Von Susan Bonath
Gewinne maximieren, Konkurrenten ausstechen, Märkte erobern: Das ist der einzige Selbstzweck einer jeden Warenproduktion im Kapitalismus, völlig egal, ob es um Brot, Autos oder Waffen geht. Unternehmen, die nicht mitspielen, droht die Pleite. Also runter mit den Kosten für das Personal. Ausbilden, fortbilden, sozial absichern, familiengerechte Arbeitsplätze? Zu teuer; der Manager, der Staat soll ran. Doch der verbrät das Steuergeld woanders.
Verwaltetes Elend
Das Resultat jahrzehntelanger kapitalistischer Misswirtschaft im Ausgaben-Sparmodus ist sichtbar. Ob im Gesundheitswesen, auf dem Bau, im Handwerk: Überall fehlt Personal. Die verbliebenen Beschäftigten leiden unter zunehmend miserablen Arbeitsbedingungen, die Inflation verschlingt die Löhne. Der Frust in der unteren Mittelschicht steigt: Wir haben doch fast fünf Millionen erwerbsfähige Arbeitslose? Warum nimmt man die nicht ran und fordert stattdessen Fachkräfte aus dem Ausland?
Die Antwort ist banal: Sie haben gar nicht das Know-how. Millionen leben seit Generationen am sozialen Rand, mit schlechtem oder keinem Schulabschluss, oft ohne irgendeine Ausbildung und erst recht ohne Chance, das jemals aufzuholen. In Deutschland hat sich ein Elendsmilieu verfestigt, gefangen in engen Wohnghettos zwischen mies bezahlten Helferjobs und Arbeitslosigkeit, Randkultur und Chancenlosigkeit. Bildung, Habitus und Aufstiegswillen sind auch in Deutschland eine Frage von Herkunft und Geldbeutel. Armut grenzt aus, macht krank – und sie wächst.
Profit für wenige statt Bildung für alle
Zu sehen ist das Ergebnis einer langen Entwicklung: Private Konzerne und staatliche Unternehmen, zum Beispiel Kliniken, befinden sich auf Kostensenkungskurs für schwarze Zahlen. Sie haben jahrzehntelang die Personaldecken dünn gespart und unzureichend in Bildung und Bildungsfähigkeit investiert. Im Staatsdienst und der bezahlten Politik rücken derweil die Konformen nach oben. Das korreliert nicht unbedingt mit Können. Man bläht den Apparat auf, um wachsendes Elend zu verwalten. Die Ursachen tastet niemand an.
Dass in einer Konkurrenzwirtschaft, in der es um Profit und Marktmacht geht, der Stärkere gewinnt und sich dort am Ende die Vermögen konzentrieren, ist keine neue Erkenntnis. Wo das passiert, muss die Zahl der Armen wachsen, und mit ihr die sozialen Probleme. Von den jüngst berechneten acht Billionen Euro Nettovermögen "der Deutschen" haben die meisten Menschen inzwischen gar nichts mehr. Natürlich driftet die soziale Schere auseinander. Doch statt um Chancengleichheit und Bildung für alle geht es der Regierung um etwas anderes: Profit für wenige.
Wettbewerb mit Verlierern
Die Politik nennt den Konkurrenzkampf liebevoll Wettbewerb. Der sei alternativlos und sporne die Menschen erst zu Leistungen an. Doch offenkundig funktioniert das nicht, die Zahl der Verlierer wächst. Dem materiellen Abstieg folgt oft der soziale. Betroffene schalten auf Überlebensmodus, koppeln sich vom Rest der Gesellschaft ab, leiden psychisch, werden apathisch. Das fanden schon Forscher vor über 90 Jahren im österreichischen Marienthal heraus.
Nur langjährig angelegte Sozialprogramme, verbunden mit massiver Umverteilung, abzielend auf Würde, Bildung und verschüttete Fähigkeiten der Betroffenen, könnten die Negativspirale stoppen. Doch das widerspräche dem kapitalistischen Marktgerangel, dem "alternativlosen" Wettbewerb. Es ist schließlich einfacher, den Verlierern selbst die Schuld für ihre Verarmung in die Schuhe zu schieben – und noch rechtlosere Konkurrenten gegen sie antreten zu lassen.
Der Mensch als Verwertungsmasse
Im modernen Imperialismus geht es damit nicht mehr nur um die Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskräften vor Ort. Der Kapitalexport in Billiglohnländer mit begehrten Rohstoffen wird ergänzt durch den Import von Arbeitskräften in die Zentren. So sparen sich die westlichen Imperien nicht nur die Ausbildungskosten. Sie drücken obendrein die Löhne. Und jeder syrische Arzt, jede somalische Krankenschwester, jede bulgarische Altenpflegerin fehlt im Heimatland. So kann man effektiv die armen Staaten klein und arm halten – Wettbewerb in Aktion.
Dahinter steckt ein zutiefst kapitalistisches Menschenbild: Lohnabhängige sind danach eine bloße Ware, eine menschliche Verfügungs- und Verwertungsmasse für das Kapital. Das war zwar schon immer so in dieser Wirtschaftsordnung. Doch die Globalisierung macht es nun sicht- und spürbarer.
Scheinlinke Zuträger der Herrschenden
Die Reduktion des Menschen auf seine Verwertbarkeit müsste alle Linken auf die Barrikaden treiben. Das passiert ersichtlich nicht. Stattdessen verstrickt sich die in Regierungsämter eingebundene, zum Schein ihrer selbst mutierte "Linke" in Floskeln der Herrschenden. Wer an Kritik an der Migrationspolitik der Ausbeuter auch nur denkt, wird zum Rassisten abgestempelt. Damit überlässt sie Rechtsaußen dieses wichtige Thema.
Den Herrschenden spielt sie so munter in die Hände. Denn rechte Kritik an ihrer Migrationspolitik ist meist ein zahnloser Tiger. Diese schießt selten gegen die Eigentumsverhältnisse, ihre Profiteure und politischen Manager, die derart neokolonialen Menschenhandel erst ermöglichen. Sie richtet sich vielmehr meist gegen die Betroffenen selbst – als wäre es nicht menschlich, der durch die globalen Verhältnisse verursachten Armut zu entfliehen und nach besseren Lebensbedingungen zu suchen.
Eine echte Linke würde sich vehement gegen die aggressive imperiale Außenpolitik ihrer Regierung stellen: Gegen die fortgesetzte wirtschaftliche Erpressung der Entwicklungsländer, gegen Waffenlieferungen und ausbeuterischen Kapitalexport, gegen das Anzetteln von Kriegen, ganz allgemein gegen die uferlose Unterdrückung von Lohnabhängigen. Dazu gehört das Anlocken von Fachkräften mit dem einzigen Ziel, sie zu billigen Knechten im imperialistischen Deutschland zu machen.
Nein, Deutschland ist kein Paradies für Migranten, sondern Teil eines imperialen Unterdrücker-Bündnisses unter Führung der USA. Deutschland ist ein moderner Kolonialherren-Staat, der arme Länder niederkonkurriert und die selbst mit verursachte Not der Migranten und Flüchtlinge ausnutzt, um sie gegen Einheimische auszuspielen, Löhne unten zu halten und sich vor Sozialprogrammen zu drücken. Eine Linke, die das nicht kritisiert, ist alles Mögliche, aber kein bisschen links.
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