Ein deutsches Produkt: Vitali Klitschko, ukrainische Nazis und ein bayrisches Gericht

Man lässt ihn gern reden, den Herrn Klitschko, auch im Fernsehen. Er gilt immerhin als sympathisch. Er hat allerdings äußerst unsympathische Züge, und dass die deutsche Gerichtsbarkeit willig ist, seinen Ruf zu verteidigen, macht das Ganze nicht besser.

Von Dagmar Henn

Nun raunt er also von einem russischen Einmarsch in Deutschland: Vitali Klitschko, ehemaliger Profiboxer und Süßwarenmodell. Seit 2014 ist er Bürgermeister von Kiew. Eigentlich hätte er mehr werden sollen; das war zumindest der deutsche Plan. Dann gab es das berüchtigte Telefonat von Victoria Nuland mit Geoffrey Pyatt, in dem es hieß:

"Forget Klitsch. F*ck the EU. Jaz is our guy."

Übersetzen lässt sich das mit: "Vergesst Klitschko. F*ck die EU. Jazenjuk ist unser Mann." Und so kam es auch, Jazenjuk wurde Oberhaupt der Putschregierung, und Klitschko wurde mit dem Bürgermeisteramt in Kiew abgefunden.

Dass er überhaupt dort sitzt, ist zur Gänze ein Produkt der deutschen Beteiligung am ukrainischen Desaster. Denn Klitschkos Rolle als Sympathieträger, die durch seine Werbeengagements zementiert worden war, sollte helfen, den Deutschen das Ergebnis der westlichen Einmischung schmackhaft zu machen. Zu diesem Zweck wurde für ihn extra eine Partei aus der Taufe gehoben, mit der pazifistischen Bezeichnung "Udar" (Schlag) und unter reichhaltiger Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU.

Wer nun erwartet, dass Udar deshalb eine demokratische Partei sei, der irrt allerdings. Nicht nur, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung auch eine andere ukrainische Partei förderte – Swoboda, die ursprünglich als Sozial-Nationale Partei gegründet worden war. Auch Udar war von Beginn an mit Bandera-Ideologie durchsetzt. Bereits im Jahr 2012 war sie Teil der "Vereinten Opposition der Ukraine", mit Swoboda. Und wer noch Zweifel hatte, wo Udar einzuordnen ist, konnte diese an dem Wochenende vor dem Putsch 2014 mit dem Überfall bei Korsun zu den Akten legen.

Es gab in der Ukraine, auch in Kiew, nicht nur die Maidan-Demonstrationen, sondern auch Antimaidan-Demonstrationen. Darüber wurde im Westen wohlweislich nicht berichtet. Ebensowenig, wie darüber berichtet wurde, wofür das metergroße Bandera-Porträt neben der Hauptbühne der Maidan-Proteste politisch stand. Jedenfalls, am 20. Februar gab es ein letztes Mal eine große Antimaidan-Demonstration in Kiew, bei der mehrere Busse mit Teilnehmern von der Krim kamen. Auf dem Rückweg wurden diese Busse überfallen. Dieser Überfall wurde damals, wie es Sitte werden sollte, von den Tätern selbst gefilmt und ins Internet gestellt.

Im Zuge des besagten Überfalls kam es zu mehreren Toten und Schwerverletzten. Die Antimaidan-Demonstranten wurden aus den Bussen geholt, die Busse wurden verbrannt, die Demonstranten gezwungen, auf den Glasscherben der Busfenster zu knien und die ukrainische Hymne zu singen. Sie wurden geschlagen und die ganze Nacht lang durch anliegende Wälder gejagt. Die ersten Aufnahmen dieses Ereignisses kursierten unmittelbar danach, eben weil die Täter diese voller Stolz verbreiteten. Aber die ganze Geschichte wurde – zumindest im Westen – erst Monate später bekannt.

Etwa 350 Demonstranten waren die Opfer dieses Überfalls, und dieses Ereignis hatte einen gewaltigen Einfluss darauf, wie auf der Krim auf den Putsch reagiert wurde. Schließlich sind 350 Zeugen eine ganze Menge für eine Insel mit gerade zwei Millionen Einwohnern. Das Ereignis, das im Westen nur jene mitbekamen, die zu diesem Zeitpunkt bereits Sorgen hegten, was sich da in der Ukraine entwickelte, wird auf der Krim Thema an jeder Straßenecke gewesen sein. Und hat dafür gesorgt, dass die Putschregierung als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen wurde.

An diesem Überfall waren Anhänger zweier Parteien beteiligt: von Swoboda und von Udar. Die mit deutschen Steuergeldern finanzierte Partei von Vitali Klitschko erwies sich also bereits vor dem Putsch als eine zweifelhafte Organisation, die eher der SA ähnelte als einer demokratischen Partei.

Am 27. Februar 2014 wurde in Kiew übrigens die Zentrale der Kommunistischen Partei der Ukraine gestürmt, die in manchen Regionen des Landes immerhin auf ein Viertel der Stimmen kam. Und bereits am 1. März, also noch vor den Besetzungen in Donezk und Lugansk, forderte Klitschko die Generalmobilmachung in der Ukraine; im Schlepptau eines deutschen Außenministers Steinmeier, der bereits am 23. Februar, das Stichwort von der "territorialen Integrität" der Ukraine in den Raum gestellt hatte. Auf der einen Seite war also die Partei finanziert und mit aufgebaut worden, die mit dazu beigetragen hat, dass die Bevölkerung der Krim diese Ukraine nur noch verlassen wollte. Und auf der anderen Seite wurden die Weichen durch den deutschen Außenminister und die deutsche Marionette Klitschko von vornherein auf Konflikt gestellt.

Ein kleines Detail, das gern übergangen wird, ist, dass die nazistischen Schlägertrupps, von Swoboda, Udar und dem Rechten Sektor, bereits Anfang März 2014 den Status militärischer Einheiten verliehen bekamen. Drei Staatssekretäre des ukrainischen Verteidigungsministeriums wurden damals entlassen, weil sie sich weigerten, diesen Schritt zu vollziehen.

Andrei Jussow, Funktionär von Udar in Odessa, soll übrigens an den Vorbereitungen des dortigen Massakers beteiligt gewesen sein, was abermals die Nähe zu Organisationen wie Swoboda und dem Rechten Sektor bestätigt; Mitglieder der faschistischen Truppe C14, die es schafft, noch rechts vom Rechten Sektor zu stehen, waren Mitglieder der Stadtwache, einer von Klitschko gegründeten Hilfspolizei. Im Sommer 2014 finanzierte auch Klitschko ein eigenes Freikorps, eines dieser ideologischen Bataillone, die zu Beginn vor allem den Krieg gegen die Bewohner des Donbass führten und schnell zu Teilen der ukrainischen Armee wurden. Der Oligarch Igor Kolomoiski legte sich damals die Bataillone Dnjepr 1 und 2 zu. Im August 2014 berichtete auch der Tagesspiegel noch einigermaßen wahrhaftig über Asow und die übrigen derartigen Truppen, und schrieb:

"Der Kiewer Bürgermeister und Chef der Udar-Partei, Vitali Klitschko, verteilt regelmäßig Schutzwesten, Stahlhelme und Proviant an die großen Bataillone."

Wohlgemerkt, eben nicht an die ukrainische Armee, sondern an privat finanzierte Truppen mit eindeutig nazistischer Ausrichtung... Noch 2015 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung eine Übersicht über diese Bataillone und ihre Kommandeure; inzwischen ist diese Übersicht verschwunden, verblieben ist nur der einleitende Artikel.

Das ist die wirkliche politische Position eines Vitali Klitschko. Kein Wunder, dass er immer wieder auch mit Asow-Kämpfern posierte. Er hat mit zur Entwicklung dieser halblegalen Struktur der unzähligen extrem rechten Bataillone (oder inzwischen teils Regimenter) beigetragen, die bis heute für Brutalität und Verbrechen berüchtigt sind, als Sperrtruppen hinter der eigentlichen ukrainischen Armee zum Einsatz kommen und stets die Drohung präsent halten, jede ukrainische Regierung, die den Krieg gegen den Donbass zu beenden bereit wäre, jederzeit mit Waffengewalt zu stürzen. Auch wenn all diese Einheiten inzwischen formal Teile der ukrainischen Armee sind, erfüllen sie nach wie vor die Rolle.

Wie eng Klitschko mit dem Nazismus in der Ukraine verbunden ist, wird natürlich heute in der deutschen Presse noch weniger erwähnt als 2014. Schließlich erfüllt er eine wichtige Funktion, wenn er die Lieferung von Leopard 2-Panzern fordert oder – wie jüngst im Interview mit dem RND – gleich einen russischen Einmarsch in Deutschland prophezeit:

"Ihr Deutschen dürft nicht vergessen, ein Teil Deutschlands gehörte ebenfalls zum sowjetischen Imperium. Putin hat jahrelang als KGB-Agent in der DDR gearbeitet. Er könnte auch nach Deutschland einmarschieren."

Solche Aussagen, die dazu dienen sollen, die Deutschen bei der ukrainischen Stange zu halten, verkaufen sich natürlich besser, wenn nicht allzu bekannt ist, wofür und mit wem Vitali Klitschko tatsächlich steht. Seine Weste muss ebenso blütenrein gewaschen werden wie jene des blutbesudelten Asow-Regiments.

Vielleicht hat deshalb vor kurzem ein bayrisches Gericht die Verbreitung einer Zusammenstellung von Fotos mit acht Monaten Haft geahndet, auf der Klitschko in eben diesen Zusammenhang gestellt wird.

"Da das Bild", so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, "weder in eine bereits bestehende Diskussion eingebettet wurde noch durch den Angeklagten durch einen entsprechenden Text oder eine entsprechende Ausarbeitung eine inhaltliche Diskussion ermöglicht wurde, kann keine inhaltliche Aufklärung durch den Angeklagten bezweckt worden sein." Das Bild müsse geradezu als Identifikation mit dem Hitlergruß gelesen werden.

Die Tatsache, dass zumindest eine der abgebildeten Personen, eben Vitali Klitschko, in Deutschland durchaus bekannt ist und gerade wieder als Propagandist für das ukrainische Regime durch die Presse gereicht wird, spielte für das Gericht keine Rolle; die abgebildeten Personen werden im gesamten Urteil nicht einmal erwähnt. Dass die Verbindung eben dieses Herrn Klitschko mit Personen, deren nazistische Gesinnung erkennbar ist, durchaus bereits ohne lange Kommentare eine politische Information darstellt, die der deutschen Öffentlichkeit bekannt gemacht werden sollte, sah das Gericht ebenfalls nicht.

Während also auf der einen Seite von den üblichen Massenmedien beständig behauptet wird, in der Ukraine gebe es keine Nazis, soziale Netzwerke wie Facebook bildliche Nachweise der Tatsache, dass es sie doch gibt, und nicht zu knapp, mit Leidenschaft löschen, tut ein bayrisches Gericht so, als gebe es das ganze Thema "Nazis in der Ukraine" überhaupt nicht, weil nur dann möglich ist, zu behaupten, das Bild habe keinen Kontext. Dabei wird der Kontext gerade zu diesem Bild tagtäglich in den Abendnachrichten geliefert, oder durch Aussagen wie der Forderung nach Lieferung von Leopard-Panzern.

Wenn eine Abbildung von Vitali Klitschko, der der nach Selenskij in Deutschland bekannteste ukrainische Politiker sein dürfte, noch nicht genügt, um aus sich heraus einen Kontext herzustellen zu dem beständigen Gerede von "Solidarität mit der Ukraine", den Waffenlieferungen und den Behauptungen, in der Ukraine gebe es keine Nazis. Dann dürfte künftig kein Bild mehr ohne ausführliche Erläuterungen veröffentlicht werden, selbst wenn es ein so hochaktuelles und allgegenwärtiges Thema wie die Ukraine betrifft.

Aber das bayrische Gericht hat das getan, was vom deutschen Staatsapparat erwartet wird: Es hat sich schützend vor den angebräunten bürgermeisternden Ex-Boxer geworfen. Wo kämen wir denn hin, wenn jedermann einfach die Wahrheit über deutsche Lieblingsmarionetten verbreiten dürfte? Schließlich wird "Klitsch" noch gebraucht, um den Deutschen den Krieg gegen Russland zu verkaufen, als sei er ein Schokoriegel.

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