Von Darja Wolkowa
Der Nicht-wirklich-Diplomat aus der Ukraine und derzeitige stellvertretende Außenminister Andrej Melnyk hat Berlin den Vorschlag unterbreitet, der Ukraine einhundert Tornado-Kampfjets zu schenken. Der Vorschlag scheint durchaus plausibel, denn Deutschland plant, die veralteten Maschinen durch neue F-35-Kampfflugzeuge und Eurofighter zu ersetzen. Doch was verbirgt sich hinter Melnyks Aussage? Werden die Flugzeuge aus Deutschland an die Ukraine geliefert?
Am Montag erklärte der stellvertretende Außenminister der Ukraine und ehemalige Botschafter in Berlin, Andrei Melnyk, er habe "einen kreativen Vorschlag für unsere deutschen Freunde". Die Nachrichtenagentur TASS zitierte Melnyks Beitrag in den sozialen Medien mit den Worten: "Die Bundeswehr verfügt über 93 Tornado-Mehrzweckkampfflugzeuge, die demnächst ausgemustert und durch die F-35 ersetzt werden sollen. Obwohl es sich um einen alten Düsenjäger handelt, ist er immer noch sehr leistungsstark. Weshalb sollten diese Tornados nicht in der Ukraine eingesetzt werden?"
Erinnern wir uns daran, dass Melnyk vor seiner Beförderung zum stellvertretenden Außenminister als Botschafter in Deutschland Bundeskanzler Olaf Scholz eine "beleidigten Leberwurst" nannte. Auch in seiner darauffolgenden Tätigkeit machte er eine Reihe ebenso rüpelhafter Aussagen über deutsche Politiker und Geistliche.
Ende Dezember bezeichnete der stellvertretende Außenminister die deutschen Einwände gegen die Lieferung von Leopard- und Marder-Panzern an Kiew als nicht überzeugend. Er fügte hinzu, dass die ukrainischen Streitkräfte auch deutsche Fuchs-Panzerkampfwagen sowie Wiesel-Kampffahrzeuge benötigen würden. Und am 7. Januar veröffentlichte derselbe Diplomat eine Aufforderung an die westlichen Verbündeten, der Ukraine mehr Waffen zu liefern, darunter Kampfpanzer, Kampfflugzeuge, U-Boote, ballistische Raketen und Luftabwehrsysteme.
Melnyks "kreativem Vorschlag" kann man insofern zustimmen, als es sich bei den geforderten Flugzeugen in der Tat um relativ veraltete Maschinen handelt; und tatsächlich plant Deutschland die Modernisierung seiner Kampfflugzeugflotte. Wie die Zeitung Wsgljad bereits berichtete, wurde Mitte März letzten Jahres vom Kabinett Scholz die Umrüstung der Bundeswehr-Luftstreitkräfte durch den Kauf von 35 amerikanischen F-35-Maschinen beschlossen. Sie ersetzen die gegenwärtig im Einsatz befindlichen Tornado-Kampfflugzeuge, welche von Deutschland, Italien und Großbritannien gemeinsam produziert wurden.
Die Tornados ersetzten seinerzeit die amerikanischen F-104 Starfighter und Fiat G.91, die in den 1970er und 1980er-Jahren bei den deutschen, belgischen, niederländischen und italienischen Luftstreitkräften im Einsatz waren.
Der Kampfjet Panavia Tornado mit variablen Schwenkflügeln, den es in zwei Versionen gibt – als Jagdbomber (GR4) und als Aufklärungs- und Abfangjäger (GR4A) – wurde in den frühen 1970er-Jahren entwickelt. Zu den "Altersgenossen" dieser Maschine in der sowjetischen Flugzeugindustrie dürfen die Modifikationen des Jagdbombers Su-17 gezählt werden – dem ersten Flugzeug der Welt mit Flügeln variabler Geometrie, das in Serienproduktion ging.
Die "Feuertaufe" des Tornado-Jagdbombers fand im Golfkrieg statt. Bei der Operation "Wüstensturm" wurde ihm die anspruchsvolle Aufgabe zuteil, Flugplätze mit einem relativ starken Luftabwehrsystem anzugreifen und die irakischen Luftabwehrsysteme zu zerstören.
Die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte durch den Westen erfolgt meist nach einem gewissen Muster, das wiederholt beobachtet wurde. Die Zeitung Wsgljad hat sich neulich mit diesem Schema befasst, und zwar am Beispiel der Lieferung von Challenger-2-Panzern und AS-90-Panzerartillerieeinheiten durch London. Zunächst wird in den Medien eine provokative Meldung verbreitet, um die Reaktion Moskaus zu prüfen, dann wird über die angebliche Lieferung diskutiert, zugleich werden Informationen darüber dementiert. Nach kurzer Zeit wird dann die Ausrüstung an Kiew übergeben.
Dasselbe Muster lässt sich in der Meldung erkennen, dass Warschau beschlossen hat, Kiew eine Charge von Leopard-Panzern aus deutscher Produktion zu liefern, die bei der polnischen Armee im Einsatz sind. Zuvor war dies der Fall bei der Lieferung von Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystemen und Flugabwehrraketensystemen westlicher Herkunft.
Der Luftfahrtexperte Oleg Pantelejew kommentierte den Wunsch der Ukraine, den Tornado zu erhalten, wie folgt: "Zusammen mit ihnen werden die ukrainischen Streitkräfte Zugang zu einer breiteren und auffüllbaren Ressourcenbasis von NATO-Waffen erhalten."
"Selbst wenn es in Osteuropa noch einige MiG- und Su-Flugzeuge gibt, so werden diese in absehbarer Zeit zur Neige gehen. Die AFU hat es verstanden, dass diese Flugzeuge ihr nicht mehr viel Erfolg bringen werden", bemerkte er.
"Ersatzteile und die Bewaffnung für sowjetische Flugzeugmodelle sind nirgendwo zu bekommen, da die Lagerbestände in den Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes fast aufgebraucht sind. Gleichzeitig bietet die Umstellung auf NATO-Standards den Zugang zu Spezialisten, Ersatzteilen und allem, was für die Wartung der Flugzeuge benötigt wird", argumentiert Pantelejew.
"Berücksichtigt man, dass der Westen intensiv auf einen neuen Flugzeugtyp umrüstet, können viele Länder ihre veralteten Tornado-Flugzeuge ohne Bedenken abgeben", meint der Experte.
Dabei müssen die ukrainischen Luftstreitkräfte nicht unbedingt inländische Piloten umschulen, denn auch ausländische können diese bedienen, so Pantelejew. "Die Ukraine hat diese Möglichkeit gesetzlich verankert. Ebenso macht es unter den Bedingungen einer starken russischen Flugabwehr nicht viel Sinn, Zeit und Aufwand in die Ausbildung des fliegenden Personals zu investieren. Lange fliegen werden sie nicht", vermutet der Experte.
Der Militärexperte Sergei Denisentsew verweist seinerseits darauf, dass "in Osteuropa tatsächlich nur noch wenige MiGs vorhanden sind, die außerdem oft das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben." "Die Flugzeuge der Familie Su-27 wurden gar nicht an NATO-Mitgliedsländer in Osteuropa geliefert", fügte er hinzu.
"Zudem ist der Tornado als Kampfflugzeug stärker als die MiG-29. Die westliche Maschine hat eine größere Traglast und ein breiteres Spektrum an Munition, einschließlich der 'Shadow' Marschflugkörper mit einer Reichweite von 250 Kilometern, während die MiG über derartige Raketen nicht verfügt", erläutert der Experte.
"Das ist aber nicht alles. Die Ukrainer wissen, dass die Luftstreitkräfte der Bundeswehr ihre Tornados ausmustern und sie durch moderne Eurofighter ersetzen. Kiew möchte den Umstand ausnutzen, dass Deutschland der Ukraine nicht einmal seine alten Flugzeuge geben will, die sie nicht benötigt. Auf diese Weise versuchen die Ukrainer, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Druck auf europäische Beamte auszuüben."
"Wer diese Kampfjets bedienen wird, ist zweitrangig. Die Ukraine ist voller Söldner aus der ganzen Welt, und sie werden Piloten für den Tornado finden, zum Beispiel die Briten", ist sich Denisentsew sicher.
"Weitaus wichtiger ist jedoch, dass die Ukraine zumindest irgendeinen NATO Kampfjet erhalten möchte, um einen Präzedenzfall zu schaffen. Danach wird man sagen können: 'Nun, da sie bereits den Tornado geliefert haben, sollten sie mit den F-16 weitermachen.' Damit wäre die Pandora-Büchse für die Versorgung mit westlichen Kampfflugzeugen geöffnet", so der Experte.
Der Gesprächspartner verwies auch auf die Bedeutung, die Russland solchen Lieferungen auf diplomatischem Wege sowie durch die Arbeit mit der öffentlichen Meinung in Deutschland entgegensetzt.
In Bezug auf die Frage der Stationierung der Flugzeuge für den Fall ihrer Übergabe an Kiew sagte Denisentsew, dass "die AFU sie höchstwahrscheinlich in der Westukraine verstecken und die Flughäfen im zentralen Teil des Landes als 'Zwischenlandeplätze' nutzen wird." "So arbeitet die ukrainische Luftwaffe jetzt auch", fügte er hinzu.
Übersetzt aus dem Russischen.
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