Von Fjodor Lukjanow
Nach langem Hin und Her hat sich die deutsche Regierung bereit erklärt, der Ukraine Leopard-Panzer zu liefern, und zwar sowohl eigene als auch solche, die bei anderen NATO-Staaten im Einsatz sind. Wir überlassen es den Militärexperten zu beurteilen, wie sich dies auf die Kampffähigkeiten der Ukraine und den Verlauf der Operationen auswirken wird. Für uns stellt sich die Frage, was dies in politischer Hinsicht bedeutet.
Deutschland und seine militärische Macht bereiteten vielen Europäern seit mindestens eineinhalb Jahrhunderten Unbehagen.
Die "deutsche Frage", die sich auf den Platz und die Rolle Berlins auf dem Kontinent bezieht, hat schon vor den beiden Weltkriegen, insbesondere aber in ihnen, zu blutigen und opferreichen militärischen Auseinandersetzungen geführt. Der Zweite Weltkrieg schien sie gelöst zu haben, indem er den deutschen Einheitsstaat auflöste und seine Regionen unter externe Kontrolle stellte.
Darum rief die Wiedervereinigung des Landes im Jahr 1990 zunächst vorsichtige Reaktionen der westlichen Verbündeten der damaligen westdeutschen Hauptstadt Bonn hervor, bei denen die Erinnerung an deutsche Ambitionen auf ein größeres "Reich" noch frisch war. Die Ironie der Geschichte ist, dass es das sowjetische Moskau war, das sich am meisten für die Wiedervereinigung begeisterte.
Interessanterweise lassen sich die Wurzeln der gegenwärtigen gefährlichen Krise der europäischen Sicherheit bis in diese Zeit zurückverfolgen. Die Idee, die NATO zu erweitern, entstand im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Garantien für den Fall der deutschen Wiedervereinigung. Die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Westdeutschland und seine kleineren Nachbarn glaubten (nicht zu Unrecht), dass der Verbleib eines wiedervereinigten Landes in dem von den USA geführten Militärblock der hypothetischen Rückkehr Deutschlands auf den Pfad des Großmachtstrebens vorbeugen würde.
Washington, London, Paris und Bonn gingen davon aus, dass sich die Sowjetunion dagegen wehren würde, doch der Kreml verfolgte einen unkonventionellen Ansatz und lehnte den Verbleib Deutschlands in der NATO nicht ab. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Ausdehnung der Zuständigkeit des Blocks auf das Gebiet der ehemaligen DDR zu einem Präzedenzfall für alles andere wurde. Schließlich war der Grundsatz des Rechts eines jeden Staates, seine Mitgliedschaft in einem Verband selbst zu wählen, im ideologischen und rechtlichen Rahmen verankert. Der Weg von diesem Prinzip zur Frage der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine war zwar nicht unmittelbar, aber doch geradlinig.
Der Pazifismus, der den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezwungen wurde, implizierte, dass Deutschland (zunächst nur der Westen, dann das gesamte Land) ein vorbildlicher Verbündeter innerhalb des Militärblocks sein konnte und sollte, aber keine führende Rolle spielen würde. Dies war auch nach Ende des Kalten Kriegs der Fall – die Einsätze in Jugoslawien und Afghanistan, an denen die Bundeswehr beteiligt war, wurden nicht von Berlin initiiert, und ihre Beteiligung war eher zurückhaltend.
Die von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 verkündete "Zeitenwende" implizierte den Beginn einer neuen Ära, ausdrücklich wurden in derselben Rede große Investitionen in die Modernisierung der Verteidigung angekündigt. Verglichen mit der allgemeinen Begeisterung für das Militärische, insbesondere in Osteuropa, behielt Berlin jedoch trotz markiger Worte zunächst ein eher gemächliches Tempo bei. Die Verbündeten murrten, aber bis zu einem gewissen Punkt versuchten die meisten von ihnen auch, eher vorsichtig zu agieren, um keine Eskalation zu provozieren. Seit dem Herbst scheinen jedoch alle Beschränkungen aufgehoben worden zu sein – vor allem in Washington und London (Warschau hatte nie welche). Das Ziel, Russland militärisch zu besiegen, wird seitdem offen auf allen Ebenen artikuliert.
Hier stand Deutschland vor einer schicksalhaften Entscheidung, die in dem Panzerplan ihren konkreten Ausdruck fand. Angesichts der vorherrschenden Stimmung im Westblock war sofort klar, dass Berlin sich der Lieferung von Leopard-Panzern nicht würde widersetzen können. Der Haken an der Sache war wohl die Erkenntnis, dass die Entscheidung Deutschlands seine Verwicklung in den Konflikt auf eine qualitativ neue Stufe heben und den Weg für weitere Rüstungsforderungen freimachen würde. Das nächste Treffen der Kontaktgruppe in Ramstein wurde bereits als "airborne" (der Luftwaffe gewidmet – d. Red.) bezeichnet. Je moderner die Ausrüstung ist, die Kiew erhält, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Streitkräfte des Landes nicht mehr in der Lage sein werden, sie zu warten.
Wenn wir uns des geradlinigen Weges von den Bedingungen der deutschen Wiedervereinigung zu den Voraussetzungen der aktuellen Krise vergegenwärtigen, ist die Schlussfolgerung paradox.
Vor 33 Jahren galt die NATO als die sicherste Garantie gegen ein hypothetisches Wiederaufleben der deutschen Kriegslust.
Die Mitgliedschaft in diesem Bündnis ist jedoch der Hauptgrund für die zunehmende Verwicklung Berlins in einen militärischen Konflikt. Aus westlicher Sicht besteht keine Gefahr, da Deutschland nicht aus eigenem Antrieb handelt und sich dem allgemeinen Trend anschließt. Aber das ist reine Theorie.
Was ist mit Polen, das Deutschland gegenüber offen feindlich eingestellt ist? Ganz zu schweigen von Frankreich, dessen historische Identität weitgehend von den Folgen der deutschen militärischen Aufrüstung geprägt ist? Können wir von einer starken und selbstbewussten Einheit sprechen?
Niemand wagt es, den Ausgang der Ukraine-Krise vorherzusagen, dazu sind die Umstände zu unterschiedlich. Aber ihre transformative Wirkung auf alle Aspekte der europäischen Sicherheit ist unbestreitbar. Die unmittelbar an dem Drama Beteiligten werden sich unterschiedlich entwickeln, und je tiefer die Einbindung, desto bedeutender die Veränderungen. Während die USA wie immer den Vorteil der physischen Distanz zum Kriegsschauplatz und die Möglichkeit haben, den Großteil der Kosten auf ihre Verbündeten abzuwälzen, wird es auf der Linie Moskau–Kiew–Warschau–Berlin–Paris wahrscheinlich zu qualitativen Veränderungen kommen. Jeder der Akteure auf dieser Achse wird seine eigene Strategie im geopolitischen Spiel haben.
Von denjenigen Männern und Frauen, die einst die Grundlagen für das "neue Europa", wie es in der Charta von 1990 genannt wurde, legen wollten, lebt heute niemand mehr. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie von dem Zustand, zu dem der vor über 30 Jahren beschrittene Weg den Kontinent geführt hat, überrascht wären.
Übersetzt aus dem Englischen.
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