Ein Land wird geschreddert: Welche Folgen die Lieferung von Kampfpanzern für die BRD haben wird

Während die Bundesregierung sich von Polen und der eigenen Journaille fast in die Kriegsbeteiligung locken lässt, könnte in den USA die Absetzbewegung schon in Arbeit sein. Und wie man es dreht und wendet, übrig bleibt eine europäische Wirtschaftsruine.

Von Dagmar Henn

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einer "uncoolen Debatte", während selbst Politiker der eigenen Partei ihn dazu treiben wollen, einer Lieferung deutscher Leopard-Panzer an die Ukraine zuzustimmen. Ganz zu schweigen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die sie im Handtäschchen in die Ukraine tragen würde, so sie denn hineinpassten, während die Kriegsministerin im Wartestand, vermutlich ihren Freunden bei Rheinmetall schon mal empfohlen hat, den Champagner kaltzustellen. Denn schließlich wird Scholz, der brave Transatlantiker, auf eine direkte Anweisung von Joe Biden mit Sicherheit einknicken, wenn schon Großbritannien, Finnland und Polen zugesagt haben, Kampfpanzer zu liefern.

Dass eine solche Lieferung eine Mischung aus Illusion und Verzweiflung darstellt, mit anhängendem Risiko einer offenen Kriegsbeteiligung, müsste inzwischen klar sein. Vielleicht ist es eine Art homöopathisches Voodoo. Die Ukraine hatte schließlich Anfang des Jahres 2022 noch 2.500 Kampfpanzer gehabt und hat es geschafft, sie weitgehend aufzubrauchen.

Hunderte wurden vom ukrainischen Stabschef Waleri Saluschny vom Westen gefordert, aber Tausende wären erforderlich, wenn man um jeden Preis den Wahn weiterverfolgen will, dass die Ukraine siegen müsse. So viele Panzer besitzen nur die USA; das sind aber 60 Tonnen schwere Monster, die dreimal so viel Treibstoff brauchen wie der deutsche Leopard. Außerdem geht es den USA schließlich auch darum, die Europäer zu schröpfen.

Wie auch immer, Scholz täte gut daran, selbst bei einer Anweisung von Biden weiter abzuwarten. Schließlich hat irgendjemand in den USA gerade die Büchse der Pandora geöffnet, oder die Garage des Chevrolets, und plötzlich befand sich der ehemalige Vizepräsident Biden in all den Jahren vor seiner Wahl im selben Besitz geheimer Dokumente, wie er seitens der Demokraten und dem US-Justizministerium Ex-Präsident Donald Trump zum Vorwurf gemacht wurde. Seine Garage sei schließlich verschlossen, brachte Biden als Argument vor, als hätten die Türen von Trumps Anwesen in Mar-a-Lago jederzeit für jedermann weit offen gestanden.

Das US-Justizministerium wusste von diesen überraschend aufgefundenen Dokumenten bereits seit dem 4. November, hat aber wohlweislich darüber geschwiegen; schließlich standen die Zwischenwahlen an. Jetzt sind diese vorüber, überraschenderweise einigermaßen glimpflich für die Demokraten, und nun hält irgendjemand es für geboten, die Säge an Bidens Stuhl zu setzen. Der Generalstaatsanwalt hat zumindest schon einmal einen Ermittler für die Sache eingesetzt.

Wenn die Rechtsposition, die Trump gegenüber mit Vehemenz vertreten wurde, dass er selbst als Präsident keine Entscheidung treffen könne, Dokumente zu deklassifizieren, und sich strafbar gemacht habe, weil er sie in privatem Besitz hatte, zuträfe, wie viel strafbarer wäre das dann bei einem ehemaligen Vizepräsidenten? Klar ist jedenfalls, der Fall, den die Demokraten so mühsam aufgebaut haben, fällt nun auf sie zurück, zumindest auf ihren Präsidenten. Die große Frage, die sich dabei stellt, ist, ob dieses Spiel nicht aus den eigenen Reihen eröffnet wurde. Und die nächste Frage, die darauf folgt, lautet: Wenn ja, dient dieses Manöver nur dazu, eine erneute Kandidatur Bidens früh genug zu verhindern, oder ist das bereits der Vorlauf zu einem Rückzug aus dem Projekt Ukraine, und der senile Präsident wird als Bauernopfer vorbereitet? Auffällig ist immerhin, dass sich in dem Garagenarchiv auch Dokumente zur – richtig, Ukraine befunden haben sollen.

Panzer hin, Panzer her, die Frontlage in der osteuropäischen Kolonie ist ungünstig, aber man hat sich allseits so tief auf die Glorifizierung der ukrainischen Armee eingelassen, dass es ausgesprochen mühsam wird, die nötige Kehrtwende zu vollziehen. Schließlich ist Wladimir Selenskij erst vor Kurzem im US-Kongress aufgetreten und überreichte mit großem Pathos eine Fahne, die vermeintlich an der Front in Artjomowsk unterzeichnet worden sein soll, und betonte, wie ungeheuer bedeutsam die Kämpfe dort wären, für die Ukraine, Freiheit und Demokratie und so weiter.

In der Pressekonferenz des Weißen Hauses vom 12. Januar versuchte John Kirby, zurzeit mit dem voluminösen Titel "Koordinator für die strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrats" versehen, die Kehre möglichst unauffällig. Der Einstieg bezieht sich auf Soledar.

"Das ist ein kleines Dorf im Donbass. Wir glauben, dass das russische Interesse daran zwei Seiten hat. Die eine, weil sie es sehen – weil sie es als Schlüssel zu ihrer Fähigkeit sehen, zu halten und – zu sichern und dann Bachmut (russisch Artjomowsk; Anm.) zu halten. Dort gibt es auch Salzbergwerke. Also denken wir, dass es da einen gewissen ökonomischen Anreiz gibt, insbesondere für (Jewgeni) Prigoschin, das in Besitz zu nehmen. (…) Aber selbst wenn Bachmut und Soledar an die Russen fallen, wird das nicht – dann wird das keine strategischen Auswirkungen auf den Krieg selbst haben. Und es wird sicher die Ukrainer nicht aufhalten oder verlangsamen, in Hinsicht auf ihre – ihre Bemühungen, ihr Gebiet zurückzugewinnen."

Das wird Kamala Harris aber enttäuschen, nun zu hören, dass sie mit der Fahne aus dem Kampf um ein völlig unbedeutendes Dorf geehrt wurde ... Nein, es wird nicht einfach werden, schon der Verlust von Soledar durch die Ukrainer ist schwer zu bemänteln, und mit Artjomowsk wird es, wenn es denn so weit ist, noch schwerer werden.

Es bedarf nur noch einfachsten Erbsenzählens, um zu erkennen, dass keinerlei westliche Lieferung in der Ukraine etwas wenden kann. Die Debatte über die Leopard-Panzer in Deutschland läuft allerdings unter falschen Vorzeichen. Wie gerade erst in der Wirtschaftswoche stand: "Völkerrechtlich würde Deutschland nur dann zur Kriegspartei werden, wenn deutsche Soldaten in der Ukraine gegen Russland kämpfen würden. Das wird aber nicht passieren." Diese trügerische Sicherheit muss aufrechterhalten werden, damit das deutsche Publikum weiter brav mitläuft; obwohl die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages die Grenze bereits bei der Ausbildung ukrainischer Truppen in der Bedienung der Panzerhaubitze 2000 überschritten sah und Leopard-Panzer wegen der langen Ausbildungszeit ohne mitgeliefertes Personal völlig nutzlos sind.

Für die US-amerikanische Strategie, Westeuropa und insbesondere Deutschland möglichst weit und dauerhaft von Russland zu entfernen, wäre allerdings eine direkte Beteiligung ideal. Der Europäer, versteht sich, nicht der Vereinigten Staaten selbst. Und wenn man betrachtet, wohin die Entwicklung geht, mit der neuesten polnischen Forderung, doch die diplomatischen Verbindungen nach Russland völlig zu kappen, und der Ankündigung der EU, jetzt tatsächlich das eingefrorene russische Vermögen zu verzehren, könnte Russland die gesamte EU demnächst problemlos nach der Ententheorie ernsthaft, also mit materiellen, militärischen Konsequenzen, zu Beteiligten erklären. Wenn die diplomatischen Verbindungen unterbrochen sind, Besitz beschlagnahmt wird, Waffen und mehr oder weniger verdeckt Personal geliefert wird – es quakt wie eine Ente, es watschelt wie eine Ente, es wird wohl eine Ente sein.

Selbst die Anfälle von Größenwahn, die die polnische Regierung derzeit umtreiben, könnten in dieses Konzept passen; in diesem Fall, um Polen als Bedrohung aufzubauen, die bei mangelnder Unterordnung zum Zuge kommen könnte. Gegenüber einer Bundesregierung, die sich nicht mit Haut und Haar den Vereinigten Staaten ausgeliefert hätte, wäre eine Forderung nach Reparationen nie erhoben worden. So dient sie als weiteres Mittel, um die Berliner Ampel bei der Stange zu halten.

Allerdings ist in der Ukraine im Grunde längst nichts mehr zu retten. Aus US-Sicht wäre es allerdings hübsch, vor dem Rückzug noch dafür zu sorgen, dass die EU mit geschlagen wird. Im Interesse der für sie ebenso unverzichtbaren zweiten Runde gegen China müsste erst einmal das industrielle Potenzial in den USA wieder aufgebaut werden, das augenblicklich so unübersehbar fehlt.

Der schwierigste Faktor dabei dürfte das qualifizierte Personal sein; nicht notwendigerweise die Ingenieure, aber die Metallfacharbeiter. Und so herum ergibt es sogar Sinn, wenn mit jedem verfügbaren Mittel von Klimaglaube bis zur Nord-Stream-Sprengung die deutsche Automobilindustrie geschreddert wird. Denn die langwierige Ausbildung deutscher Facharbeiter sorgt dafür, dass man sie ohne allzu große Probleme in vielen verschiedenen Bereichen einsetzen kann; wenn in Deutschland keine Autos mehr gebaut werden, entsteht ein gigantischer Pool an genau dem Personal, das die US-Rüstungsindustrie benötigt.

Frankreich gönnt sich immerhin noch Ansätze einer Debatte darüber, ob es wirklich Sinn ergibt, sich an die stürzenden USA zu hängen. Wäre das in Deutschland ebenso, bestünde noch eine gewisse Hoffnung. Auf jeden Fall darauf, dass der Unfug mit den Panzern (samt Mannschaften) unterbleibt; aber vielleicht sogar, dass dieser unheilvolle Pakt namens NATO ein Ende findet.

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