Von Tatjana Montjan
Während die ganze Welt immer wieder betont, dass die aktuell wichtigste Aufgabe darin bestehe, einen Weltkrieg zu verhindern, scheinen in Italien die Uhren anders zu gehen. Jetzt hat der neue italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto Russland gedroht: Sollten russische Panzer nach Kiew oder bis "an die Grenzen Europas" kommen, würde der Dritte Weltkrieg ausbrechen. Crosetto im Wortlaut:
"Der Dritte Weltkrieg könnte beginnen, wenn russische Panzer in Kiew und an den Grenzen Europas eintreffen. Sie nicht kommen zu lassen, ist die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern."
Was genau meint der Italiener damit, wie stellt er sich den Beginn des Dritten Weltkrieges vor? In jedem Krieg gibt es jemanden, der ihn initiiert und jemanden, der als erstes zuschlägt. Manchmal sind Initiator und Losschlagender identisch, manchmal schlägt der vom Initiator Bedrängte zuerst los und dann fallen die Rollen auseinander.
Offensichtlich hat Russland im Falle der "Ankunft russischer Panzer in Kiew oder an der europäischen Grenze" (Nota Bene: Für Crosetto endet Europa an der ukrainischen Westgrenze!) keinen Grund, den Dritten Weltkrieg zu beginnen. In Moskau hat – von Sprücheklopfern abgesehen – niemand vor, bis zum Atlantik und Ärmelkanal vorzurücken. Wir können Russland also im Rahmen von Crosettos Logik aus der Liste der Verdächtigen streichen. Die deduktive Methode angewendet, verstehen wir, was der italienische Minister wirklich sagte: Wenn russische Panzer in Kiew einmarschieren, wird die NATO den Dritten Weltkrieg beginnen.
Dieses Eingeständnis ist eine Drohung ganz anderer Art, als wir sie bisher gehört haben. Es stimmt, sie hätte gefährlicher geklungen, wenn sie von den USA, dem Vereinigten Königreich oder zumindest Frankreich gekommen wäre – von jemandem, der über Atomwaffen verfügt und daher ein Mitspracherecht in der Frage hat, ob es den Dritten Weltkrieg geben wird oder nicht.
Und sie, die USA, Großbritannien und Frankreich, schienen bisher nicht bereit zu sein, die Welt im nuklearen Feuer zu vernichten. Dann stellt sich die Frage: Hat der italienische Minister nur pathetischen Blödsinn von sich gegeben, oder hat er versehentlich geheime Pläne der NATO ausgeplaudert? Obwohl ich persönlich immer noch bezweifle, dass die NATO bereit ist, um der Ukraine willen einen Weltkrieg zu beginnen, bereitet mir der Gedanke dann doch Unbehagen.
Denn Crosettos Wüten ist nicht das einzige Warnzeichen dafür, dass die Herrschaften in Washington, London und Paris nicht begriffen haben, dass sie nach einem Dritten Weltkrieg niemanden unterwerfen und auch keine Ressourcen an sich reißen werden. Weil sie dann genau so tot sind wie wir alle. Wäre besser, wenn es ihnen bald jemand erklärt.
Tatjana Montjan ist eine bekannte ukrainische Rechtsanwältin und Publizistin. Vor Beginn der russischen Militäroperation musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und unterhält tagesaktuelle Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Seit Neuestem führt sie eine Meinungskolumne beim RT.
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