Von Lew Werschinin
"Heute gebe ich bekannt, dass ich den allerersten Transfer von beschlagnahmten russischen Vermögenswerten zur Verwendung in der Ukraine genehmigt habe",
sagte der Generalstaatsanwalt der USA, Merrick B. Garland, am 3. Februar 2023 und machte dieses Datum damit zu einem Tag, der in die Geschichtslehrbücher eingehen wird. Es ist nämlich das erste Mal in der Geschichte nicht nur der USA, sondern der gesamten "zivilisierten Welt" seit 1789, dass eine Privatperson auf diese Weise – ohne Gerichtsurteil, nur per Federstrich eines Beamten – enteignet wird.
Die Ehre, mit in die Geschichtsbücher einzugehen, wurde dem russischen Milliardär Konstantin Malofejew zuteil. Sein im Rahmen von persönlichen Sanktionen beschlagnahmtes Geld werde ans US-Außenministerium "zur Unterstützung des ukrainischen Volkes" gehen, sagte Garland CNN-Reportern. Bei der Ankündigung in Washington war auch der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrei Kostin anwesend. Ihm zufolge umfasst die Überweisung 5,4 Millionen Dollar (umgerechnet rund 4,7 Millionen Euro), die für den "Wiederaufbau der Ukraine" verwendet würden.
Die amerikanischen Vermögenswerte des Russen wurden im April 2022 beschlagnahmt mit der Begründung, der Milliardär habe versucht, "heimlich" Medien in Europa zu kaufen. Malofejew gilt als ein Unterstützer prorussischer Separatisten in der Ostukraine und besitzt in Russland einen "patriotischen" TV-Sender.
Die Formel "Das Privateigentum ist heilig und unantastbar" war das Alpha und das Omega des Kapitalismus, die wichtigste Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft und des kapitalistischen Staates überhaupt. In bestimmten Fällen konnte Vermögen beschlagnahmt und sogar verstaatlicht werden, allerdings nur im Rahmen eines formalisierten Gerichtsverfahrens, das kontradiktorisch ist und das Recht auf Berufung gewährt.
Selbst im Fall einer angeordneten politischen Repression mussten die rechtsstaatlichen Formalien bislang strikt eingehalten werden, auch wenn das Ergebnis in so manchem Fall von vornherein feststand. Ja, sogar das nazistische Regime in Deutschland, das in den Jahren von 1933 bis 1945 jüdische Unternehmer im großen Stil zugunsten "arischer Volksgenossen" enteignete, setzte alles darauf, formale Rechtsgrundlagen zu schaffen, die zumindest aus primitiv-rechtspositivistischer Sicht "Recht" waren. Oder inszenierte die Enteignung als "freiwilligen" Verzicht der Betroffenen.
Auch diese Tarnung wird in den USA nicht mehr für erforderlich gehalten, es sind alle Masken gefallen. Dies folgt direkt aus den Worten von Herrn Garland: Die Beschlagnahme von Vermögenswerten, die nach "heiligem" bürgerlichen Recht rechtmäßig Malofejew gehören, erfolgt ohne jegliche Verfahren. Sie ist die eigenherrliche Entscheidung eines einzelnen, wenn auch hohen, Beamten. Mit anderen Worten, das "Alpha" und "Omega" des Kapitalismus – die Unantastbarkeit des Privateigentums – ging über Bord. Zugleich wurde ein weiteres "Axiom der Demokratie" – die Notwendigkeit der Gewaltenteilung und mit ihr einer "unabhängigen richterlichen Gewalt" – nicht lediglich in Frage gestellt, sondern brüsk annulliert.
Dies ist nicht nur das Ende eines Dogmas, es ist der Zusammenbruch einer jahrhundertealten gesellschaftlichen Formation: das Ende des Kapitalismus. Allerdings ohne Aufstieg zum Sozialismus. Es ist nicht einmal der Feudalismus mit seinen in beide Richtungen wirkenden Vassalitätspflichten, es ist die totale Rechtlosigkeit der Wildnis. Jegliche Vermögenswerte – Einlagen, Beteiligungen, Unternehmen, Mobilien und Immobilien – können nun ohne jegliches Verfahren jederzeit jedem weggenommen und enteignet werden. Alle Vermögenden auf diesem Planeten – in erster Linie natürlich die Russen, aber auch alle anderen – sollten es spätestens jetzt begreifen: Was sie in die USA eingebracht haben, ist faktisch verloren.
Niemand sollte sich von der Tatsache täuschen lassen, dass dieses Mal "nur" fünf "Milliönchen" in grünen Scheinen weggenommen wurden, was nach den Maßstäben eines, selbst eines kleinen Oligarchen, "Peanuts" sind. Nicht die Anzahl der Nullen ist entscheidend, sondern das Prinzip. Der Punkt ist, dass es einen Präzedenzfall für einen solchen tektonischen Bruch von bislang unverrückbaren Axiomen brauchte – und der Präzedenzfall ist geschaffen worden. Ist der erste Schritt erst einmal getan, wird, wie der russische Präsident es formuliert, das Huhn ein Körnchen nach dem anderen fressen.
Lew Werschinin ist ein ukrainischer Fiction- und Fantasy-Schriftsteller, Publizist, promovierter Geschichtswissenschaftler und politischer Analytiker. Er wurde 1957 in Odessa geboren und ist jüdischer Abstammung. Nach einer kurzen politischen Karriere in der unabhängigen Ukraine sah er sein Leben von kriminellen Strukturen bedroht und ging im Jahr 2000 ins Exil nach Israel. Seit 2007 lebt er in Spanien. Seit dem Sieg des Euromaidan im Jahr 2014 hat Werschinin sich zu einem der schärfsten Kritiker des aktuellen Kiewer Regimes entwickelt. Seine nahezu täglichen Publikationen können im LiveJournal (wo er seit vielen Jahren unter dem Pseudonym Putnik1 schreibt) und auf Telegram verfolgt werden.
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