Von Rainer Rupp
Am 30. November hat die demokratisch nicht gewählte EU-Kommission vorgeschlagen, "Optionen für die Mitgliedsstaaten auszuarbeiten, mit denen sichergestellt werden kann, dass Russland für die Gräueltaten und Verbrechen während des Krieges in der Ukraine zur Rechenschaft gezogen wird". Zu diesem Zweck hat Ursula von der Leyen, Präsidentin der zunehmend militaristischen EU-Kommission, die Gründung eines "Europäischen Sondergerichtshofs für russische Kriegsverbrechen" angekündigt.
In einem bemerkenswerten Akt von Heuchelei twitterte die unsägliche von der Leyen, in einer selektiven Verurteilung: "Russland muss für seine schrecklichen Verbrechen bezahlen." Und dabei geht es ihr offensichtlich um die Beschlagnahmung russischer Finanzmittel in EU-Ländern.
Die EU-Kommission und die ebenfalls von Russenhass getriebenen Regierungen einer ganzen Reihe von EU-Mitgliedsstaaten, allen voran die baltischen Staaten und Polen, drängen seit Monaten darauf, die im Rahmen der antirussischen Sanktionen im EU-Raum eingefrorenen Gelder zu stehlen, um sie anschließend ihren faschistischen Freunden in der Ukraine zu schenken.
Bei den im EU-Raum blockierten Geldern handelt es sich um Finanzmittel der russischen Zentralbank, russischer Unternehmen und reicher Privatleute, die vor Beginn der EU-Sanktionen im Rahmen des alltäglichen russischen Waren- und Finanzhandels mit EU-Ländern bei Geldhäusern oder Zentralbanken in den EU-Ländern gelagert waren. Im EU-Raum soll es sich dabei um eine auf 65 bis 70 Milliarden Euro geschätzte Summe handeln, insgesamt sollen in westlichen Ländern etwa 350 Milliarden Dollar an russischem Vermögen eingefroren sein.
Nun gibt es einen grundlegenden juristischen Unterschied zwischen Einfrieren und Beschlagnahmung. Beim Einfrieren wechselt der Besitzer nicht, im Gegenteil zur Beschlagnahmung. So hatte z. B. der damalige US-Präsident Barack Obama nach Abschluss des Atomabkommens 1,7 Milliarden Dollar an Iran zurückgeschickt, die zuvor im Rahmen von US-Sanktionen über viele Jahre eingefroren gewesen waren. Für das Einfrieren von Geldern fremder Staaten gibt es nach internationalem Recht umstrittene Möglichkeiten, wobei das Recht des Stärkeren ausschlaggebend ist. Um Gelder fremder Staaten und ihrer Finanzinstitutionen oder Zivilpersonen zu beschlagnahmen und weiterzuverwenden, gibt es keine Rechtsmittel. Das zumindest war laut dem Wall Street Journal und der britischen Financial Times das einhellige Rechtsgutachten der von der EU-Kommission beauftragten juristischen Experten.
Allerdings war von einigen Experten zu hören, dann man in Bezug auf Beschlagnahmung doch noch was machen könnte, wenn man nämlich den Betroffenen ein kriminelles Vergehen nachweisen könnte. Ein Beispiel wäre, wenn die Geldeinlage eines russischen Privatmanns bei einer Bank in der Europäischen Union nachweislich auf organisierter Kriminalität stammen würde. Aber dafür reiche die aktuelle Gesetzeslage bereits aus.
Aber da man die russischen Kontoinhaber bei EU-Banken, wie die russische Zentralbank oder Großkonzerne, ganz offensichtlich nicht in Verbindung mit organisierter Kriminalität bringen kann, steht die aktuelle Gesetzeslage der EU-Kommission und ihrem Ziel der Beschlagnahmung russischer Gelder im Weg. Aber was nicht ist, kann noch werden. Das durchsichtige Mittel zum Zweck ist das von von der Leyen angekündigte "Europäische Tribunal für Russische Kriegsverbrechen" in der Ukraine.
Ganz offensichtlich ist von der Leyen in dieser Sache juristisch schlecht beraten, denn allein der Titel verrät schon, dass es hier nicht um Recht, sondern um die einseitige Schuldzuweisung an die Russen geht. Denn das Tribunal soll sich nicht ganz allgemein mit Kriegsverbrechen in der Ukraine beschäftigen, worunter auch die zahllosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Faschisten in der ukrainischen Armee fallen würden, wie z. B. die seit fast neun Jahre andauernde wahllose Beschießung ziviler Infrastruktur und Wohnhäuser in den Russisch sprechenden Donbass-Republiken.
Es geht der EU-Kommission also nicht um Kriegsverbrechen an sich, sondern um ein selektives Gesetz zur Verurteilung Russlands. Geht es der EU-Kommission also nur um billige Gräuelpropaganda gegen Russland? Nein, denn das geht schon aus der Twitter-Nachricht hervor, mit der von der Leyen das Tribunal angekündigt hat.
"Russland muss für seine schrecklichen Verbrechen bezahlen.
Wir werden mit dem IStGH (Internationalen Strafgerichtshof) zusammenarbeiten und dabei helfen, ein spezialisiertes Gericht einzurichten, das die Verbrechen Russlands aburteilt.
Mit unseren Partnern werden wir sicherstellen, dass Russland für die von ihm verursachte Verwüstung mit den eingefrorenen Geldern von Oligarchen und Vermögenswerten seiner Zentralbank bezahlt."
Hier spricht von der Leyen eindeutig von einem "spezialisierten Gericht", nur für Russland. Das ist eine juristische Farce.
Zugleich stellt von der Leyen den juristischen Grundsatz "nulla poena sine lege" zur Disposition, der seit römischer Zeit in der Rechtsprechung in allen zivilisierten Länder gilt, dass es nämlich "keine Strafe ohne Gesetz" gibt. Mit anderen Worten, zum Zeitpunkt der Tat muss das Gesetz bereits existiert haben, sonst kann man nicht verurteilt werden. Aber im vorliegenden Fall will von der Leyen das juristische Pferd von hinten aufzäumen. Die Strafe für Russland steht bereits fest, dass nämlich mit den "eingefrorenen Geldern von Oligarchen und Vermögenswerten seiner Zentralbank" die Verwüstungen in der Ukraine bezahlt werden sollen, und dafür soll nun der "Europäische Sondergerichtshof für russische Kriegsverbrechen" die entsprechenden Gesetze schaffen.
Dieses Vorgehen der EU-Kommission ist absolut illegal, aber das wäre ohnehin nicht das erste Mal. Legal, illegal, scheißegal scheint zunehmend die Devise der demokratisch nicht gewählten, autoritären EU-Kommandeurin und ihres Apparates zu sein. Und wahrscheinlich wird sie damit durchkommen, weil die neoliberalen Eliten in den Regierungen der meisten EU-Mitgliedsländer auf Teufel komm raus in die gleiche antirussische Richtung marschieren wie von der Leyen.
Aber in der Bevölkerung etlicher EU-Staaten scheint den Eliten das Narrativ bereits zu entgleiten. So gab es z. B. folgende Antwort eines Lesers auf von der Leyens Twitter-Meldung, in der ein S. Bobkov die EU-Kommissionspräsidentin aufforderte, erst einmal "für die eigenen Verbrechen in Serbien zu bezahlen". In diesem Zusammenhang fügte Bobkov einen Screenshot von der offiziellen NATO-Mitschrift einer Pressekonferenz vom 25. Mail 1999 an, wobei der damalige NATO-Sprecher Jamie Shea so ganz nebenbei die absichtliche und systematische Zerstörung der überlebenswichtigen Infrastruktur der Elektrizitäts- und Wasserversorgung für die Zivilbevölkerung Serbiens eingesteht.
Die Frage eines Mitarbeiters einer norwegischen Nachrichtenagentur lautete:
"Es tut mir leid, Jamie, aber wenn Sie sagen, dass die (serbische) Armee viele Notstromaggregate hat, warum berauben Sie 70 Prozent der Bevölkerung des Landes nicht nur der Elektrizität, sondern auch der Wasserversorgung, wenn Sie sagen, dass Sie nur militärische Ziele anvisieren?"
Shea, der übrigens den Begriff von den zivilen Kollateralschäden der NATO-Angriffe in Serbien erfunden hat, sagte dazu:
"Ja, ich fürchte, Elektrizität treibt auch Befehls- und Kontrollsysteme des Militärs an. Wenn Präsident Milošević wirklich will, dass seine gesamte Bevölkerung Wasser und Strom hat, muss er nur die fünf Bedingungen der NATO akzeptieren, und wir werden diese Kampagne stoppen. Aber solange er das nicht tut, werden wir weiterhin die Ziele angreifen, die den Strom für seine Streitkräfte liefern. Wenn das zivile Konsequenzen hat, ist es seine Sache, sich darum zu kümmern, dass das Wasser, der Strom für die Menschen in Serbien wieder eingeschaltet wird."
Mit ihrem neuen Projekt zur Schaffung eines "Europäischen Sondergerichtshofs für russische Kriegsverbrechen" erklimmt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen einen neuen Höhepunkt europäischer Scheinheiligkeit.
Mehr zum Thema - EU-Kommission erstellt Liste von Straftatbeständen der Umgehung von Sanktionen gegen Russland