine Monstranz voller Stolz vor sich hertrug – trotz all der Warnungen, dass dies Ausdruck eines Ungleichgewichts sei, mit dem Deutschland anderen Ökonomien erheblichen Schaden zufügt. Wer ein Produkt von ähnlicher Qualität aufgrund höherer Energiepreise zu einem höheren Preis anbieten muss, fällt über kurz oder lang als Konkurrent aus. Das deutsche Bestehen auf einer wirtschaftlichen Standortkonkurrenz der Staaten der EU untereinander hat Deutschland keine Freunde gemacht. Auch den USA war das deutsche Preisdumping schon lange ein Dorn im Auge. Bereits Obama äußerte sich mehrfach kritisch zur deutschen Beggar-thy-neighbour-Politik. Alle anderen US-Präsidenten nach ihm ebenfalls – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit.
Die Ignoranz deutscher Politik gegenüber makroökonomischen Argumenten verbunden mit dem Bestehen auf der absurden These, der Erfolg deutscher Produkte sei ausschließlich das Resulat der Kreativität genialer deutscher Ingenieure, rächt sich jetzt. Der Krieg in der Ukraine macht es möglich, es Deutschland heimzuzahlen. Der Anschlag auf Nord Stream war ein Anschlag auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Er war erfolgreich, und er ist nicht der einzige.
Mit dem Verzicht auf russisches Rohöl, das per Pipeline nach Deutschland gefördert wird, begab sich Deutschland zudem in die Abhängigkeit Polens. Das hatte zugesagt, über den Hafen in Rostock Rohöl zu liefern. Doch außer dem Versprechen gibt es keine bindenden Vereinbarungen. Zudem drängt der polnische Energieriese Orlen darauf, als Mehrheitseigner bei der Raffinerie PCK in Schwedt einzusteigen – mit dem kaum verhohlenen Ziel, den Betrieb abzuwickeln. Die Steilvorlage von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen), ohne Not auf russisches Pipelineöl zu verzichten, öffnete eine breite Flanke für einen weiteren Schlag gegen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die Unterversorgung mit Rohöl oder gänzliche Schließung der PCK-Raffinerie in Schwedt wird sich negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken – vor allem auf die Wirtschaft im Osten des Landes, da dadurch die Preise für Erdölerzeugnisse absehbar steigen.
Weiterhin gibt es offenkundig Versuche, Deutschland in die Konfrontation mit Russland zu treiben. Mit dem Rückzug der europäischen Partner aus der Panzerallianz erscheint Deutschland als das einzige Land der EU, das den Konflikt in der Ukraine aktiv eskaliert. Nachdem Deutschland zur Lieferung von Panzern des Typs Leopard 2 gedrängt wurde, Deutschland unter anderem von Polen aufgefordert wurde, "Führung" zu übernehmen, machten die Länder der sogenannten "Panzerallianz" einen Rückzieher, nachdem Bundeskanzler Scholz dem Druck nachgegeben und Kampfpanzer zugesagt hatte.
All dies deutet in eine Richtung: Der Ukraine-Krieg wird von den Bündnispartnern Deutschlands genutzt, um auch Deutschland zu schwächen. In Deutschland will man dies offenbar nicht wahrhaben und verfolgt eine Vogel-Strauß-Politik, die den Kopf vor all diesen Tatsachen in den Sand steckt. Das Schweigen deutscher Medien und deutscher Politik zu den Enthüllungen Hershs und zu den Folgen des Scheiterns der Panzerallianz deckt sich mit dieser These.
Dabei machen inzwischen auch deutsche Militärs auf den Umstand aufmerksam, dass die Politik, zu der Deutschland insbesondere hinsichtlich Waffenlieferungen gedrängt wird, Deutschland schadet.
So sagt der deutsche General a. D. Harald Kujat in einem Interview mit der Schweizer Zeitung Zeitgeschehen im Fokus:
"In der deutschen Diskussion werden diese Zusammenhänge nicht verstanden oder ignoriert. Dabei spielt auch die Art und Weise eine Rolle, wie einige Verbündete versuchen, die Bundesregierung öffentlich nun auch zur Lieferung von Leopard 2-Kampfpanzern zu drängen. Das hat es in der NATO bisher nicht gegeben. Es zeigt, wie sehr Deutschlands Ansehen im Bündnis durch die Schwächung der Bundeswehr gelitten hat und mit welchem Engagement einige Verbündete das Ziel verfolgen, Deutschland gegenüber Russland besonders zu exponieren."
Deutschland verweigert sich aktuell noch der Erkenntnis, dass die deutschen Bündnispartner die Gunst der Stunde zu dessen Schwächung nutzen. Dabei brächte eine Analyse der vergangenen Dekaden durchaus an den Tag, dass Deutschland sich mit seinem Anspruch auf Führung in Europa sowie einer Wirtschaftspolitik, die zum Ziel hatte, auch befreundete Länder nieder zu konkurrieren und auf den Status eines Vasallen herabzudrücken, keine Freunde gemacht hat. Die deutsche Unfähigkeit zu echter Solidarität führt nun im Schatten des Krieges dazu, dass Deutschland nachhaltig und dauerhaft geschwächt wird.
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