Die Kriegstrommeln klingen weiter – neuer US-Kongress hin oder her

Der Führer der Minderheit im US-Senat, Mitch McConnell, hat deutlich gemacht, dass die Republikaner die Ukraine weiterhin bewaffnen wollen. Was die Wähler darüber denken, spielt keine Rolle.

Von Tony Cox

Hin und wieder werden amerikanische Wähler daran erinnert, dass sie kein wirkliches Mitspracherecht bei der Führung ihres Landes haben. Mitch McConnell, der ranghöchste Republikaner im US-Senat, machte dies wenige Tage vor Weihnachten überdeutlich, als er im Prinzip bekannt gab, dass diejenigen Wähler, die von der Politik ihre echten Bedürfnisse angesprochen haben wollen, wieder nur hartes Brot und Steine unter ihren Weihnachtsbäumen vorfinden werden.

"Hilfe für die Ukrainer zu leisten, um die Russen zu besiegen, ist laut den meisten Republikanern derzeit die oberste Priorität für die Vereinigten Staaten", sagte der 80-jährige Senator aus Kentucky gegenüber der Presse auf dem Capitol Hill. Zuvor hatte er den Haushalt in Höhe von 1,7 Billionen US-Dollar gelobt, der soeben durch den Kongress gepeitscht worden war. Und er fügte hinzu:

"So sehen wir die Herausforderungen, vor denen unser Land derzeit steht."

Es war nicht ganz klar, von welchen Republikanern McConnell sprach, die seiner Meinung nach – mehr als alles andere – verlangen, dass die US-Regierung dabei hilft, Russen zu töten. Er kann nicht jene Republikaner gemeint haben, die jedes Mal, wenn eine Wahl ansteht, gebeten werden, ihre Stimme dem Team von McConnell zu geben. Laut einer Umfrage von Rasmussen Reports gehörte die Ukraine-Krise vor den US-Zwischenwahlen im vergangenen November nicht zu den Top-Themen, die von den Wählern als ihre Hauptsorgen genannt wurden.

Vielmehr waren die Amerikaner sehr besorgt über die steigende Inflation, die Wirtschaft, Gewaltverbrechen, illegale Einwanderung und die Energiepolitik. Nur jeder fünfte Befragte hielt den Ukraine-Konflikt für "sehr wichtig" – die niedrigste Quote von allen 16 Themen, die Rasmussen auflistete. Vor kurzem ergab eine im Dezember durchgeführte Gallup-Umfrage, dass weniger als ein Prozent der Amerikaner Russland als das größte Problem für die USA sehen. Die Befragten zeigten sich dabei am meisten besorgt über ihre eigene Regierung, die Inflation und die stotternde Wirtschaft des Landes.

Die zunehmende Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit gegenüber der Krise in Osteuropa zeigt einmal mehr, dass die traditionellen Medien ihre Fähigkeit verloren haben, die öffentliche Meinung zu formen. Tatsächlich haben die republikanischen Wähler den Ukraine-Hype nicht nur satt, viele haben sich sogar dagegen ausgesprochen, weiterhin das zu finanzieren, was einige ihrer politischen Vertreter in Washington als "Stellvertreterkrieg" propagiert haben.

Eine kurz vor den Zwischenwahlen durchgeführte Umfrage von Morning Consult hat ergeben, dass die meisten Republikaner eine geringere Beteiligung der USA an militärischen Konflikten im Ausland, weniger Truppeneinsätze im Ausland und eine geringere Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder wünschen. Etwa zur gleichen Zeit ergab eine Umfrage des Wall Street Journals, dass fast die Hälfte der republikanischen Wähler gegen eine US-Hilfe für die Ukraine ist, gegenüber sechs Prozent, als die gleiche Frage kurz nach Beginn der russischen Militäroffensive im Februar gestellt worden war. Diese Botschaft ist eindeutig nicht bei den Republikanern um McConnell im Senat angekommen

Die Republikanische Partei konnte die Mehrheit über beide Kammern im Kongress nicht gewinnen, da ihre Kandidaten bei den Zwischenwahlen schlechter abschnitten als erwartet. Im Repräsentantenhaus pendelten die Republikaner von einer Minderheit mit fehlenden sieben Sitzen zu einer Mehrheit mit neun Sitzen. Sie erlangten damit zum ersten Mal die Kontrolle über diese Kammer zurück, seit die Demokratin Nancy Pelosi aus Kalifornien im Januar 2019 den Vorsitz übernommen hatte.

Die Zugewinne der Republikanischen Partei erfolgten, nachdem der Amts- und Parteikollege von Senator McConnell im Repräsentantenhaus, der Führer der Minderheit Kevin McCarthy aus Kalifornien, drei Wochen vor den Zwischenwahlen angedeutet hatte, dass die Republikaner den Hilfszug nach Kiew stoppen oder zumindest verlangsamen könnten, sollten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus wiedererlangen. Er stellte fest:

"Ich denke, die Menschen in unserem Land werden in einer Rezession feststecken und der Ukraine keinen Blankoscheck ausstellen wollen."

Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, eine Republikanerin aus Georgia, ging sogar so weit zu sagen, dass "kein Cent mehr in die Ukraine gehen wird", sollte die Republikanische Partei das Repräsentantenhaus zurückgewinnen.

Die Stimmung kippte jedoch, als die Politiker nicht mehr um Stimmen betteln mussten. Nach den Zwischenwahlen versicherten die hochrangigen republikanischen Kongressabgeordneten Michael McCaul aus Texas und Mike Turner aus Ohio gegenüber einem Interviewer von ABC News, dass "Mehrheiten auf beiden Seiten der politischen Lager" immer noch unbegrenzte Militärhilfe für die Ukraine unterstützen würden. McCaul suggerierte sogar, dass es für die ukrainischen Streitkräfte völlig legitim sei, Ziele auf der Krim anzugreifen, da die USA und ihre Verbündeten die Halbinsel nicht als russisches Territorium anerkennen.

Als der Haushalt in Höhe von 1,7 Billionen US-Dollar – einschließlich 45 Milliarden US-Dollar an zusätzlicher Hilfe für die Ukraine – am 23. Dezember im Repräsentantenhaus zur Abstimmung kam, schlossen sich neun Republikaner den Demokraten an und stimmten für dessen Verabschiedung. Im Senat stimmten 18 von 50 Republikaner dafür und gaben den Demokraten somit die Schützenhilfe, die sie brauchten, um den Haushaltsentwurf durchzubringen.

Die Republikaner waren nicht einmal in der Lage, grundlegende Maßnahmen für eine parlamentarische Beaufsichtigung der Hilfe an die Ukraine durchzubringen, geschweige denn, diese Hilfe zu reduzieren oder gänzlich einzustellen. Ein Gesetzentwurf zur parlamentarischen Beaufsichtigung eines 100-Milliarden-Dollar-Programms für die Ukraine wurde am 8. Dezember im Repräsentantenhaus abgelehnt. Als der republikanische Senator Rand Paul aus Kentucky im Mai des vergangenen Jahres forderte, dass eine Beaufsichtigung an ein 40-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine als Bedingung geknüpft werden sollte, wurde er von Demokraten und Republikanern gleichermaßen plattgewalzt, die anschließend das Hilfspaket einfach durchzwängten.

Maßnahmen zur Beaufsichtigung und Kontrolle über die Verwendung der Hilfsgelder an die Ukraine könnten eine bessere Chance haben, im Repräsentantenhaus durchzukommen, nachdem die Republikaner seit Anfang 2023 die Mehrheit in dieser Kammer bilden. Aber der Senat würde wahrscheinlich verhindern, dass ein solcher Gesetzentwurf in Kraft tritt. Die Demokraten werden auch weiterhin viel Schützenhilfe von McConnell und anderen neokonservativen Republikanern im Senat bekommen.

Republikaner und Demokraten können eine gute Show abliefern, wenn es um die Politik bei den Toiletten für Transgender und andere absurde Themen geht. Aber wenn es um das nicht verhandelbarste Thema in Washington geht, um Krieg, verflüchtigt sich die politische Polarisierung. Denn die Pro-Kriegs-Einheitspartei aus Demokraten und Republikaner wird jederzeit zustimmen, mehr Raketenwerfer zu schicken, mehr Bomben abzuwerfen und mehr Regierungen zu stürzen.

Das musste auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Tulsi Gabbard erfahren, als sie sich gegen US-geführte Kriege zum Zwecke des Regimewechsels aussprach. Damals eine Demokratin aus Hawaii, die von CNN als "nächster Superstar" in ihrer Partei gehypt wurde, fand sich die Veteranin des Irakkriegs plötzlich als Persona non grata wieder, als sie die militärischen Interventionen der USA rund um den Globus kritisierte. Parteiführer und Medienpropagandisten verurteilten sie umgehend als russische Agentin. Woraufhin sie im vergangenen Oktober aus der demokratischen Partei austrat.

Die Verspottung der republikanischen Wähler durch McConnell – mit der Ankündigung, dass die Partei genau das Gegenteil von dem priorisieren wird, was die Wähler wollen –, markiert den jüngsten Meilenstein in dem kaputten politischen System in Washington. Amerikas vermeintlich repräsentative Regierungsform hat sich zu einer Regierungsform entwickelt, wo eine herrschenden Klasse ohne Rücksicht auf die Interessen der Wähler regiert, während sie Intrigen anzettelt, um die Bevölkerung abzulenken und um die Leute gegeneinander aufzuhetzen.

Donald Trump drohte, den Status quo zu zerstören, als er 2016 zum Präsidenten gewählt wurde. Erinnern Sie sich an sein Versprechen, "den Sumpf trockenzulegen"? Nun, der Sumpf hat gewonnen. Trump fehlte es an politischem Mut, die "America First"-Agenda durchzusetzen, die er den Wählern anbot – teilweise natürlich auch wegen des nicht enden wollenden "Russiagate"-Schwindels.

Trump betrieb mit dem Versprechen Wahlkampf, "mit Russland auskommen zu wollen" und bei gemeinsamen Interessen – etwa im Kampf gegen den IS – zusammenzuarbeiten. Die Wähler befürworteten  dies und brachten somit bei der Wahl 2016 ihren demokratischen Willen zum Ausdruck. Letztlich spielte Trump gegenüber Moskau aber trotzdem die harte Karte aus: Da politische Gegner und Medien ihn beschuldigten, ein russischer Agent zu sein, ließ Trump törichterweise von dem ab, was er den Wählern versprochen hatte. Er prahlte 2018 sogar damit, dass "es noch nie einen Präsidenten gab, der so hart zu Russland war wie ich" – als ob dies ein Maßstab für Erfolg wäre.

Die Russlandpolitik gehörte zu mehreren Bereichen, in denen Trump und seine Partei es ablehnten oder versäumten, die Wünsche und Interessen der Wähler zu vertreten. Selbst als sie die Exekutive und die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses innehatten, hielten die Republikaner ihre Versprechen – eine Grenzmauer zu Mexiko zu errichten und Obamacare wieder aufzuheben – nicht ein. Und weniger als eine Woche nach seinem Wahlsieg wies Trump jede Aufforderung zurück, tatsächlich zu versuchen, Hillary Clinton vor ein Gericht zu bringen, so wie es seine Anhänger es verlangten. Die Sprechchöre "Sperrt sie ein" und sein Wahlkampfscherz gegenüber der Kandidatin der Demokraten, dass Clinton im Gefängnis sitzen würde, wenn er Präsident wäre – all das war bloße Theatralik.

Als Trump ein Ende der US-Militärintervention in Syrien anordnete, rümpfte das Pentagon gegenüber dem Oberbefehlshaber lediglich mit der Nase. Bis zum heutigen Tag befinden sich Hunderte von US-Truppen in Syrien, ohne rechtliche Grundlage und unter Verletzung der Souveränität dieser Nation.

Trumps wichtigste legislative Errungenschaft war eine Steuersenkung in Höhe von 1,5 Billionen US-Dollar. Das Haushaltsdefizit des Bundes stieg dadurch weiter an, während die Südgrenze des Landes weiterhin durchlässig blieb. Die Anzahl der Abschiebungen illegaler Ausländer war während der Amtszeit von Trump im Durchschnitt sogar niedriger als während der achtjährigen Amtszeit von Barack Obama.

Und das war nicht das erste Mal. Jahrzehntelang haben die Republikaner Wahlkampf mit dem Versprechen betrieben, die Südgrenze zu sichern. Doch selbst als die Republikaner sowohl die Kontrolle über den Kongress als auch über das Weiße Haus hatten, wurde die Krise bei der illegalen Einwanderung zunehmend schlimmer. Genauso wie das herrschende Establishment verlangt, dass die Kriegsmaschinerie am Laufen gehalten wird, besteht es auf einem stetigen Zustrom billiger, illegaler Arbeitskräfte. Was zur Folge hat, dass die Gehälter der US-Bürger nach unten gedrückt werden.

Diese herrschende Politik ist eindeutig nicht im Interesse der einfachen Amerikaner. Es hilft den US-Steuerzahlern nicht – oder dem ukrainischen Volk –, wenn die Kämpfe in Osteuropa weitergehen, Moskau sanktioniert wird und weiterhin Waffen im Wert von Milliarden von Dollar nach Kiew geschleust werden. Es lag auch nicht in Interesse des amerikanischen Volkes, im Jahr 2014 die demokratisch gewählte Regierung in Kiew zu stürzen und die nationale Sicherheit Russlands zu bedrohen, indem darauf gedrängt wurde, dass die Ukraine der NATO beitritt.

Das amerikanische Volk kann deutlich sehen, dass die Ergebnisse dieser Strategien ruinös sind. Verbraucher im Westen, insbesondere in Westeuropa, sehen einem dunklen, kalten und hungrigen Winter entgegen, inmitten von Energieknappheit und den höchsten Inflationsraten seit 40 Jahren. Aber machen Sie sich keine Sorgen. McConnell, Präsident Joe Biden und andere Mitglieder der Pro-Kriegs-Einheitspartei bestehen darauf, dass der Kampf in der Ukraine, die Opfer, die man Ihnen auferlegt hat, mehr als rechtfertigt.

Sie behaupten, "wir" hätten eine "moralische Verpflichtung, Freiheit und Demokratie in der Ukraine zu verteidigen." Und es spielt dabei keine Rolle, dass das korrupte Regime des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij die politische Opposition untersagt, alle unabhängigen Medien geschlossen und die größte religiöse Glaubensrichtung des Landes verboten hat. In den Augen von Washingtons Pro-Kriegs-Einheitspartei sind Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und die Freiheit, sich politisch gegen die Regierungspartei zu stellen, keine notwendigen Bestandteile eines freien und demokratischen Landes.

Wir treten also mit einem neuen Kongress, aber mit denselben alten heiligen Kühen in ein neues Jahr ein. Das größere Problem dieses Mal ist, dass das eskalierende US-Engagement in der Ukraine uns alle einem Krieg mit Russland näher bringt. Einem Krieg mit dem Land, welches das größte Atomwaffenarsenal der Welt besitzt. Ein Krieg der die Existenz dieses Planeten beenden wird.

Es steht weit mehr auf dem Spiel, als wenn Washington eine illegale Invasion im Nahen Osten startet oder ein paar Millionen zusätzliche illegale Ausländer importiert. Mit Politikern wie Senator Lindsey Graham, einem Republikaner aus South Carolina, der einen Regimewechsel in Moskau fordert, könnte der jüngste Schachzug der Pro-Kriegs-Einheitspartei – entgegen den Interessen der amerikanischen Bürger – uns alle viel mehr kosten als bloß eine höhere Inflation und niedrigere Löhne.

Aus dem Englischen.

Tony Cox ist ein US-Journalist, der für Bloomberg und mehrere große Tageszeitungen geschrieben oder redigiert hat.

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